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RA Digital - 11/2019

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580 Referendarteil:

580 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2019 Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vor. § 511 Rn 23 mit Verweis auf BGH, NJW, 1999, 1339. Gesetzliche Fiktion „Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder, Inline-Skates, Rollschuhe und ähnliche nicht motorbetriebene Fortbewegungsmittel (…)“ Jura Bezifferung eines Schmerzensgeldes weniger beantragt, als das Gericht ihm zugesprochen hätte. Eine Überschreitung wäre prozessual gemäß § 308 I 1 ZPO unzulässig. Aus anwaltlicher Sicht sollte daher das Schmerzensgeld stets der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt werden und zugleich ein Mindestbetrag genannt werden. Drittens müssen Sie wissen, dass Normen aus dem StVG stets lex specialis gegenüber § 823 I, II BGB sind. Dies ergibt sich zum einen aus der verschuldensunabhängigen Haftung gemäß § 7 I StVG (ggf. mit Verweis von § 18 I StVG) und zum anderen aus § 16 StVG, wonach bundesrechtlichen Vorschriften, nach welchen der Fahrzeughalter für den durch das Fahrzeug verursachten Schaden in weiterem Umfang als nach den Vorschriften dieses Gesetzes haftet oder nach welchen ein anderer für den Schaden verantwortlich ist, unberührt bleiben. Dies bedeutet in der Z1-Klausur, dass für den Fall, dass die Normen tatbestandlich erfüllt sind, weitere Anspruchsgrundlagen nicht geprüft werden. In der Z2-Klausur müssen Sie ein materiell-rechtliches Rechtsgutachten anfertigen. Gleiches gilt selbstverständlich für Zivilrechts-Klausuren im 1. Staatsexamen. Für diese Klausurtypen gilt, dass sich der Vorrang der Normen aus dem StVG lediglich auf die Prüfungsreihenfolge auswirkt. Sie beginnen die Prüfung mit § 7 I StVG bzw. mit §§ 18 I, 7 I StVG. Dennoch müssen in diesen Klausurtypen sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ausführlich und vollumfänglich geprüft werden. Viertens war es in diesem Fall erforderlich, in der StVO zu „blättern“. Es gilt zu erkennen, dass § 26 I 1 StVO als zentrale Norm für Fußgängerüberwege existiert und eine Vorfahrtsregelung beinhaltet. Sodann gilt es zu überprüfen, ob – in welchem Umfang auch immer – unsachgemäße Nutzungen anderer Fahrzeuge (hier das Fahrrad) dazu führt, dass diese Personen dann als Fußgänger im Sinne des § 25 StVG einzuordnen sind. Arg. ex § 25 I 1 StVO gilt, dass Fußgänger derjenige ist, der zu Fuß geht. Erweitert wird dieser (auf den ersten Blick redundante) Grundsatz mit § 24 StVO, wonach Personen, welche die dort genannten besonderen Fortbewegungsmittel nutzen, ebenfalls als Fußgänger gelten. Diese Personen fallen daher auch in den Schutzbereich des § 26 I StVO. Ergänzend darf noch erwähnt werden, dass das Skateboard dort nicht ausdrücklich genannt ist, gemäß der Rechtsprechung aber wohl unter „ähnliche nicht motorbetriebene Fortbewegungsmittel“ subsumierbar ist, OLG Celle NZV 99, 509. Die Schlussfolgerung ist, dass Skateboarder, Inline-Skater sowie alle anderen unter § 24 I 1 StVO zu subsumierenden Verkehrsteilnehmer am Fußgängerüberweg Vorfahrt gemäß § 26 I 1 StVO haben, Fahrradfahrer, die das Fahrrad nicht schieben und daher zu Fuß gehen, nicht. Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Referendarteil: Zivilrecht 581 Problem: Störereigenschaft des Eigentümers bei kontrollierter Sprengung durch den Kampfmittelräumdienst Einordnung: Nachbarschaftsrecht LG Osnabrück, Urteil vom 02.08.2019 6 O 337/19 EINLEITUNG Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg stellen eine erhebliche Gefahr dar. Schätzungen zufolge detonierten 20 % der durch die Alliierten abgeworfenen Fliegerbomben nicht, deren Gesamtzahl im sechsstelligen Bereich liegt. Insbesondere im Rahmen von Tiefbaumaßnahmen und Erschließungen besteht das zu kalkulierende Risiko, auf eine solche Bombe zu stoßen. Im folgenden Fall musste das LG Osnabrück entscheiden, ob ein geschädigter Grundstückseigentümer einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Nachbarn hat, wenn auf dessen Grundstück der Kampfmittelräumdienst eine solche nicht detonierte Bombe kontrolliert explodieren lässt. TATBESTAND Die Klägerin (K) ist Gebäudeversicherer des Wohngebäudes, welches sich auf dem Grundstück (…) in (…) befindet und im Eigentum des E steht. Die Beklagte (B) erschließt und entwickelt im benachbarten Gebiet dieses Grundstücks ein Baugebiet. Am 19.02.2018 sprengte der Kampfmittelräumdienst eine auf dem Nachbargrundstück des versicherten Gebäudes aufgefundene Fliegerbombe kontrolliert. B ist Eigentümerin dieses Grundstückes. Die Klägerin leistete wegen aufgetretener Gebäudeschäden am Grundstück des E eine Zahlung an diesen in Höhe von 6.000 € (brutto). K ist der Rechtsansicht, ihr stehe ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, da B als Grundstückseigentümerin Zustandsstörerin sei. Darüber hinaus sei B mittelbare Handlungsstörerin, weil B das ehemalige Kasernengelände in ein Wohngebiet umwandele bzw. entwickle. Jura Intensiv K beantragt, B zu verurteilen, an K 5.042,02 € zu zahlen sowie K von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägervertreter in Höhe von 571,44 € freizuhalten. LEITSATZ Ein Ausgleichsanspruch unter Nachbarn gemäß § 906 II 2 BGB analog setzt voraus, dass die von einem Grundstück ausgehende Störung dem Eigentümer zurechenbar sind. Dies ist der Fall, wenn er sie selbst jedenfalls mittelbar verursacht oder weil er bei wertender Betrachtung verpflichtet gewesen wäre zu verhindern, dass solche Störungen von seinem Grundstück ausgehen. In der Originalentscheidung findet sich ein Einleitungssatz im Tatbestand, welcher das Mehrpersonenverhältnis erläutert. Einleitungssätze werden aber nicht in allen Ländern gern gesehen. Fragen Sie hierzu Ihre AG-Leiter. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Der streitige Klägervortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. B beantragt, die Klage abzuweisen. B ist der Rechtsansicht, Entschädigungsansprüche der Gebäudeeigentümerin seien nicht auf K übergegangen, da die behaupteten Schäden als Kriegsfolgenschaden zu bewerten seien, der wiederum nicht versichert sei. B ist weiter der Rechtsansicht, allein ihre Eigentümerstellung begründe keine Störereigenschaft. Hierfür sei vielmehr Voraussetzung, dass die Beeinträchtigungen wenigstens mittelbar auf ihren Willen zurückzuführen seien. Dies sei hier nicht der Fall. Die Benachrichtigung und Beauftragung des Kampfmittelräumdienstes sei nicht auf eine Entscheidung der Beklagten zurückzuführen, vielmehr sei sie öffentlich-rechtlich zur Duldung verpflichtet gewesen. Darüber hinaus ende die tatsächliche Sachherrschaft des Grundstückseigentümers spätestens mit der öffentlich-rechtlichen Sicherstellung des Grundstücks durch den Kampfmittelräumdienst. B bestreitet also weder, dass der Schaden eingetreten sei, noch, dass die Sprengung ursächlich sei. B vertritt lediglich die Rechtsansicht, dass zum einen der Anspruch des E gegen B nicht auf K übergegangen sei (cessio legis) und dass E keinen Anspruch per se gegen B habe. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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