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RA Digital - 11/2019

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594 Öffentliches Recht

594 Öffentliches Recht RA 11/2019 Problem: Widerspruch zum Grundsatz des freien Mandats? Inhalt der Gewährleistungen des freien Mandats Hier: Keine Beeinträchtigung des freien Mandats Allgemeiner Maßstab für die Prüfung Unterstützung der NPD spricht zwar besonders stark für Unzuverlässigkeit, gleichwohl sind Ausnahmen denkbar [30] Aus den gleichen Erwägungen ist auch die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei im Bundestag, in einem Landtag oder einer Kommunalvertretung als ein „Unterstützen“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. zu werten. Entsprechendes gilt bei der Teilnahme an Wahlen als Bewerber einer verfassungsfeindlichen Partei, auch wenn hierbei kein Mandat errungen wird. Auch in diesen Fällen ist von einer besonders intensiven Identifikation mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei auszugehen. […] [31] Die Berücksichtigung der Wahrnehmung von Mandaten in einer Kommunalvertretung bei der Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. unterstützt werden, widerspricht nicht dem Verfassungsgrundsatz des freien Mandats. […] Das freie Mandat gewährleistet […] die freie Willensbildung der Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern. Ferner gewährleistet Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle. Auf keinen dieser Aspekte zielt die für die Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit herangezogene Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen in Form der Wahrnehmung eines politischen Mandats. Vielmehr knüpft der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auch in dieser Fallgruppe daran an, dass der Betroffene als Mandatsträger einen eigenen aktiven Unterstützungsbeitrag für eine verfassungsfeindliche Vereinigung leistet, dem nach der Prognose des Gesetzgebers die Gefahr einer Beeinträchtigung der waffenrechtlichen Schutzgüter durch den Betroffenen innewohnt.“ Da K stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD ist und diese im Kreistag sowie in einem Gemeinderat vertritt, unterstützt er i.S.v. § 5 II Nr. 3a) WaffG die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD. IV. Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit § 5 II WaffG sieht bei Vorliegen seiner Voraussetzungen vor, dass eine Person in der Regel waffenrechtlich unzuverlässig ist. Demnach ist fraglich, ob bei K Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von dieser Regelvermutung gebieten. Jura Intensiv „[35] […] Hierbei muss beurteilt werden, ob die generalisierende Annahme eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos, die an die legale Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer politischen Partei anknüpft, im konkreten Fall tatsächlich tragfähig ist. […] Steht fest, dass ein Mitglied einer solchen Partei deren kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung in relevanter Weise unterstützt, wird zwar regelmäßig auch die Prognose gerechtfertigt sein, dass der ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Umgang mit Waffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet ist. Orientiert sich die betreffende Partei - wie nach den bindenden Feststellungen im Berufungsurteil die NPD - am historischen Nationalsozialismus, drängt sich dies in besonderem Maße auf. Es müssen gleichwohl diejenigen Fallgestaltungen ausgesondert werden, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Verfolgung bzw. Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzgut des Waffenrechts ausnahmsweise fehlt. […] Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Öffentliches Recht 595 [36] Atypische Umstände, die in diesem Sinne geeignet sind, bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen politischen Partei die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn - negativ - keine individuellen Äußerungen und Verhaltensweisen der betreffenden Person bekannt sind, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt oder zur Missachtung der geltenden Rechtsordnung erkennen lassen. Da Funktions- und Mandatsträger typischerweise einen gesteigerten Einfluss auf die Ausrichtung und das Profil der Partei haben, sind vielmehr - positiv - konkrete Belege für die aktive Bekämpfung derartiger Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld zu fordern, damit die durch die Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition als entkräftet angesehen werden können. Atypische Umstände im dargelegten Sinne sind daher bei den in Rede stehenden Personen grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn - neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten - feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungspflicht.“ Von K sind derartige Distanzierungen nicht bekannt. Er verbreitet vielmehr Hassbotschaften gegen politisch Andersdenkende, sodass keine atypischen Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 II Nr. 3a) WaffG zu widerlegen. K ist demnach waffenrechtlich unzuverlässig gem. § 5 II Nr. 3a) WaffG. FAZIT Die zentralen Aussagen der Entscheidung: • Parteimitglieder sind waffenrechtlich nicht besser zu behandeln als alle anderen Bürger. Daher sperrt § 5 II Nr. 2b) WaffG nicht die Anwendung des § 5 II Nr. 3a) WaffG. • Die NPD ist eine Vereinigung, deren Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. • Ein „unterstützen“ i.S.v. § 5 II Nr. 3a) WaffG verlangt eine besondere Identifizierung mit den Bestrebungen der verfassungsfeindlichen Vereinigung sowie ein öffentliches Auftreten. • Eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 5 II Nr. 3a) WaffG ist nur anzunehmen, wenn sich die betreffende Person beharrlich und unmissverständlich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen in der Vereinigung distanziert. Jura Intensiv Das Waffenrecht ist, wie in der Einleitung ausgeführt, momentan hoch examensrelevant. Ein Blick in die Examensauswertung zeigt, dass es auch in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Examensklausuren war. Daher sollte die Entscheidung zum Anlass genommen werden, sich die maßgeblichen Bestimmungen des WaffG genauer anzusehen, insbes. §§ 4, 5, 6, 45, 46 WaffG. Konkretisierung des Ausnahmefalls: Erforderlich ist eine beharrliche und unmissverständliche Distanzierung von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen Wer sich auf die Ausnahme beruft, muss die besonderen Umstände, die für die Ausnahme sprechen, darlegen. Z.B. in Berlin und NRW, 1. Examen, Termin April 2017, 1. Klausur; NRW, 1. Examen, Termin Januar 2017, 1. Klausur; Saarland, 1. Examen, Termin August 2014, 2. Klausur © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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