Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 11/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Verlags
  • Entscheidung
  • Stgb
  • Strafrecht
  • Urteil
  • Recht
  • Auflage
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

594 Öffentliches Recht

594 Öffentliches Recht RA 11/2017 Wettbewerb sind als Teil des Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz sie versteht, hinzunehmen. Die Unterstützung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seiner Mandatspflichten durch eigene Mitarbeiter und die Erstattung des damit verbundenen Aufwands gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG ist auch in Wahlkampfzeiten kein Eingriff in den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Etwas anderes kann nur gelten, soweit Abgeordnetenmitarbeiter im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit auch jenseits der Unterstützung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats für Parteiaufgaben oder Wahlkampfaktivitäten eingesetzt werden.“ „Allgemeine Lebenserfahrung“ ersetzt keinen Beweis; Unterstellungen genügen nicht, weil Bundestagswahlen ansonsten allzu leicht angreifbar wären. Pauschale Überlegungen und Annahmen genügen nicht, es müssen konkrete Missbrauchsfälle benannt werden. Aber: Missbräuchen muss effektiv vorgebeugt werden II. Konkrete Betätigungen im Bundestagswahlkampf 2013 Demnach kann ein relevanter Wahlfehler nur vorliegen, wenn B nachweisen kann, dass Abgeordnetenmitarbeiter im Bundestagswahlkampf 2013 während der Dienstzeit an Wahlkampfeinsätzen teilgenommen haben. „[91] Dabei ist für die Annahme einer „Art Beweis des ersten Anscheins“ kein Raum. Ihr steht entgegen, dass die durch die Wahl hervorgebrachte Volksvertretung wegen der ihr zukommenden Funktionen größtmöglichen Bestandsschutz verlangt. […] Auch wenn die Feststellung eines missbräuchlichen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten im tatsächlichen Bereich stößt, vermindert dies die Anforderungen an den Nachweis des behaupteten Wahlfehlers nicht. [93] Der ganz überwiegende Teil der vom Beschwerdeführer angeführten Umstände ist zum Nachweis eines missbräuchlichen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 von vornherein nicht geeignet. Dies gilt für die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Höhe, zu den Steigerungsraten und zum Verfahren der Festsetzung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter sowie zur unzureichenden Transparenz und Kontrolle der Mittelverwendung ebenso wie für die Darlegungen zur Beschäftigung von Parteifunktionären und zur Verlagerung des Schwerpunktes der Abgeordnetentätigkeit während des Wahlkampfes vom Parlament in den Wahlkreis. Der anonymen Äußerung eines ehemaligen Fraktionsmitarbeiters kommt kein Beweiswert zu, weil sie sich nicht verifizieren lässt. [99] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13 AbgG. Auch wenn nach dieser Vorschrift im Falle des Eintritts in den Deutschen Bundestag im letzten Vierteljahr der Wahlperiode ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung nicht besteht, lässt dies keinen Rückschluss auf den mandatsbedingten Arbeitsanfall eines längerfristig dem Bundestag angehörenden Abgeordneten zu. Erst recht erlaubt dies nicht die Unterstellung, dass Mitarbeiter längerfristig tätiger Abgeordneter in dem genannten Zeitraum jenseits der Grenzen des § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG eingesetzt würden. Jura Intensiv [112] In diesem Zusammenhang ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern sich öffentlich weitgehend nicht nachvollziehen lässt. […] Angesichts des erheblichen Umfangs der zur Verfügung gestellten Ressourcen gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit aber eine strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben beim Einsatz dieser Mittel. Ihrer zweckwidrigen Verwendung ist durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2017 Öffentliches Recht 595 [114] Dieser gebotenen Sicherstellung eines hinreichenden Mandatsbezugs bei der Tätigkeit der Abgeordnetenmitarbeiter genügt der gegenwärtige Regelungsbestand nicht. […] Insbesondere ist der Abgeordnete - im Unterschied zu den Fraktionen des Deutschen Bundestages (§ 52 Abs. 1 AbgG) - nicht verpflichtet, über den Einsatz dieser Mittel öffentlich Rechenschaft abzulegen. Eine externe Kontrolle der Mittelverwendung findet nicht statt. […] Damit wird der besonderen Missbrauchsanfälligkeit hinsichtlich des Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Deutsche Bundestag wird zur Wahrung der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG) durch ergänzende Regelungen des Abgeordnetengesetzes oder anderer untergesetzlicher Vorschriften dafür Sorge zu tragen haben, dass der Verwendung von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf verstärkt entgegengewirkt wird und die Einhaltung der Grenzen des § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG nachvollziehbarer Kontrolle unterliegt.“ Dieses Regelungsdefizit ersetzt jedoch nicht den Nachweis unzulässiger Wahlkampfeinsätze von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013. Daher liegt auch insoweit keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien vor. FAZIT Als zentrale Aussagen der Entscheidung sind festzuhalten: • Die 5%-Sperrklausel bleibt bei Bundestagswahlen verfassungsrechtlich unangetastet, auch wenn dadurch Millionen Zweitstimmen keinen Erfolgswert haben. • Ein Eventualstimmrecht ist zur Abmilderung der durch die 5%-Sperrklausel verursachten Beeinträchtigungen verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Jura Intensiv • Die Überlegungen zur Sperrklausel bei der Europawahl sind auf die Bundestagswahl nicht übertragbar. Das ist bisher nicht der Fall • Gesetzgeber muss nachbessern Punktuell kam zwar ein unzulässiger Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern in Betracht, dieser hatte jedoch keine Mandatsrelevanz (Rn 116 des Beschlusses). Literaturtipp zum Wahlprüfungsverfahren: Lackner, JuS 2010, 307 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats