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RA Digital - 10/2019

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506 Zivilrecht

506 Zivilrecht RA 10/2019 LÖSUNG Erstaunlich, aber wahr: In der uns vorliegenden Entscheidung zitiert das Gericht keine Anspruchsgrundlage im Obersatz. Das dürfen Sie nicht! Vergessen Sie bitte nie: „Quod licet Iovi, non licet bovi.“ Es gibt bei eBay auch nicht die Schaltfläche „kaufen“, sondern „Sofort Kaufen“. Anders als in den in der RA besprochenen Entscheidungen • RA 2004, 775 • RA 2011, 458 • RA 2014, 342 • RA 2015, 513 • RA 2017, 5 • RA 2019, 449 geht es vorliegend nicht um eine Internetversteigerung, sondern um einen Vertragsschluss, bei dem der Anbieter ein verbindliches Angebot mit einem Festpreis hochlädt und der Annehmende u.a. mittels „Sofort-Kaufen“-Button die Annahme erklärt. Angebot des V Annahme des K Die Ausführungen des Gerichts sind, soweit sie den Rechtsbindungswillen betreffen, nicht zu beanstanden. Zu den Behauptungen des K, die seinen Handlungswillen betreffen, nimmt das Gericht weiter unten Stellung, vermengt die Begründung allerdings mit Ausführungen zur Anfechtung (s.u.) A. Anspruch V gegen K auf Zahlung von 2.499 € Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 325, 280 I, III, 281 I 1 1. Alt. BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 2.499 € Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 325, 280 I, III, 281 I 1 1. Alt. BGB haben. I. Schadensersatz statt der Leistung neben Rücktritt Gem. § 325 BGB kann Schadensersatz statt der Leistung neben dem erklärten Rücktritt verlangt werden. II. Schuldverhältnis 1. Vertragsschluss Das geforderte Schuldverhältnis könnte im nach den Kaufvertragsschlussbedingungen von eBay zustandegekommenen Kaufvertrag zwischen V und K liegen. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Hier liegt die Besonderheit im Vertragsschluss über die Internet-Plattform eBay ohne direkten sozialen Kontakt. Wer einen Zugang zum virtuellen Marktplatz der Internet-Plattform eBay wünscht, muss die eBay-AGB akzeptieren. Diese gelten zwischen dem einzelnen Nutzer und eBay, werden aber zur Auslegung im Marktverhältnis zugrundegelegt. Nach diesen Bedingungen ist das Hochladen seitens V als Angebot i.S.d. § 145 BGB zu werten, wenn es die essentialia negotii enthält. Hier hatte V sowohl den Kaufpreis als auch den Kaufgegenstand in bestimmter Form bezeichnet. Das Angebot richtet sich an jedermann, der bereit ist, nach den eBay-Vertragsbedingungen das Angebot anzunehmen. Aufgrund der eingesetzten Computersoftware der Firma eBay kann nur der zeitlich erste Nutzer einen Vertrag schließen, sodass Verträge mit mehreren Nutzern über denselben Gegenstand technisch ausgeschlossen sind. Folglich hat V ein Angebot an einen unbestimmten Personenkreis gemacht. Fraglich ist aber, ob K das Angebot angenommen hat. Eine Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, welche auf das Angebot Bezug nimmt und inhaltlich mit diesem korrespondiert. Nach den akzeptierten eBay-Vertragsbedingungen muss der Nutzer die Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ berühren. Ferner sind wegen der Zahlungs- und Lieferungsmodalitäten noch zwei weitere Bestätigungen nötig. Alle drei Kontakte der Schaltflächen wurden von eBay bestätigt und dem Smartphone des K zugeordnet. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass K unbewiesen bestreitet, dass er die Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ berührt hat und sich ebenfalls darauf beruft, die Tastensperre eingeschaltet zu haben. Fraglich ist, ob deshalb ein innerer Handlungswille und mithin der Tatbestand der Willenserklärung zu verneinen ist. Jura Intensiv [16] Der Beklagte hat ein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrzeug angenommen, so dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das Angebot abgeben wollte. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Empfängerhorizont hat aber der Beklagte ein Angebot über einen Sofortkauf angenommen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Zivilrecht 507 [15] Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Anwendung des § 105 Absatz 2 BGB vorliegend nicht in Betracht, da weder für eine direkte noch für eine entsprechende Anwendung die Voraussetzungen vorlagen. [17] Der Beklagte beruft sich darauf, den Vertrag jedenfalls wirksam angefochten zu haben. Der Beklagte ist dabei für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte beruft sich hier auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass sich das Telefon trotz Drückens der Sperrtaste nicht gesperrt habe. Die Klagepartei hat substantiiert dazu vorgetragen, dass jedenfalls noch eine zweimalige Bestätigung des Kaufs erforderlich ist, auch wenn der Nutzer bei Ebay bereits eingeloggt ist und den Artikel bereits aufgerufen hat. Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist unbeachtlich. Der Beklagte hat jedoch nicht dazu vorgetragen, wie es dazu gekommen sein soll, dass das - unterstellt - nicht gesperrte Handy selbständig zweimal den Kauf bestätigt. Damit liegt eine Annahmeerklärung vor. Der Vertrag kam mit dem Inhalt des Angebots zustande. 2. Anfechtung Fraglich ist, ob K den Vertragsschluss gem. § 142 I BGB wirksam angefochten hat. Eine gem. § 142 I BGB wirksame Anfechtung würde die Darlegung der Tatsachen seitens K erfordern, die die Voraussetzungen eines Anfechtungsgrundes ausfüllen. Hier hat K zunächst vorgetragen, gar keine willensgesteuerte Handlung unternommen zu haben. Dies würde den Vortrag eines Anfechtungsgrundes, der ja eine Willenserklärung voraussetzt, ausschließen. Jedoch hat sich K nur hilfsweise auf die Anfechtung berufen. Dies wirft zunächst die Frage auf, ob dies zulässig ist. Alle Gestaltungsrechte sind analog § 388 S. 2 BGB bedingungsfeindlich. Jedoch stellt eine Bedingung i.S.d. § 158 I BGB, wer eine Rechtsfolge an ein in der Zukunft liegendes, ungewisses Ereignis knüpft. Hier wünscht K, das Gericht möge sich mit seiner Anfechtungserklärung erst befassen, wenn die Rechtslage ergibt, dass er eine Willenserklärung abgegeben hat. Folglich knüpft er an die gegenwärtige Rechtslage an und nicht an ein künftiges, ungewisses Ereignis. Es handelt sich deshalb nur um eine zulässige innerprozessuale Bedingung. Damit sein Vortrag die Annahme eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums gem. § 119 I BGB rechtfertigt, hätte K verdeutlichen müssen, worin genau beim Berühren der Schaltfläche seine unbewusste Fehlvorstellung gelegen hätte. Indem dies nicht der Fall ist, liegt kein Irrtum nach § 119 I BGB vor. Ein Fall des § 120 BGB läge vor, wenn nach Abgabe der Willenserklärung ein Softwarefehler beim Internetprovider oder bei eBay den Willen des K verzerrt hätte. Auch hierzu hat K nichts vorgetragen. Folglich liegt keine Anfechtung vor. Der Vertrag bleibt wirksam. Jura Intensiv III. Pflichtverletzung: Nichterbringung einer fälligen, möglichen und durchsetzbaren Leistungspflicht bis zum Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung K muss eine von ihm aus dem Vertrag geschuldete, fällige, mögliche Leistung bis zum Ablauf einer angemessenen Nachfrist nicht erbracht haben. [19] Der Kläger forderte den Beklagten unstreitig mehrfach zur Abholung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte hat dies abgelehnt. Der Kläger durfte gemäß § 323 Absatz 1 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten. So „pragmatisch“ wie das Gericht in seinem hier vorliegenden Urteil, dürfen Sie im Gutachten nicht sein. Der Tatbestand der Willenserklärung gehört zum Vertragsschluss, genauer zur Annahmeerklärung. Die Anfechtung der Willenserklärung als Gestaltungsrecht setzt eine Willenserklärung als solche bereits voraus. Was das Gericht zum Tatbestand der Willenserklärung schreibt, ist erhellend. V hat substantiiert vorgetragen, welche technischen Voraussetzungen der Vertragsschluss bei eBay erfordert. Dies führt zum Anscheinsbeweis, dass K die Schaltflächen willentlich bedient hat. Folglich oblag es K, substantiiert vorzutragen, dass keine willentlich gesteuerte Handlung vorlag. Hierzu hätte er zu den Ursachen der behaupteten technischen Fehlfunktion substantiiert vortragen müssen. Dies hat er nicht getan. Damit liegt eine wirksame Annahmeerklärung vor. Diese Darlegungsund Beweislastregeln entbinden das Gericht auf elegante Art von der Unannehmlichkeit, K einen Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 I ZPO – sprich eine Lüge – vorzuwerfen. K erklärte hilfsweise die Anfechtung. Innerprozessuale Bedingung Keine Substantiierung eines Irrtums Zur Anwendbarkeit des § 120 BGB in solchen Fällen OLG Frankfurt/M., Urteil vom 20.11.2002, 9 U 94/02 Die Voraussetzungen des Rücktrittsgrundes aus § 323 I 1. Alt. BGB sowie des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 281 I 1 1. Alt. BGB stimmen weitgehend überein. Dennoch hätte das Gericht im Urteil auf § 281 I 1 BGB abstellen müssen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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