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RA Digital - 11/2017

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

602 Referendarteil:

602 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 11/2017 Die in § 6 IV Feuerwehrsatzung vorgesehene „Beteiligung des Feuerwehrausschusses“ stellt eine reine Verfahrensanforderung dar und setzt nicht voraus, dass sich die Gemeinde die Auffassung des Feuerwehrausschusses zu eigen macht. Selbst bei Annahme eines formellen Fehlers liegt zumindest eine Heilung vor. Wich- Tatbestandsvoraussetzung: tiger Grund Regelbeispiel eines wichtigen Grundes (-) Typisch für eine Klausur: Auslegung einer unbekannten Rechtsvorschrift Aber: Regelbeispiele sind nicht abschließend („insbesondere“) Hier tritt der Verstoß gegen den „Spiegelbildlichkeitsgrundsatz“ (s.o.) voll zutage. Das VG bezieht sich auf Tatsachen, die in der Sachverhaltsdarstellung nicht erwähnt wurden. Das stellt in einer Klausur einen nahezu „tödlichen“ Fehler dar und ist unbedingt zu vermeiden. Das Gericht scheint hier zu Unrecht einen unterschiedlichen Rechtsmaßstab für Eilverfahren (Verschulden ist unerheblich) und Hauptsacheverfahren (Verschulden ist entscheidend) anzunehmen. Der rechtliche Maßstab unterscheidet sich jedoch nicht zwischen Eil- und Hauptsacheverfahren. Die weitere Formalie der Beteiligung des Feuerwehrausschusses hat die Antragsgegnerin ebenfalls eingehalten. Es mag sein, dass sie von den Ergebnissen der Sitzung des Ausschusses am 30. Mai 2017 (vgl. Bl. 97 GA) nicht überzeugt war und diese auch in der Verfügung vom 16. Juni 2017 - nach Ansicht des Antragstellers - nur unzureichend wiedergegeben und gewürdigt hat. Indes muss der Gemeindevorstand auch keine Übereinstimmung herbeiführen oder die Positionen des Ausschusses auch nicht teilen. Dass die Antragsgegnerin die Position des Ausschusses aus der Sitzung vom 30. Mai 2017 schlichtweg überhaupt nicht zur Kenntnis genommen haben könnte, ist anhand der Behördenakte ebenfalls nicht feststellbar. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die inhaltliche Begründung ihrer Verfügung im vorliegenden Verfahren auf Eilrechtsschutz noch einmal vertieft und ist dabei auf die Argumente des Antragstellers eingegangen. Daher dürfte ein formeller Fehler im Sinne von § 45 Abs. 1 HVwVfG als geheilt angesehen werden. Der verfügte Ausschluss ist nach der im Eilverfahren nur eingeschränkt möglichen Feststellung der Sachlage auch materiell rechtmäßig. […] Der von § 6 Abs. 4 der Satzung geforderte wichtige Grund für den Ausschluss des Antragstellers aus der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr liegt vor, obwohl keiner der in § 6 Abs. 4 Satz 2 Feuerwehrsatzung besonders genannten Ausschlussgründe offensichtlich gegeben ist. Die Antragsgegnerin wirft dem Antragsteller zwar vor, gegen die Pflicht zum kameradschaftlichen Verhalten verstoßen zu haben. Bei diesem Regelbeispiel ist nach der Formulierung der Satzung jedoch eine nachhaltige Verletzung erforderlich, d.h. eine nicht nur einmalige und in der Bedeutung auch schwerwiegende Beeinträchtigung des geforderten Verhaltens in der Einsatzabteilung. Ein solches Verhalten des Antragstellers ist nicht nachgewiesen. Die in der Satzung genannten Fälle sind indes nur Beispiele für einen wichtigen, zum Ausschluss führenden Grund. Deshalb kann auch mit einem anderen Fehlverhalten ein wichtiger Grund für einen Ausschluss herbeigeführt werden. So liegt der Fall hier. Aus dem Bescheid der Antragsgegnerin ergibt sich, dass der Antragsteller durch sein persönliches Verhalten im Rahmen des Dienstbetriebes über einen längeren Zeitraum hinweg die interne Organisation und die interne Führung der Freiwilligen Feuerwehr gestört hat. Zwar mag den meisten der jeweiligen Vorkommnisse für sich genommen kein besonderes Gewicht zukommen, das Verhältnis der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Antragsteller und den weiteren Feuerwehrmitgliedern in der Gesamtgemeinde (nicht unbedingt in der Ortsgruppe D.) sowie mit dem Gemeindebrandinspektor sind gleichwohl stark und nachhaltig beschädigt. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass der Antragsgegnerin eine Zusammenarbeit der Beteiligten als nicht mehr möglich erscheint. [...] Jura Intensiv Darauf, ob der Antragsteller das aufgetretene Zerwürfnis verschuldet hat und in welchem Maße auch das Verhalten anderer Personen zur Störung des Vertrauensverhältnisses beigetragen hat, kommt es in der vorläufigen Betrachtung nicht entscheidend an, sondern dies muss dem Widerspruchsverfahren und einem eventuell erforderlich werdenden Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 603 Hauptsacheverfahren mit den Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung vorbehalten bleiben. […] ist in Anwendung der Regelungen zur Versetzung von Beamten wegen bestehender Spannungsverhältnisse zu berücksichtigen, dass nicht entscheidend auf die Frage des Verschuldens für den eingetretenen Spannungszustand, sondern auf die Geeignetheit der getroffenen Maßnahme zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Behörde abzustellen ist. Inhaltlich ist jedoch zu bemerken, dass durchaus nachvollziehbar ist, wenn die Antragsgegnerin von einer Verletzung des Vertrauensverhältnisses durch den Antragsteller ausgeht. Die Umstände der Beauftragung von Rechtsanwalt Weber im Zusammenhang mit der AAO bleiben trotz der Erläuterungen des Antragstellers zu diesem Komplex und der vorgelegten Erklärung des Rechtsanwalts vom 8. Mai 2017 (Bl. 100 der GA) unklar. [...] Ebenso ist der Komplex „öffentliche Vorwürfe“ nicht eindeutig zu qualifizieren. Es dürfte um die Behauptung gehen, der Antragsteller habe dem Bürgermeister und dem Gemeindebrandinspektor ein „Organisationsverschulden“ vorgeworfen. Hierbei ist indes zu beachten, dass nicht die exakte Wortwahl von Bedeutung ist, sondern der daraus erkenntlich werdende Sinn der Mitteilung. Die Relativierung der Beiträge, die der Antragsteller in der Begründung des Antrags auf Eilrechtsschutz vornehmen will, es seien alle Gemeinden gemeint gewesen, lässt unbeachtet, dass der unbefangene Leser / Hörer dieser Mitteilungen auf Facebook wie der anderen Verlautbarungen doch die Kritik auf die konkrete Situation vor Ort verstanden haben wird. Die Ausführungen zur Problematik des Einsatzes der Ortsteilfeuerwehr lassen deutlich hervortreten, dass ein jahrelanger Konflikt zwischen den Beteiligten bestand, wobei mehrfach hervorgehoben wird, dass der Antragsteller ein Eingehen der Verantwortlichen auf die vorgetragenen Nachfragen vermisste und insbesondere dem Bürgermeister und dem Gemeindebrandinspektor weitere Vorhaltungen machte. Ebenso ist die Formulierung in der Pressemitteilung von Herrn X. als Vorsitzender des Feuerwehrvereins vom 10. Februar 2017 recht eindeutig darauf gezielt, der Öffentlichkeit zu vermitteln, der Bürgermeister und der Gemeindebrandinspektor würden sich gegen eine schnelle Hilfe für die Bevölkerung und für verunfallte Personen wehren. Jura Intensiv [...] Wenn die Antragsgegnerin in dieser Situation von dem ihr in § 6 Abs. 4 Feuerwehrsatzung eingeräumten Ermessen in der Weise Gebrauch gemacht hat, dass sie sich für den Ausschluss des Antragstellers entschieden hat, ist dies […] nicht zu beanstanden. […] Die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr kann nur aufrechterhalten werden, wenn genügend Freiwillige bereit sind, entsprechende Aufgaben zu übernehmen und dabei vertrauensvoll zusammenarbeiten. […] Die Kammer bejaht auch die Eilbedürftigkeit der Maßnahme. Bei der Abwägung der Interessen berücksichtigt sie insbesondere die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe dafür, zunächst von dem Vollzug des Ausschlusses verschont zu bleiben. Andererseits ist die bedeutende Aufgabe der Funktionsfähigkeit einer Freiwilligen Feuerwehr für die Allgemeinheit in die Überlegungen einzustellen. […] Im vorliegenden Fall führt dies dazu, dass die Interessen des Antragstellers vorläufig zurücktreten müssen. Die Folgen für ihn sind im Rahmen des Ehrenamts gering und bewegen sich im Wesentlichen auf der Ebene des Renommees und der persönlichen Stellung. Wirtschaftliche Folgen hat die vorläufige Suspendierung Verschulden dürfte keine Rolle spielen, weil es nicht um eine Bestrafung, sondern um die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Feuerwehreinheit geht. Auch hier: Massiver Verstoß gegen den „Spiegelbildlichkeitsgrundsatz“. Von diesen Tatsachen weiß der Leser der Entscheidung bisher nichts. Ein Verweis auf die Gerichts- oder Behördenakte ist absolut untauglich. Genau das wird in einer Klausur erwartet: Intensive Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beteiligten, insbes. detaillierte Abarbeitung der Argumentation des Antragstellers. Rechtfolge: Ermessen Beachte: Antrag gem. § 80 V 1 2. Fall VwGO verlangt eine Interessenabwägung in Gestalt einer Folgenbetrachtung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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