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RA Digital - 12/2016

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622 Zivilrecht

622 Zivilrecht RA 12/2016 Ein Schenkungsvertrag über das gesamte Vermögen bedarf der notariellen Beurkundung gem. § 311b III BGB. § 518 II BGB findet nur auf Formfehler nach § 518 I BGB, nicht hingegen bei § 311b III BGB Anwendung. „II.1. Die Erblasserin vereinbarte mit B, dass er alles bekommen solle, was sie habe. Unabhängig von der Frage, zu welchem Zeitpunkt er diese Vermögensgegenstände erhalten sollte, war ein solcher Vertrag darauf gerichtet, dass die Erblasserin ihm ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen übertrug. Ein solcher Vertrag bedurfte gemäß § 311b III BGB der notariellen Form auch und insbesondere dann, wenn die Vermögensübertragung erst kurz vor dem Ableben der Erblasserin erfolgen sollte. Denn die Formvorschrift bezweckt auch, eine Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen einzuhaltenden Formerfordernisse zu vermeiden.“ „Mangels Einhaltung dieser Form war die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen der Erblasserin und dem Beklagten getroffene Vereinbarung somit nichtig gem. § 125 BGB).“ Zu prüfen ist jedoch, ob der Mangel der Form durch einen Vollzug der Schenkung geheilt wurde. „II.2. Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Heilung eines formnichtigen Vertrages durch Erfüllung. Die Erfüllung hat nur in denjenigen Fällen heilende Wirkung, in denen dies vom Gesetz bestimmt wird.“ „Soweit § 518 II BGB für den Vollzug einer Schenkung die Heilung eines Mangels der notariellen Form des Schenkungsvertrags anordnet, ist diese Wirkung auf den Formmangel nach § 518 I BGB beschränkt. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Schenker, der sich durch den Vollzug des Schenkungsversprechens des verschenkten Gegenstands tatsächlich begeben hat, ebenso wenig wie bei einer Handschenkung weiterhin des Schutzes der Form bedarf und der Rechtsfriede nicht durch eine Rückforderung des hingegebenen Schenkungsgegenstands belastet werden soll. § 311b BGB verfolgt hingegen einen weiteren Schutzzweck und enthält demgemäß auch keine § 518 II BGB entsprechende Bestimmung. Da der Betroffene mit dem Formzwang gemäß § 311b III BGB vor einer übereilten Übertragung des gesamten Vermögens und nicht nur eines einzelnen, schenkweise zugewandten Gegenstands geschützt werden und überdies, wie ausgeführt, auch eine Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen geltenden Vorschriften verhindert werden soll, kann die formheilende Wirkung des Schenkungsvollzugs gemäß § 518 II BGB nicht auf einen sich aus § 311b III BGB ergebenden Formmangel übertragen werden.“ Jura Intensiv Mithin erfolgte die Vermögensverschiebung zugunsten des B ohne Rechtsgrund. V. Umwandlung in einen Wertersatzanspruch gem. § 818 II BGB B kann die Wertpapiere nicht in Natur herausgeben, weshalb gem. § 818 II BGB der objektive Wert zu ersetzen ist. B. Ergebnis Damit steht S gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Erlös i.H.v. 79.000 € gem. §§ 1922, 812 I 1 1. Alt., 818 II BGB zu. FAZIT Der Formmangel eines Schenkungsvertrags, in dem sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt. Die Wirkung des § 518 II BGB kann nicht auf einen sich aus § 311b III BGB ergebenden Formmangel übertragen werden. Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 Zivilrecht 623 Problem: Verjährung der Herausgabeansprüche wegen NS-verfolgsbedingt abhanden gekommener Gemälde Einordnung: Allgemeines Schuldrecht, Sachenrecht LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.11.2016 2/21 O 251/15 EINLEITUNG Geschätzt mehr als 600.000 Kunstwerke und Kulturgüter wurden jüdischen Familien, Galeristen und Sammlern zwischen 1933 bis 1945 durch die Nazis geraubt. Es erfolgten Zwangsverkäufe, Beschlagnahmen und Plünderungen. Viele dieser Kunstgegenstände sind bis heute nicht aufgefunden worden und nur ein Bruchteil konnte den damaligen Eigentümer bzw. ihren Erben zurückgegeben werden. 1998 verabschiedeten 44 Staaten in der Washingtoner Konferenz politisch verbindliche Grundsätze für die Rückgabe von ausfindig gemachten Werken. Die Bundesrepublik Deutschland setzte diese Selbstverpflichtung im Bereich der öffentlichen Sammlungen auch zügig um. Für private Sammler hingegen gelten diese Grundsätze nicht. Ansprüche der ursprünglichen Eigentümer und ihrer Erben sind daher heute nicht mehr durchsetzbar, da die Anmeldefristen der Rückerstattungsgesetze verstrichen und zivilrechtliche Herausgabeansprüche verjährt sind, wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) R wird am 05.10.1878 in Berlin als jüngstes Kind einer jüdischen Familie geboren. Unmittelbar nach Ende des 1. Weltkriegs erwarb er 1919, ein Ölgemälde des Malers Max Pechstein, das einen Blumenstrauß in einer rötlichen Vase mit Goldregen und weißen Callae zeigt. Im Jahr 1941 wird er zusammen mit seiner Frau deportiert. SS-Soldaten finden das streitgegenständliche Gemälde in ihrer Wohnung und nehmen es mit. 1942 stirbt R im Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau. Noch im selben Jahr gelangt das Gemälde in den Besitz von F. Im Jahr 1967 schenkt er es seinem Sohn und Beklagten (B). Im Jahr 2011 fordert ihn der Kläger (K) gem. § 985 BGB zur Herausgabe des Bildes auf. Er kann den - als wahr zu unterstellenden - Nachweis erbringen, Alleinerbe des G zu sein. B erhebt die Einrede der Verjährung. K behauptet, B habe das Bild bis zum Ablauf der Verjährungsfrist vor ihm versteckt. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSATZ Herausgabeansprüche nach bürgerlichem Recht wegen ns-verfolgsbedingt abhanden gekommener Gemälde verjähren in 30 Jahren, die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Bearbeitervermerk: § 195 BGB a.F.: Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre. § 198 S. 1 BGB a.F.: Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. § 203 I BGB a.F. Die Verjährung ist gehemmt, solange der Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Inhaltsverzeichnis

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