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RA Digital - 10/2020

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522 Referendarteil:

522 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2020 Vierter Krankenhausaufenthalt in der dritten Klinik (B3) Fünfter Krankenhausaufenthalt in der vierten Klinik (L). Hier wurde die Ursache der Symptome erstmalig korrekt diagnostiziert und K therapiert. Der streitige Klägervortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Trennen Sie zwischen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Je nach Region wird der Antrag sprachlich unterschiedlich gestaltet. Wir verwenden die Formulierung, es soll beantragt werden, „B1 und B2 gesamtschuldnerisch“ zu verurteilen. Fragen Sie hierzu Ihre Ausbilder. Unbezifferte Klageanträge („angemessenes Schmerzensgeld“) sind hier ausnahmsweise kein Verstoß gegen § 253 II Nr. 2 ZPO, Thomas/ Putzo/Seiler, ZPO, § 253 Rn 12. Am 04.04.2014 stellte sich K wegen anhaltender Rückenschmerzen im LWS- Bereich in der neurochirurgischen Abteilung des Klinikums der B3 vor. Die dortigen Ärzte empfahlen dem K anhand der MRT-Aufnahmen der B2 vom 20.02.2014 und der B1 vom 26.02.2014 die Fortsetzung der Bettruhe für sechs bis acht Wochen unter Fortführung der oralen Antibiose. Zudem wurde dem K ein Rahmenstützkorsett verordnet. Bei erneuter Vorstellung im Klinikum der B3 am 09.05.2014 berichtete K über eine deutliche Besserung der Rückenschmerzen. Die Antibiose war durch den K bereits am 04.05.2014 abgesetzt. Eine erneute MRT der Lendenwirbelsäule zeigte keine relevanten Änderungen zu der bildgebenden Diagnostik vom 26.03.2014. In der Folge begab sich K in die Behandlung des L Clinicums in R. Im Rahmen einer stationären Behandlung vom 13.08.2014 bis zum 26.08.2014 wurde am (…) eine operative Behandlung der Spondylodiszitis LWK 4/5 mit dorsoventraler Spondylodese LWK 4/5 mit autologem Beckenkamminterponat durchgeführt. In einer intraoperativ entnommenen Gewebeprobe wurde ein Staphylococcus epidermidis nachgewiesen, das gegen das bisher gegebene Antibiotikum (Med2) resistent war. Hierauf erhielt K eine Antibiose unter Gabe von (Med4) und die Empfehlung zur Fortsetzung der Antibiose für drei Monate. K behauptet, er habe sich bei der B1 mit einem Staphylococcus epidermidis bzw. MRSE infiziert, da B1 Hygienevorschriften missachtet habe. Weiter behauptet K, dass B2 das ursprüngliche Bakterium hätte diagnostizieren können mit der Folge, dass nicht ein wirkungsloses Medikament verschrieben worden wäre. Weiter behauptet K, die Ärzte der B3 hätten es bei den Kontrolluntersuchungen am 04.04.2014 und 09.05.2014 fehlerhaft unterlassen, den K operativ zu versorgen oder ihn zumindest über die Möglichkeit einer operativen Versorgung aufzuklären. Auch hätten sie die Identifizierung des Bakteriums in den Kontrolluntersuchungen und weitere Befunderhebungen fehlerhaft unterlassen. K beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an K ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, – mindestens aber 30.000 € – nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen. Jura Intensiv B beantragen, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. K hat gegen keinen der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung. Solche Ansprüche folgen nicht aus §§ 280 I, 630a, 823 I BGB. Keine der genannten Anspruchsgrundlagen ist erfüllt. Ein Anspruch gegen B1 besteht nicht. Ein Fehler bei der Behandlung des K durch B1 vom 16.01.2014 bis zum 21.01.2014 ist nicht festzustellen. Eine Infektion des K bei B1 aufgrund einer Unterschreitung des ärztlichen Standards hat K zwar behauptet, aber nicht in ausreichender Weise dargelegt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2020 Referendarteil: Zivilrecht 523 [21] Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass er aus dem Umstand, dass bei ihm im zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingriff bei der Beklagten zu 1 eine Spondylitis auftrat, schließt, dass im Hause der Beklagten zu 1 zu der fraglichen Zeit ein angemessener Hygienestandard nicht gewährleistet gewesen sei und er sich dort „wahrscheinlich“ (…) mit dem Keim MRSE infiziert habe. Der Kläger stellt in diesem Zusammenhang verschiedene Mutmaßungen an, auf welchem Weg er sich mit dem MRSE-Keim infiziert haben könnte. (…) Auf der Grundlage dieses Vorbringens hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu eventuellen Hygienemängeln und zur Ursächlichkeit eventueller Hygienemängel eine in dieser Form auch in Arzthaftungssachen unzulässige Ausforschung bedeutet. [22] Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast kamen dem Kläger nicht zugute. Nach der Rechtsprechung kann eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die Ursächlichkeit eines Hygienemangels für eine Infektion und zugleich auch für das Verschulden hinsichtlich des Hygienemangels nur dann angenommen werden, wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen ist. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im konkreten Fall überhaupt ein voll beherrschbarer Risikobereich betroffen ist, trifft den Patienten. Selbst der Umstand allein, dass sich der Patient im Krankenhaus eine Infektion zugezogen haben will, reicht nicht für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast (…). Absolute Keimfreiheit gibt es nicht. Deshalb gehören Keimübertragungen, die sich aus nicht beherrschbaren Gründen und trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereignen, zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten. (…) [D]as Auftreten einer Infektion als solches stellt keinen Anhaltspunkt für einen haftungsbegründenden Hygienemangel dar. Für substantiierten Vortrag insoweit und als notwendige Basis für eine Beweisaufnahme durch sachverständige Begutachtung bedürfte es deshalb eines konkreten Anhaltspunktes dafür, dass es im Rahmen der Behandlung des Klägers zu einem Hygienemangel in einem hygienisch beherrschbaren Bereich gekommen ist, der vom Ansatz her die tatsächlich eingetretene Infektion hätte verursachen können (…). Für die von der Rechtsprechung entwickelte Figur des voll beherrschbaren Risikos besteht nur dann Raum, wenn festgestellt werden kann, dass die Schädigung des Patienten weder aus einer Sphäre stammt, die - wie z.B. Risiken aus dem eigenen menschlichen Organismus - dem Patienten zuzurechnen ist, noch aus dem Kernbereich des ärztlichen Handelns herrührt. Nur wenn unstreitig oder nachgewiesen ist, dass das Risiko, dass sich bei dem Patienten verwirklicht, aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren ärztlicherseits durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll ausgeschlossen werden kann und muss, trifft die Behandlungsseite die Darlegungsund Beweislast für Verschuldensfreiheit (…). [23] (…) Es ist bereits nicht klar, ob der Kläger im Zeitpunkt der Einlieferung bei der Beklagten zu 1 schon MRSE-Keimträger war. Selbst wenn der Kläger den MRSE-Keim über eine Mitpatientin erlangt haben sollte, würde allein dieser Umstand noch keine Haftung der Beklagten begründen. Während das Krankenhauspersonal sowie die verwendeten Gerätschaften integraler Bestandteil des Klinikbetriebes sind und dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Jura Intensiv Es besteht eine Darlegungspflicht des K bezüglich der behaupteten Unterschreitung der ärztlichen Standards. Hinweise in der Klausur finden Sie in Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, Vorb 284 Rn 25 ff., hier speziell Rn 30. In einer solchen Situation kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts folglich gar nichts tun. Es ist bei einer lebensnahen Betrachtung hochwahrscheinlich, dass im Fall einer Infektion mit einem MRSE-Keim diese in einem Krankenhaus erfolgte. Mehr als Mutmaßungen bezüglich des Infektionsortes und -zeitpunktes kann der Kläger nicht machen. Die Einholung eines SV-Gutachtens wird als Ausforschungsbeweis als unzulässig erachtet. Thematisiert wird hier § 630h I BGB. OLG München, Schlussurteil vom 06.06.2013, 1 U 319/13 Die Aussage erstaunt. Dies mag für einen einfachen grippalen Infekt nachvollziehbar sein, aber nicht für einen MRSE-Keim. OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 10.10.2012, 5 U 69/12 OLG München, Schlussurteil vom 06.06.2013, 1 U 319/13 Rn 33 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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