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RA Digital - 11/2020

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598 Öffentliches Recht

598 Öffentliches Recht RA 11/2020 Auch angesichts dessen, dass der Landesverordnungs- und -gesetzgeber trotz der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bis Ende des Jahres ohne Ausnahme an dem Verbot von großen Festveranstaltungen […] sowie an grundsätzlich arbeitsfreien Sonn- und Feiertagen festgehalten hat, ist eine gewichtige sachliche Rechtfertigung für eine Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes durch die derzeitige pandemiebedingte Ausnahmesituation und die damit verbundenen nachteiligen tatsächlichen Veränderungen für den stationären Einzelhandel nicht entbehrlich geworden. Ein letztes wichtiges Argument: Wettbewerbsneutralität, d.h. eine Gemeinde darf nicht den ansässigen Einzelhandelsgeschäften durch einen Rechtsverstoß einen Wettbewerbs vorteil gegenüber Geschäften in anderen Gemeinden verschaffen, die sich an das geltende Recht halten und daher keine Sonntagsöffnung erlauben. Beachte: Rechtswidrige Gesetze sind grds. automatisch nichtig. BVerwG. Urteil vom 22.6.2020, 8 CN 1.19, RA-Telegramm 7/2020, S. 87 f. Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.2017, 8 CN 1.16, juris Rn 10 ff. m.w.N. Geprüft z.B. in NRW, 1. Examen, Termin November 2019, 1. Klausur Gerade angesichts von wirtschaftlichen Folgen, denen zwar nicht der ganze stationäre Einzelhandel, aber doch bestimmte Branchen landesweit im Wesentlichen in vergleichbarer Weise ausgesetzt sind, ist kein zureichender Sachgrund ersichtlich, der eine Ausnahme für den gesamten Einzelhandel in Kevelaer rechtfertigt, während die Geschäfte in anderen Gemeinden, auch und gerade, soweit sie durch die Pandemie ähnlich betroffen sind, geschlossen bleiben müssen. Ungeachtet dessen, dass den festgesetzten Sonntagsöffnungen – wie ausgeführt – bereits die mit ihnen ausschließlich verbundene werktägliche Geschäftigkeit entgegensteht, bedeutet ihre Festsetzung eine Verletzung der gebotenen Wettbewerbsneutralität.“ Demnach genügt die streitgegenständliche Verordnung den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, ist daher rechtswidrig und somit unwirksam. FAZIT Der Beschluss des OVG Münster steht stellvertretend für eine ganze Entscheidungsserie, da die Städte und Gemeinden momentan bundesweit versuchen, dem durch die Corona-Pandemie gebeutelten örtlichen Einzelhandel durch großzügige Sonntagsöffnungen unter die Arme zu greifen. Dass dies rechtlich nicht zulässig ist, hat das OVG zu Recht deutlich betont, da der durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV garantierte Sonn- und Feiertagsschutz eine restriktive Handhabung der Sonntagsöffnungen verlangt. Daran ändert auch die Corona- Pandemie nichts. Die Rechtsprechung des OVG Münster liegt damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BVerwG, die erst jüngst – unter Verteidigung gegen Kritik aus der Literatur und Teilen der Rechtsprechung – bestätigt wurde. Großzügige landesgesetzliche Ermächtigungen für die Zulassung von Sonntagsöffnungen müssen folglich verfassungskonform ausgelegt werden. Prozessual interessant ist, dass die Normenkontrollanträge zur Überprüfung der gemeindlichen Verordnungen auch von Gewerkschaften und Kirchen gestellt werden können, deren Mitglieder wegen der Sonntagsöffnung arbeiten müssen. Sie sind antragsbefugt gem. § 47 II 1 VwGO, weil Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV auch ihrem Schutz dient. Examensrelevant war das Thema „Verkaufsoffene Sonntage“ immer schon, es hat angesichts der Corona-Pandemie aber noch an Bedeutung gewonnen und sollte daher allen Examenskandidaten/innen geläufig sein. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2020 Referendarteil: Öffentliches Recht 599 Speziell für Referendare Problem: Nutzungsuntersagung von Wohnungsprostitution Einordnung: Baurecht VG Münster, Urteil vom 01.09.2020 2 K 2532/19 EINLEITUNG Das Verwaltungsgericht Münster hatte über eine Klage zu entscheiden, mit der sich ein Mieter und Empfangsbevollmächtigter der Eigentümerin gegen die Untersagung der Untervermietung von Wohnräumen zum Zwecke der Wohnungsprostitution wandte. Während die formelle Illegalität der Nutzung zwischen den Beteiligten unstreitig war, berief sich der Betroffene auf einen Ermessensfehler bei der Störerauswahl. Der Beklagte hätte vorrangig gegen die Untermieter selbst vorgehen müssen. TATBESTAND „Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung des Beklagten. Er ist Mieter des Gebäudes auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 000, Flurstück 000 mit der postalischen Anschrift C....straße 00 und zudem Empfangsbevollmächtigter der in Griechenland lebenden Eigentümerin dieses Grundstücks. Das oben genannte Gebäude ist mit Nachtragsbauschein vom 12. Dezember 1950 als Wohnhaus mit Arztpraxis und Garagengebäude genehmigt worden. Im Dezember 2018 kam es zu Nachbarbeschwerden über Wohnungsprostitution in der ehemaligen Arztpraxis. Daraufhin leitete der Beklagte ein ordnungsbehördliches Verfahren ein. Am 14. Januar 2019 fand ein Ortstermin statt. In diesem Rahmen teilte die in den Räumlichkeiten der ehemaligen Arztpraxis angetroffene Frau N. mit, dass sie in der abgeteilten Wohnung der Wohnungsprostitution nachgehe. Sie zahle hierfür 50 EUR pro Tag an ihren Vermieter, den Kläger. Im Regelfall werde die Wohnung von ihr bzw. anderen Damen für bis zu sieben Tage genutzt. Einen schriftlichen Mietvertrag gäbe es nicht. Der Kläger habe ihr versichert, dass diese Tätigkeit legal sei. Jura Intensiv Unter dem 17. Januar 2019 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Nutzungsuntersagung an. Am 26. März 2019 vermerkte der Beklagte nach einer Ortsbesichtigung sowie Befragung der Nachbarn, dass in der o.g. Wohnung keine Wohnungsprostitution mehr stattfinde. Im Juli 2019 teilten Nachbarn mit, dass die Wohnungsprostitution erneut aufgenommen worden sei, sodass am 1. August 2019 ein weiterer Ortstermin stattfand. In der Wohnung wurde Frau C1. angetroffen. Sie teilte mit, dass sie am Montag aus Litauen gekommen sei und beabsichtige, bis Samstag zu bleiben. Sie bestritt, der Wohnungsprostitution nachzugehen. Sie lebe alleine und empfange deshalb Männer zu Besuch. Nach dem Eindruck der Mitarbeiter des Beklagten handelte es sich hierbei um eine Schutzbehauptung. LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Eine Nutzungsuntersagungsverfügung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung dort wieder aufzunehmen. 2. Eine auf die formelle Illegalität gegründete Nutzungsuntersagung stellt sich grundsätzlich selbst dann als verhältnismäßig dar, wenn das Vorhaben genehmigungsfähig ist. Ein Einleitungssatz ist nicht erforderlich, wenn im Rubrum unter „wegen“ eine Zusammenfassung des Streitgegenstandes erfolgt. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen, werden im Indikativ Präsens dargestellt. Geschichtserzählung im Übrigen im Indikativ Imperfekt Um den Rechtsbegriff der Anhörung zu vermeiden, kann wie folgt formuliert werden: „Unter dem … gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit, zu einer beabsichtigten Nutzungsuntersagung Stellung zu nehmen.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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