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RA Digital - 11/2021

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

592 Öffentliches Recht

592 Öffentliches Recht RA 11/2021 Somit liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 I, II GG vor. (2) Rechtfertigung des Eingriffs Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Das ist umstritten und müsste in einer Klausur diskutiert werden (vgl. Schildheuer, JURA INTENSIV Skript Grundrechte, Rn 306-308). Rechtsgut von Verfassungsrang: Schutz der Demokratie Aber: Wesentlichkeitstheorie verlangt bei finalen Grundrechtseingriffen eine EGL (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.7.2019, 3 C 24.17, Rn 9), was Art. 28 II 1 GG nicht ist, sodass die gesetzliche Schranke fehlt, um den Grundrechtseingriff rechtfertigen zu können. Zudem Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsprinzip Geeignetheit (-) Förderaufkleber am Pedelec ändert nichts an Ungeeignetheit „Da die Religions- und Weltanschauungsfreiheit nicht unter einem Gesetzesvorbehalt steht, sind Eingriffe in dieses Freiheitsrecht nur verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn und soweit sie dem Schutz eines damit kollidierenden Verfassungsrechtsguts dienen und sich bei der gebotenen Abwägung […] als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen. […] Zwar lässt sich der mit dem Verlangen nach einer Schutzerklärung verfolgte Zweck, einer als verfassungsfeindlich angesehenen Organisation möglichst keinen Imagegewinn zu verschaffen und dadurch die Verfassung zu schützen, der im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie und damit einem Gemeinschaftswert von Verfassungsrang zuordnen, der grundsätzlich auch Beschränkungen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu rechtfertigen vermag. Eine Gemeinde kann dieses verfassungsrechtliche Schutzgut aber nicht allein unter Berufung auf ihr Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber einzelnen Grundrechtsträgern zur Geltung bringen. Für gezielte Eingriffe in eine von Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Grundrechtsposition bedarf es wegen des für wesentliche Entscheidungen geltenden Parlamentsvorbehalts regelmäßig einer formell-gesetzlichen Grundlage. Da eine solche spezielle Befugnisnorm unstreitig nicht besteht, muss es der Beklagten schon aus diesem Grund verwehrt bleiben, gegen einzelne Anhänger der Scientology-Lehre in eingriffsrelevanter Weise vorzugehen. Unabhängig davon erweist sich der […] Ausschluss aus dem kommunalen Förderprogramm auch als unverhältnismäßig. Die generelle Ablehnung der Anträge von Personen, die der Scientology-Organisation angehören oder ihr nahestehen, dürfte bereits nicht geeignet sein, das damit verfolgte Ziel zu erreichen. Für die Annahme, eine Gewährung der Umweltprämie an diesen Empfängerkreis werde dazu führen, dass sich das öffentliche Ansehen der Scientology-Organisation verbessere und bisher bestehende Zweifel an deren Verfassungskonformität zerstreut würden, bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte […]. Die auf der Förderrichtlinie Elektromobilität beruhenden Zuschüsse zum Erwerb elektrisch betriebener Fahrzeuge sollen zur Verminderung von Schadstoff- und Lärmemissionen im Stadtgebiet beitragen. Allein unter diesem Aspekt werden auch die entsprechenden Verwaltungsentscheidungen in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Bewilligung des Förderantrags eines Gewerbetreibenden oder einer freiberuflich tätigen Person kann daher nach ihrem objektiven Aussagegehalt nicht zugleich als (positive) amtliche Bewertung einer Vereinigung verstanden werden, der sich der betreffende Antragsteller in ganz anderem Zusammenhang zugehörig fühlt. […] Jura Intensiv Die […] Verpflichtung der Zuwendungsempfänger, auf dem Förderobjekt […] einen Aufkleber anzubringen, der den Zuwendungsgeber nennt […], führt zu keinem anderen Ergebnis. Allein der Umstand, dass ein erkennbar von der Beklagten gefördertes Fahrzeug jemandem Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2021 Öffentliches Recht 593 gehört, der als Scientology-Anhänger bekannt ist oder auftritt, lässt in der Öffentlichkeit noch nicht den Eindruck entstehen, die Scientology-Lehre sei im Rahmen des Förderverfahrens mitgeprüft und als verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt worden. […] […] Sollte die Beklagte das […] Ziel verfolgen, die geförderten Fahrzeuge, solange sich die städtischen Aufkleber darauf befinden, von privaten Werbebotschaften insbesondere religiöser oder weltanschaulicher Art freizuhalten, bestünden gegen eine solche Konkretisierung des Förderzwecks zwar im Hinblick auf die staatliche Neutralitätspflicht keine prinzipiellen Einwände. Auch damit ließe sich jedoch der gezielte Ausschluss von Scientology-Anhängern nicht rechtfertigen, da dieser Grundrechtseingriff zur Zweckerreichung nicht erforderlich wäre. Als milderes Mittel könnte die Beklagte im Wege einer Nebenbestimmung die Empfänger der Förderung verpflichten, die erkennbar mithilfe öffentlicher Fördermittel erworbenen Fahrzeuge nicht als Werbeträger einzusetzen, um ihre persönlichen Überzeugungen zu propagieren. […]“ Demnach verletzt das Verlangen der Stadt nach Abgabe der Schutzerklärung die K in ihrem Grundrecht aus Art. 4 I, II GG. bb) Verstoß gegen Art. 3 I, III 1 GG Weiterhin könnte der Ausschluss von Scientology-Mitgliedern und -Anhängern aus dem Förderprogramm gegen Art. 3 I, III 1 GG verstoßen. Dieser Ausschluss stellt eine Ungleichbehandlung dar, die einer Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund bedarf. Fraglich ist, welche Anforderungen an den sachlichen Grund zustellen sind und ob diese Anforderungen im konkreten Fall erfüllt sind. „Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit besteht zwar für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aber aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben; zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. Hiernach müssen die gleichheitsrechtlichen Anforderungen an einen gezielten Ausschluss von Scientology-Anhängern von der kommunalen Umweltprämie schon deshalb über ein bloßes Willkürverbot hinausgehen, weil damit das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG berührt ist. Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen folgt zudem daraus, dass mit der Religion bzw. Weltanschauung an ein Merkmal angeknüpft wird, das den antragstellenden Personen nicht beliebig verfügbar ist und das dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegt. Im Anwendungsbereich dieser Verfassungsnorm sind Differenzierungen nur dann zulässig, wenn sie zur Lösung von Problemen notwendig sind, die ihrer Natur nach allein bei Personen der einen Gruppe auftreten können, oder wenn in dem Differenzierungskriterium gerade das konstituierende Element des zu regelnden Lebenssachverhalts liegt. Jura Intensiv Sollte es darum gehen, das geförderte Pedelec von privater Werbung freizuhalten, wäre ein entsprechendes Verbot das mildere Mittel im Verhältnis zum gänzlichen Ausschluss von der Förderung. Knappe Darstellung, da die Ungleichbehandlung unproblematisch ist. Gemeint ist die Leistungsverwaltung. Strenge Anforderungen an sachlichen Grund, d.h. Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn • Eingriff in Freiheitsgrundrecht oder • Unterscheidungsmerkmal von dem Betroffenen kaum oder gar nicht beeinflussbar oder • Ähnlichkeit mit verbotenem Unterscheidungsmerkmal i.S.v. Art. 3 III GG Subsumtion Da verbotenes Unterscheidungsmerkmal verwendet wird • sachlicher Grund grds. (-) Ausnahmen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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