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RA Digital - 11/2017

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582 Referendarteil:

582 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2017 Problem: Rechtsnachfolge und Prozessvergleich Einordnung: ZPO I, VollstreckungsR OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2017 12 U 70/17 LEITSÄTZE 1. Dem Eigentümer einer vollstreckungsbetroffenen Sache, der nicht Vollstreckungsschuldner ist, steht gleichwohl ausnahmsweise keine Drittwiderspruchsklage zu, wenn er einer prozessualen Mithaftung aus dem zugrunde liegenden Titel unterliegt. 2. Nach Veräußerung der in Streit befangenen Sache gemäß § 265 Abs. 1, 2 ZPO ist der Rechtsnachfolger jedenfalls dann an einen vom Rechtsvorgänger als Prozessstandschafter gemäß § 265 Abs. 2 ZPO über den Streitgegenstand geschlossenen Prozessvergleich gebunden, wenn er beim Eigentumserwerb von der Anhängigkeit des Rechtsstreits und anschließend von dessen Fortführung durch den Rechtsvorgänger wusste. In einem solchen Fall könnte eine vollstreckbare Ausfertigung des Prozessvergleichs gegen den Rechtsnachfolger erteilt werden. 3. Eine Auf-Dach-Photovoltaikanlage ist kein Grundstücksbestandteil. Rechtsauffassungen gehören grds. nicht in den streitigen Tatbestand, es sei denn, dies ist der wesentliche Parteivortrag. EINLEITUNG Dass ein streitbefangenes Grundstück noch während des Rechtsstreits übertragen wird, kommt gar nicht selten vor. Hier hilft § 265 ZPO. Allerdings gibt es tatsächlich eine Frage in diesem Themenkreis, die bislang noch nicht vom BGH entschieden wurde, und die das Urteil des OLG Karlsruhe behandelt: wie ist es mit vom Rechtsvorgänger geschlossenen Prozessvergleichen im Hinblick auf das Grundstück? Binden diese auch den Rechtsnachfolger? TATBESTAND Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich, den der Beklagte im Jahr 2014 mit ihrem Ehemann abgeschlossen hat. Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens H-Straße in K., deren ursprünglicher Eigentümer im Jahr 2011 ihr Ehemann war. Auf dem Dach der klägerischen Liegenschaft wurde eine Photovoltaik- Anlage installiert. Der Beklagte verklagte wegen dieser im Jahr 2011 den Ehemann der Klägerin auf Entfernung der Photovoltaik-Anlage, da von dieser nach Auffassung des Beklagten unzumutbare Blendwirkungen auf das Grundstück des Beklagten ausgingen. Er schloss mit dem Ehemann der Klägerin einen gerichtlichen Vergleich, in dem dieser sich verpflichtete, die auf dem streitgegenständlichen Anwesen auf der östlichen Dachhälfte angebrachten Solarmodule zu demontieren und nicht durch andere Module zu ersetzen. Auf Antrag des Beklagten ermächtigte das Vollstreckungsgericht diesen mit Beschluss vom 21.10.2016 zur Ersatzvornahme. Jura Intensiv Der Ehemann der Klägerin hatte dieser im Jahr 2013 - nach Rechtshängigkeit der Klage und vor Abschluss des Vergleichs - das Eigentum an seinem o.g. Grundstück im Wege der Schenkung übertragen und sich ein Nießbrauchsrecht vorbehalten. Der Vorgang wurde dem Beklagten nicht offen gelegt und war ihm bei Abschluss des Vergleichs nicht bekannt. Die Klägerin meint, die Zwangsvollstreckung in die Solarmodule sei unzulässig, da dies in ihr Eigentum eingreife, das auch die auf dem Wohnhaus errichtete Photovoltaikanlage erfasse. Eine Demontage der Anlage gehe über die durch das Nießbrauchsrecht ihres Ehemannes eingeräumten Befugnisse hinaus. Die Klägerin beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des LG … vom …, Az.... in die Solarmodule auf dem sich in der H -Str. 63, K., befindlichen Anwesen der Klägerin für unzulässig zu erklären und einzustellen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2017 Referendarteil: Zivilrecht 583 ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Das Begehren der Klägerin ist als Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO auszulegen, denn sie macht der Sache nach geltend, die Entfernung der Photovoltaikmodule sei unzulässig, weil dies ihr Eigentum verletze. Im Übrigen hat die Klägerin durch die Antragstellung nach Hinweis des Gerichts klargestellt, dass sie (nur) Antrag nach § 771 I ZPO stellt. „II.2. Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann nicht verlangen, dass die Vollstreckung in die Solarmodule gem. § 771 ZPO unterbleibt. Ihr steht kein „die Veräußerung hinderndes Recht“ zu. Mit dieser Formulierung in § 771 ZPO meint der Gesetzgeber, dass die Zwangsvollstreckung, um per Drittwiderspruchsklage abwehrbar zu sein, in einen Vermögensgegenstand der Klagepartei eingreifen muss, der nicht für den zugrunde liegenden Titel haftet.“ Die Klage ist unbegründet, da die Klägerin gem. § 265 II ZPO einer prozessualen Mithaftung unterliegt, aufgrund derer die Klägerin der Vollstreckung nicht widersprechen kann. „II.4. Dass dem Eigentümer einer vollstreckungsbetroffenen Sache, der nicht Vollstreckungsschuldner ist, gleichwohl ausnahmsweise keine Drittwiderspruchsklage zusteht, wenn er einer sog. prozessualen Mithaftung aus dem zugrunde liegenden Titel unterliegt, entspricht der allgemeinen Auffassung, wobei dahin stehen kann, ob dies aus einer Duldungspflicht gem. § 242 BGB folgt oder daraus, dass dem Dritten in einem solchen Fall nach der unter 2. dargelegten Definition schon kein „die Veräußerung hinderndes Recht“ zusteht. II.5. Geht man entsprechend dem Vorbringen der Klägerin davon aus, dass das Eigentum an der Photovoltaikanlage mit dem Grundstückseigentum zusammenfiel, somit von ihr im Zuge der Grundstücksübertragung im Jahr 2013 mit erworben wurde, so muss sie den geschlossenen Prozessvergleich gem. § 265 II ZPO gegen sich gelten lassen und unterliegt einer prozessualen Mithaftung, aufgrund derer der Vergleich auf sie umgeschrieben werden könnte (§§ 795, 727 ZPO). Denn sie hat das Eigentum an der störenden Anlage nach Rechtshängigkeit erlangt. Der Eigentumserwerb ist bei einem geltend gemachten Anspruch aus § 1004 I BGB gegen den Zustandsstörer - so vorliegend - ein Fall des § 265 II ZPO. Dies hat zur Folge, dass der Ehemann der Klägerin den Vorprozess nach dem Eigentumsübergang als Prozessstandschafter gem. § 265 II ZPO mit Wirkung für die Klägerin weiterführte. Ebenso, wie diese ein der Klage stattgebendes Urteil gegen sich hätte gelten lassen müssen (§ 325 ZPO), muss sie auch den von ihrem Ehemann geschlossenen Vergleich als für sie bindend akzeptieren.“ Jura Intensiv Dabei wird überwiegend und zu Recht vertreten, dass der Abschluss eines Prozessvergleichs zwischen dem Rechtsvorgänger und dem Prozessgegner insoweit zulässig und für den Rechtsnachfolger bindend sei, als der verfügende Inhalt des Vergleichs auch Ergebnis eines Urteils im anhängigen Prozess sein könnte, sich also im Rahmen des Streitgegenstands halte. Denn der Rechtsvorgänger kann gem. § 265 ZPO den Rechtsstreit vollumfänglich weiterführen. Er behält dieselben Befugnisse, als wenn er die streitbefangene Sache nicht veräußert hätte. Im Ausgangsfall hatte die Klägerin erstinstanzlich einen etwas anders gefassten Antrag gestellt, der auch als Vollstreckungsabwehrklage hätte ausgelegt werden können. Zu einer solchen wäre die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemanns erst nach Titelumschreibung befugt, vgl. BGH, Urteil vom 03.11.2015, II ZR 446/13. Die prozessuale Mithaftung aus § 265 II ZPO führt dazu, dass die Klägerin auch an den Vergleich gebunden ist Musielak/Voit, ZPO, § 771, Rn 33; BGH, Urteil vom 13.05.1981, VIII ZR 117/80 Man kann hier das Vorbringen der Klägerin als unstreitig unterstellen. Musielak/Voit, ZPO, § 265 Rn 3 Hier ist streitig, wann der Prozessstandschafter nach § 265 ZPO einen den Rechtsnachfolger bindenden Vergleich abschließen kann. Statt vieler: Thomas-Putzo, ZPO, § 265 Rn 12 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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