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RA Digital - 10/2020

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540 Öffentliches Recht

540 Öffentliches Recht RA 10/2020 Konkretisierung des Merkmals „Sonderopfer“ Sonderopfer (-), weil sehr viele Gewerbetreibende von Betriebsschließungen betroffen waren. Reschke, DÖV 2020, 423, 429; Stöß/ Putzer, NJW 2020, 1465, 1467 Staatliche Finanzhilfen sprechen gegen Sonderopfer Problem: Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des enteignenden Eingriffs Zum Prüfungsaufbau: Diese Ausführungen gehören in einer Klausur zwingend an den Anfang der Prüfung. BGH, Urteil vom 10.2.2005, III ZR 330/04, juris Rn 12 Wesentlichkeitstheorie • es ist Aufgabe des Parlamentsgesetzgebers, eine Entschädigungsregelung zu erlassen • keine Anwendung des richterrechtlich entwickelten Anspruchs aus enteignendem Eingriff „Ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer besteht, wenn ein Eingriff in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition vorliegt, durch die der Betroffene als Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich betroffen wird und er mit einem besonderen, den übrigen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit belastet wird. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dem Kläger kein individuelles Sonderopfer auferlegt wurde, sondern ein sehr weiter Personenkreis von den Schließungsmaßnahmen betroffen war. […] Eine einseitige Belastung nur des Klägers oder seiner Berufsgruppe lag also nicht vor. Schon dieser Aspekt spricht bereits gegen die Annahme eines Sonderopfers. […] Darüber hinaus wäre […] zu berücksichtigen, dass der Kläger im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den verordneten Betriebsuntersagungen staatliche Hilfen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsschließung erhalten hat, welche bei der Bewertung der Eingriffsintensität miteinzubeziehen sind. Ein Anspruch des Klägers wegen enteignenden Eingriffs scheitert darüber hinaus auch an dem Umstand, dass diese Anspruchsgrundlage auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung findet. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs nur auf einzelfallbezogene Eigentumsbeeinträchtigungen angewandt werden könne und keine geeignete Grundlage sei, um massenhaft auftretende Schäden auszugleichen. Denn die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für massenhaft aufgetretene Eigentumsbeschränkungen könnte weitreichende Folgen für die Staatsfinanzen haben, was nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers vorzubehalten sei. […] Die vom BGH zur Ablehnung der Haftung für legislatives Unrecht entwickelte Argumentation trifft nach hiesigem Verständnis auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem massenhafte Ansprüche auf Grund von Rechtsverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erwarten wären. Die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für vielfach auftretende Eigentumsbeschränkungen könnte so weitreichende Folgen für die staatlichen Finanzen haben, dass hierdurch dem Haushaltsgesetzgeber die freie Entscheidungskompetenz aus der Hand genommen würde, wie, wofür und in welchem Umfang er in einer nationalen Krisensituation die begrenzten staatlichen Mittel einsetzt. […]“ Jura Intensiv Demnach scheidet ein Entschädigungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs aus. Anderweitige Ansprüche wie der Amtshaftungsanspruch und der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verlangen ein rechtwidriges hoheitliches Verhalten und kommen daher von vornherein nicht in Betracht. K steht mithin kein Anspruch auf Entschädigung für seine schließungsbedingten Umsatz- und Gewinneinbußen zu. FAZIT Außerordentlich examensrelevant sind vor allem die gerichtlichen Ausführungen zur Anwendbarkeit der polizeilichen Entschädigungsvorschriften und des Haftungsinstituts des enteignenden Eingriffs. Selbst wenn man - anders als das LG Hannover - diese Anspruchsgrundlagen für anwendbar hält, sind die staatlichen Finanzhilfen jedenfalls anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2020 Referendarteil: Öffentliches Recht 541 Speziell für Referendare Problem: Straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis für Info-Stand Einordnung: Straßenrecht OVG Münster, Urteil vom 18.06.2020 11 A 4178/18 EINLEITUNG Das OVG Münster hatte über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer von einem kommerziellen Anbieter beantragten Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen eines Informationsstands der UNO-Flüchtlingshilfe zu entscheiden. Schwerpunkt der Prüfung bildete die Ermessensausübung der Beklagten, die das Gericht im Ergebnis als fehlerhaft beurteilte. TATBESTAND „Mit E-Mail vom 13. Juni 2016 beantragte ein Mitarbeiter der Klägerin bei der Beklagten „im Namen und im Auftrag der UNO-Flüchtlingshilfe e.V.“ die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Standplatz mit einem Infostand [...] für den Zeitraum vom 11. Juli 2016 bis zum 16. Juli 2016 (jeweils 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr 28. Kalenderwoche) an der T.-gasse, A. Straße, C. platz oder einem Ausweichstandort. Mit E-Mail vom 14. Juni 2016 wies die Beklagte darauf hin, Bereiche des öffentlichen Straßenlandes könnten gemeinnützigen Personen und Einzelpersonen zum Aufstellen und Betreiben von Informationsständen zur Verfügung gestellt werden. Eine wesentliche Voraussetzung sei, dass „ausnahmslos nur“ über gemeinnützige und/oder mildtätige Themen informiert werde. Die Beauftragung von Dritten […] zur Werbung von Mitgliedschaften im Rahmen einer erteilten Sondernutzungserlaubnis sei untersagt. Der Stand sei von eigenen Mitarbeitern zu betreiben. Mit Schreiben vom 5. Juli 2016 beantragte die UNO-Flüchtlingshilfe bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Standplatz mit einem Infostand [...] für den Zeitraum vom 25. Juli 2016 bis zum 30. Juli 2016 (jeweils 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr) an der T.-gasse, A. Straße, C. platz oder einem Ausweichstandort. Hinsichtlich der E-Mail vom 14. Juni 2016 wurde darauf hingewiesen, dass der Umstand der Beauftragung eines kommerziellen Unternehmens nicht bei der im Rahmen von § 18 StrWG NRW erforderlichen Ermessensausübung berücksichtigt werden dürfe. Jura Intensiv Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. August 2016 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass in die Ermessensentscheidung nach § 18 StrWG NRW allein straßenrechtliche Erwägungen einzustellen seien. Es erschließe sich nicht, wieso die Beauftragung einer externen Agentur die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs mehr beeinträchtige als die Ansprache durch Mitarbeiter der gemeinnützigen Agentur selbst. Dies gelte ebenso hinsichtlich des von der Beklagten mitgeteilten Verbots, Mitgliedsverträge abschließen zu dürfen. [...] LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Entsprechend dem Zweck des § 18 Abs. 2 StrWG NRW hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. 2. Ob der die Sondernutzung Beantragende gemeinnützig oder gewerblich tätig ist, ist straßenrechtlich ohne Belang. Das Sondernutzungsrecht ist im Grundsatz wirtschafts- und wettbewerbsneutral. Geschichtserzählung: Imperfekt Indikativ Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, im Tatbestand zu erwähnen, dass das Schreiben von einem Prozessbevollmächtigten herrührt, da sein Vorbringen grundsätzlich als Vortrag des Vertretenen gilt. Etwas anderes kann gelten, wenn es auf die richtige Zustellung und/oder das Zustellungsdatum geht, z.B. mit Blick auf die Frage der fristgerechten Klageerhebung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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