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RA Digital - 11/2016

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580 Referendarteil:

580 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2016 Parteianträge Wenn kaum etwas streitig ist, können auch Rechtsansichten im Tatbestand aufgeführt werden. Die Verjährungseinrede muss hier im Indikativ Präsens dargestellt werden, weil die Folgen in die Gegenwart hineinwirken könnten. Keine Ausführungen zur Zulässigkeit, wenn diese nicht problematisch ist Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Entscheidungsgründe als Obersatz. Gestritten wurde nur um die erhobenen Einreden. Wichtig: Weder die Entstehung noch die Höhe der klägerischen Forderung waren hier streitig. Deshalb genügt hier der einzelne in Fettschrift markierte Satz, der dies klarstellt. Die rechtskräftige Verurteilung führt nach Auffassung des BGH-Senates dazu, dass sich auch der Bürge nicht mehr auf die Einrede berufen kann. Dies ist der Kern der Entscheidung. BGH, Urteil vom 12.03.1980, VIII ZR 115/79; BeckOK-​Bamberger/Roth/ Rohe, BGB, § 768 Rn 6 Grundsätzlicher Gleichlauf von Einreden des Bürgen mit denen des Hauptschuldners Maßgeblicher Zeitpunkt immer: letztemündliche Tatsachenverhandlung Vergleiche zum Umfang der Rechtskraft: BGH, Urteil vom 19.12.1991, IX ZR 96/91 und Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 322, Rn 30 Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 697.481,42 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er erhebt verschiedene Einwendungen gegen die Bürgschaften und die Hauptforderung, insbesondere beruft er sich auf die Verjährung der Hauptforderung. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Denn der Beklagte als Bürge, diese Stellung ist unstreitig, kann sich auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Rückzahlung der verbürgten Verbindlichkeit nicht mehr gemäß § 768 I 1 BGB auf den Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung der Hauptverbindlichkeit berufen. Auch § 768 II BGB greift nicht zu seinen Gunsten ein, da er ein Prozessverhalten der Hauptschuldnerin, das zu deren Verurteilung geführt hat und einem Einredeverzicht vergleichbar ist, nicht substantiiert dargelegt hat. Der Höhe nach war die Forderung nicht streitig. Der Beklagte kann sich auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin nicht mehr gemäß § 768 I 1 BGB auf einen etwaigen Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung der Hauptverbindlichkeit berufen. „1. a) Gemäß § 768 I 1 BGB kann der Bürge gegenüber dem Gläubiger neben seinen eigenen Einreden aus dem Bürgschaftsverhältnis auch die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Er kann dies aber nur insoweit tun, wie diese Einreden dem Hauptschuldner selbst noch zustehen. Verliert der Hauptschuldner eine Einrede (etwa die Einrede der Stundung oder die der fehlenden Fälligkeit durch Zeitablauf), verliert sie auch der Bürge - mit Ausnahme der Fälle des § 768 II BGB. Jura Intensiv 1. b) Für die Frage, ob dem Hauptschuldner eine Einrede im Sinne des § 768 I 1 BGB zusteht, kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 768 I 1 BGB („zustehenden Einreden“), zum anderen aus § 768 II BGB. Diese Vorschrift würde eines eigenständigen Regelungsgehalts entbehren, wenn es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 768 I 1 BGB nur darauf ankäme, ob dem Hauptschuldner die Einrede ursprünglich zugestanden hat.“ Der Hauptschuldnerin stand zu diesem Zeitpunkt die Einrede der Verjährung nicht mehr zu. Dies folgt aus ihrer rechtskräftigen Verurteilung zur Rückzahlung von 714.010,84 € aus den mit der Klägerin geschlossenen Darlehensverträgen. Inhaltsverzeichnis

RA 11/2016 Referendarteil: Zivilrecht 581 „1. c) aa) Zwar erwächst eine Entscheidung über die Einreden einer Partei nicht in Rechtskraft. Dennoch geht von einer solchen Entscheidung eine präjudizielle Wirkung insoweit aus, als für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in dem zugrunde liegenden Verfahren bindend festgestellt ist, dass der betreffenden Partei die Einrede nicht zusteht. Ließe man ein anderes Ergebnis zu, könnte die Entscheidung in einem Folgeprozess der Sache nach auf das kontradiktorische Gegenteil des im Vorprozess zuerkannten Anspruchs gestützt werden. Dies wäre jedoch mit der Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils unvereinbar.“ Dementsprechend hat die rechtskräftige Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Folge, dass ihr die Einrede der Verjährung nicht mehr im Sinne des § 768 I 1 BGB „zusteht“ und sie daher auch der Beklagte als Bürge nicht mehr geltend machen kann. Nach der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Zahlung der verbürgten Schuld ist lediglich eine neue 30-​jährige Verjährungsfrist von Gesetzes wegen gemäß § 197 I Nr. 3 BGB angelaufen. „1. c) cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist dieses Ergebnis nicht Folge einer Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO einer den Hauptschuldner verurteilenden Entscheidung zu Lasten des Bürgen. Dass eine rechtskräftige Entscheidung gegen den Hauptschuldner dem Bürgen die Möglichkeit nimmt, sich gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Einreden zu berufen, die dem Hauptschuldner bis zu dessen Verurteilung zugestanden haben, ergibt sich vielmehr aus der materiell-​rechtlichen Vorschrift des § 768 I 1 BGB. Nach deren nicht auf einen früheren, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bezogenen Wortlaut kann der Bürge nur die dem Hauptschuldner noch „zustehenden Einreden“ erheben. 1. c) dd) Auch die akzessorische Natur der Bürgschaftsschuld steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der Akzessorietätsgrundsatz gebietet es nicht, dass eine im Prozess des Gläubigers gegen den Hauptschuldner ergangene rechtskräftige Entscheidung bei der Anwendung des § 768 I 1 BGB dieselben Wirkungen entfaltet, wie bei der Anwendung des § 767 I 1 BGB. Jura Intensiv (1) Akzessorietät bedeutet die Abhängigkeit eines Sicherungsrechts vom Bestand des gesicherten Rechts. Dementsprechend setzt die Bürgschaft eine bestehende Verbindlichkeit voraus. (2) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 767 I 1 BGB („der jeweilige Bestand“), der auf den materiell-​rechtlichen Bestand der Hauptschuld Bezug nimmt, welcher durch die rechtskräftige Verurteilung des Hauptschuldners nicht beeinflusst wird. Sinn und Zweck der Übernahme der Bürgschaft ist, wie sich aus § 765 I BGB ergibt, die Sicherung der Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, wenn deren anderweitige Erfüllung unterbleibt. Damit wäre es unvereinbar, wenn der Bürge für die Erfüllung der Forderung auch dann einzustehen hätte, wenn diese entweder nicht entstanden oder bereits erloschen wäre, denn dies liefe auf die Begründung einer neuen, nicht akzessorischen Forderung gegenüber dem Bürgen hinaus. Präjudizielle Wirkung, dass Einrede nicht besteht Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 322, Rn 30 BGH, Urteil vom 26.07.2005, X ZR 109/03 Staudinger/Peters, BGB, § 768, Rn 26 Folge des Urteils gegenüber der Hauptschuldnerin: neue, lange Verjährungsfrist Keine Frage der Rechtskrafterstreckung, sondern eine materiellrechtliche Wirkung. „zustehende Einreden“ Rolle des Akzessorietätsgrundsatzes Definition der Akzessorietät: Abhängigkeit vom Bestandteil des Hauptrechts Palandt/Sprau, BGB, § 765 Rn 28 Zweck der Bürgschaft als Personalsicherheit Palandt/Sprau, BGB, vor § 765 Rn 2 Folge der Akzessorietät § 768 BGB erweitert die Akzessorietät, Palandt/Sprau, BGB, § 768, Rn 1 Inhaltsverzeichnis

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