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RA Digital - 10/2021

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512 Zivilrecht

512 Zivilrecht RA 10/2021 Durch die Bezugnahme auf das Gutachten wurde zwischen V und K eine Beschaffenheit vereinbart. Dies führt zu einem inhaltlich sehr starken, da in Bezug auf die Beschaffenheiten nicht einschränkbaren Nacherfüllungsanspruch des K gegen V aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB. Diese Besonderheit des Falles muss man aufnehmen, verstehen und sich merken, um die unten folgende, entscheidende Argumentation nachvollziehen zu können. Entscheidend: V ist an die Beschaffenheitsvereinbarung gebunden, die vom Haftungsausschluss nicht erfasst ist, denn es widerspricht Treu und Glauben, zuerst eine Beschaffenheit zu vereinbaren und die Haftung für ihr Vorliegen dann von sich zu weisen. Der Vorrang der Nacherfüllung im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung schließt den vertraglichen Drittschutz des Käufers im Verhältnis zum Gutachter aus. Im „Standheizungsfall“ prägte der BGH diese Grundsätze in seinem Urteil vom 12.01.2011, VIII ZR 346/09. [19] Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf das „Gebrauchtwagen- Gutachten“ im Kaufvertrag (...) und der unmittelbar vorhergehenden Verweisung auf dieses zur Erläuterung des im Kaufvertrag offengelegten Vorschadens war das von dem Verkäufer angenommene Kaufangebot des Klägers auf den Erwerb eines Fahrzeugs mit den dadurch beschriebenen Eigenschaften gerichtet, das heißt auf ein Fahrzeug mit einem angeblich geringfügigen und insoweit nur mangelhaft ausgebesserten Vorschaden, wie er in dem „Gebrauchtwagen-Check“ beschrieben ist (...). Denn aus der im Vertragsformular nach Spiegelstrichen wiedergegebenen und sinngemäß teilweise eine Eigenschaftsbeschreibung des Fahrzeugs darstellenden Auflistung ergibt sich, dass dieses als USA-Import mit „Vorschaden“ verkauft wurde und das sich dessen Umfang ausdrücklich („siehe Gutachten“) aus dem mitüberreichten Gebrauchtwagen-Check ergeben sollte. Damit wurde die Beschaffenheit des Fahrzeugs von den Vertragsparteien jedenfalls konkludent dahin bestimmt, dass es daneben jedenfalls keine nennenswerten weiteren Vorschäden aufweisen sollte (Beschaffenheitsvereinbarung). [20] An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Absatz 1 Satz 1 BGB sind zwar grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Die Aufnahme des streitgegenständlichen Prüfberichts als „Gebrauchtwagen-Gutachten“ in die Vertragsurkunde selbst spricht hier aber klar dafür, dass die Vertragsparteien den im Kaufvertrag ausdrücklich offengelegten und sogar durch Fettdruck hervorgehobenen Vorschaden als mit dem Ergebnis des „Gebrauchtwagen-Checks“ zutreffend beschrieben und daher auch nach seinem angeblichen Umfang als Beschaffenheitsmerkmal vereinbart ansehen wollten (...). Es kommt hinzu, dass neben dem Vorschaden auch der auf das betreffende „Gebrauchtwagen-Gutachten“ verweisende Wortlaut in der Vertragsurkunde durch Unterstreichung besonders hervorgehoben wurde. Ferner wurde das veräußerte Fahrzeug nach dem Vertragswortlaut „mit dem Gebrauchtwagen-Gutachten übergeben“, was die besondere Bedeutung des Gutachtens für die Eigenschaftsbeschreibung des Pkw nochmals klarstellt und dieses gleichsam zum Teil des übergebenen Kaufgegenstands macht. (...) [21] Vor diesem Hintergrund erweist sich der Kläger nach den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht als schutzbedürftig, um einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zu rechtfertigen. An die in dem Kaufvertrag getroffene Beschaffenheitsvereinbarung muss sich auch ein privater Verkäufer, der anders als ein unternehmerisch handelnder Verkäufer einen umfassenden Gewährleistungsausschluss wirksam vereinbaren kann (§ 476 Absatz 1 Satz 1 BGB), festhalten lassen. Denn ist eine bestimmte Beschaffenheit gemäß § 434 Absatz 1 Satz 1 BGB ausdrücklich oder konkludent und daneben ein - wie hier - pauschaler Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart, gilt dieser Haftungsausschluss gerade nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für etwaige andere Mängel nach § 434 Absatz 1 2 Nummer 1 und § 434 Absatz 1 2 Nummer 2 sowie Satz 3 BGB (...). Ist damit aber der aus dem streitgegenständlichen „Gebrauchtwagen-Check“ hervorgehende Zustand („keine erkennbaren Unfallschäden“), der mit den vom Kläger im Prozess dargelegten Vorschäden des Fahrzeugs nicht zu vereinbaren ist, wirksam als Beschaffenheit vereinbart worden, ist der Kläger auf seine kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche gegen den Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2021 Zivilrecht 513 Verkäufer verwiesen. Darauf, ob der Verkäufer den tatsächlichen Zustand des Fahrzeugs selbst kannte, kommt es dabei - anderes als für die Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels nach § BGB § 444 BGB - nicht an. Folglich wurde K nicht in den Schutzbereich des Vertrages zwischen V und B nach den Regeln des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte einbezogen. B. Anspruch aus §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB Ein Schadensersatzanspruch des K gegen B aus §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB würde zunächst gem. § 311 III 2 BGB voraussetzen, dass B beim Vertragsschluss zwischen V und K besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Ob dies auch ohne persönliche Teilnahme an den Verhandlungen schon aufgrund des bloßen Vorhandenseins des Gutachtens der Fall ist, erscheint zweifelhaft. Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann jedoch dahinstehen, wenn es an einem Schaden des K fehlt. Ein solcher steht erst fest, wenn K seine Ansprüche aus dem Kaufvertrag bei V ohne Erfolg geltend gemacht hat, was hier nicht der Fall ist. Folglich hat K keinen Schadensersatzanspruch gegen B aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB. C. Anspruch aus § 826 BGB Ein Anspruch des K gegen B wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung käme in Betracht, wenn V und B kollusiv zum Nachteil des K zusammengewirkt hätten. Für eine solche Annahme fehlt es hier aber an Anhaltspunkten. D. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Schadensersatz. FAZIT Beruht ein Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gem. § 434 I 1 BGB, stellt dieser Anspruch einen im Vergleich zum Anspruch des Geschädigten aus vertraglichem Drittschutz im Wesentlichen inhaltsgleichen Anspruch gegen den eigenen Vertragspartner dar, der die Schutzwürdigkeit des Geschädigten als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte entfallen lässt. Jura Intensiv Im Originalfall stritten die Parteien ferner um die Leistungsnähe und das erkennbare Einbeziehungsinteresse. Darauf kommt es hier nicht mehr an, weil die Schutzwürdigkeit des K fehlt. Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung für die Inanspruchnahme des besonderen Vertrauens, dass der Dritte entweder an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt ist oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervortritt, BGH, Urteil vom 04.05.2004, XI ZR 40/03. Mit dem Nichtfeststehen eines Schadens hatte auch der BGH im „Standheizungsfall“ (s.o.) den Anspruch verneint. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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