Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 12/2016

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Beklagten
  • Recht
  • Entscheidung
  • Beklagte
  • Urteil
  • Stgb
  • Beschluss
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

650 Öffentliches Recht

650 Öffentliches Recht RA 12/2016 Beteiligte Organe gehen auch nicht unmittelbar aus einer Wahl hervor. Berufungsverfahren beteiligten Organe einer Freistellung von Art. 33 Abs. 2 GG entgegen. Bereits die Mitglieder des Richterwahlausschusses gehen nicht […] unmittelbar aus einer demokratischen Wahl hervor. Erst recht besteht kein Grund, den zuständigen Minister […] von einer Bindung an das grundrechtsgleiche Recht des Art. 33 Abs. 2 GG freizustellen. […]“ Demnach findet Art. 33 II GG auch bei einer Bundesrichterwahl Anwendung. II. Modifikation durch Art. 95 II GG Möglicherweise bedingt das in Art. 95 II GG vorgesehene Richterwahlverfahren aber Modifikationen bei der Anwendung der in Art. 33 II GG genannten Auswahlkriterien. Sinn und Zweck des Art. 95 II GG Modifikation der Vorgaben des Art. 33 II GG durch das in Art. 95 II GG normierte Wahlelement. Wahlelement widerspricht dem strikten Gebot der Bestenauslese. Anders für den Minister: Er ist vollumfänglich an Art. 33 II GG gebunden. Einigungszwang verlangt gegenseitige Rücksichtnahme Folge für Richterwahlausschuss: Minister muss dem Gewählten zustimmen können. „[26] […] Das Verfahren soll die verschiedenen politischen Kräfte balancieren und einer Ämterpatronage entgegenwirken. Zudem soll sich in dem Verfahren über die Richterberufung nach Art. 95 Abs. 2 GG die dem föderativen Staatsaufbau angepasste Justizstruktur widerspiegeln. [27] Art. 95 Abs. 2 GG gibt danach ein aus zwei Akteuren – dem Richterwahlausschuss und dem zuständigen Bundesminister – bestehendes System […] sowie das Wahlelement im Berufungsverfahren vor, dessen nähere Ausgestaltung durch das Richterwahlgesetz erfolgt. Wechselbezogenheit der Entscheidungen beider Akteure […] und Wahlelement erfordern eine Modifikation der zu Art. 33 Abs. 2 GG bestehenden dogmatischen Aussagen sowie der materiellen und formellen Anforderungen, die mit Blick auf exekutivische Auswahlverfahren abgeleitet worden sind. [28] Dem Wahlelement trüge eine strikte Bindung der Entscheidung des Richterwahlausschusses an Art. 33 Abs. 2 GG nicht ausreichend Rechnung. Während Art. 33 Abs. 2 GG auf die eine „‚richtige‘ Antwort“ beziehungsweise darauf gerichtet ist, „von oben her“ den Besten auszuwählen, zeichnen sich Wahlen gerade durch Wahlfreiheit aus, wenngleich die Wählbarkeit zumeist von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängt. […] Der mit der Wahl einhergehende legitimatorische Mehrwert könnte jedoch nicht erreicht werden, wenn es eine Pflicht zur Wahl eines bestimmten Kandidaten gäbe. […] Jura Intensiv [30] Ein erfolgreiches Berufungsverfahren ist von Verfassungs wegen mit einem faktischen Einigungszwang zwischen dem zuständigen Bundesminister und dem Richterwahlausschuss verbunden. Beide agieren nicht unabhängig voneinander, sondern aufeinander bezogen. […] [31] Auf Seiten des Richterwahlausschusses bedeutet dies, dass er die Bindung des zuständigen Ministers an Art. 33 Abs. 2 GG beachten muss. Das zwischen beiden Organen bestehende institutionelle Treueverhältnis verlangt, dass der Richterwahlausschuss jemanden wählt, dessen Wahl der zuständige Minister zustimmen kann. Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 Öffentliches Recht 651 [32] Der zuständige Minister ist demgegenüber nicht verpflichtet, der Wahl nur dann zuzustimmen, wenn der nach seiner Auffassung Beste gewählt worden ist. In einem solchen Fall wäre die Einrichtung des Richterwahlausschusses ihrerseits weitgehend sinnentleert und die politische Verantwortung für die Entscheidung läge entgegen der Intention des Art. 95 Abs. 2 GG ausschließlich bei der Justizverwaltung. Der Minister hat sich daher bei seiner Entscheidung den Ausgang der Wahl grundsätzlich zu eigen zu machen, es sei denn, die formellen Ernennungsvoraussetzungen sind nicht gegeben, die verfahrensrechtlichen Vorgaben sind nicht eingehalten oder das Ergebnis erscheint nach Abwägung aller Umstände und insbesondere vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 33 Abs. 2 GG nicht mehr nachvollziehbar. […] Allerdings ist er verpflichtet, alle aus den Stellungnahmen des Präsidialrats und aus den dienstlichen Beurteilungen abzuleitenden Anhaltspunkte für die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Vorgeschlagenen in seine Entscheidung über die Zustimmung zur Wahl einzubeziehen […]. [33] Unter diesen Bedingungen muss der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG insbesondere dadurch operationalisierbar gemacht werden, dass das Verfahren selbst entsprechend ausgestaltet […] wird. Dies erfordert, dass der Richterwahlausschuss sich einen Eindruck verschaffen kann von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Kandidaten durch Zusammenstellung […] ihrer Zeugnisse, dienstlichen Beurteilungen und der sie betreffenden Präsidialratsstellungnahmen. Die Einhaltung dieser prozeduralen Anforderung muss niedergelegt und nachvollziehbar sein. [34] Da der eigentliche Wahlakt keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, bedarf sein Ergebnis auch keiner Begründung. Eine Begründungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. […] Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Dabei richtet sich gerichtlicher Rechtsschutz in gestuften Verfahren häufig erst gegen die Endentscheidung (vgl. § 44a VwGO). Auch im vorliegenden Fall ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (erst) die Entscheidung des Bundesministers unmittelbarer Verfahrensgegenstand im gerichtlichen Verfahren ist, während es sich bei der Entscheidung des Richterwahlausschusses um einen nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensschritt handelt. […] Jura Intensiv [35] Da der zuständige Bundesminister sich […] die Wahlentscheidung grundsätzlich zu eigen zu machen hat, treffen auch ihn keine umfassenden Begründungspflichten. Erforderlich ist eine Begründung jedoch immer dann, wenn es sich aufdrängt, dass der Richterwahlausschuss offenkundig relevante Aspekte zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Vorgeschlagenen in einer den Spielraum des Art. 95 Abs. 2 GG überschreitenden Weise missachtet hat. Eine Begründungspflicht ist insbesondere in zwei Fällen anzunehmen. Zum einen muss der Minister aufgrund des institutionellen Treueverhältnisses begründen, wenn er seine Zustimmung verweigert, da andernfalls eine Einigung nur Folge für den Minister: Er hat der Wahl durch den Richterwahlausschuss grds. zuzustimmen. Ablehnungsrecht nur bei formellen Verstößen oder evidenter materieller Fehlerhaftigkeit. Weitere Schlussfolgerung: Umfassende Information des Richterwahlausschusses über die Kandidaten und Dokumentationspflicht. Aber: Entscheidung des Richterwahlausschusses muss nicht begründet werden, da unselbständiger Verfahrensschritt und daher nicht separat anfechtbar. Vgl. BVerwGE 70, 270, 277f.; 105, 89, 91 Grundsatz: Auch Minister muss Entscheidung nicht begründen, weil dies mittelbar zu einer Begründung der Wahlentscheidung führen würde. Ausnahme 1: Minister verweigert Zustimmung zur Wahl. Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats