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RA Digital - 12/2017

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624 Zivilrecht

624 Zivilrecht RA 12/2017 Problem: Beruhen auf „demselben Grund“ gem. § 213 BGB Einordnung: Allgemeines Schuldrecht BGH, Urteil vom 27.09.2017 VIII ZR 99/16 LEITSATZ Zwei Ansprüche beruhen auf „demselben Grund“ i.S.v. § 213 BGB, wenn sie aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss „im Kern“ identisch sein. Hieran fehlt es im Verhältnis zwischen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen einerseits und Ansprüchen aus einer daneben abgeschlossenen (Haltbarkeits-) Garantie andererseits. EINLEITUNG § 213 BGB stellt eine Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers dar, der bereits verjährungshemmende oder zum Verjährungsneubeginn führende Maßnahmen eingeleitet hat. Die Vorschrift erstreckt die Hemmung oder den Neubeginn auch auf solche Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise oder anstelle des verjährenden Anspruchs gegeben sind. Es muss sich somit um unterschiedliche Ansprüche i.S.d. Prozessrechts handeln, wobei der Anspruchsgrund zumindest im Kern identisch sein muss. Die Abgrenzung, wann ein Alternativverhältnis vorliegt, ist im Einzelnen schwierig, wie der vorliegende Fall zeigt. SACHVERHALT Am 23.01.2013 verkauft und übergibt die Beklagte (B) dem Kläger (K) einen gebrauchten Pkw mit einer Laufleistung von rund 150.000 Kilometern zu einem Kaufpreis von 9.450 €. Am 24.01.2013 schließen die Parteien für das Fahrzeug einen Garantievertrag mit einer Laufzeit von zwölf Monaten ab, Danach ist B im Falle eines Defekts bestimmter Bauteile innerhalb der Laufzeit zu einer Reparatur verpflichtet. Von der Garantie sind u.a. Schäden an der Kraftstoffanlage umfasst. Gem. § 5 Nr. 2 der Garantiebedingungen verjähren Ansprüche aus einem Garantiefall sechs Monate nach dem Schadenseintritt, spätestens sechs Monate nach Ablauf der Garantiezeit. Am 22.07.2013 bleibt der Pkw aufgrund eines Defekts an den Einspritzdüsen liegen. Nach einem Kostenvoranschlag der B belaufen sich die Kosten für eine Reparatur auf 1.698 €. Mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2013 fordert K die B unter Fristsetzung zur (kostenlosen) Reparatur auf. In der Folgezeit lehnt K eine Regulierung des Schadensfalls auf der Grundlage des abgeschlossenen Garantievertrags ausdrücklich ab und erklärt mit Schreiben vom 13.11.2013 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner am 22.01.2014 eingereichten und am 10.02.2014 zugestellten Klage verlangt K daher die Rückzahlung des Kaufpreises. Er führt aus, es erübrige sich, auf die abgeschlossene Garantievereinbarung einzugehen, weil er allein gesetzliche Gewährleistungsansprüche geltend mache. Mit Schriftsatz vom 03.12.2014 beruft er sich jedoch auf Ansprüche aus dem Garantievertrag. Er verlangt nun lediglich Zahlung der Reparaturkosten i.H.v. 1.698 €. B erhebt die Einrede der Verjährung. Er führt an, dass die Verhandlungen über das Bestehen eines Garantieanspruchs nicht über den 13.11.2013 hinaus fortgeführt worden seien. Zu Recht? Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2017 Zivilrecht 625 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Zahlung der Reparaturkosten aus dem Garantievertrag gem. §§ 311 I, 241 I BGB I. Anspruch entstanden II. Anspruch durchsetzbar 1. Vereinbarung einer Verjährungsfrist 2. Ablauf der Verjährungsfrist 3. Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung a) Hemmung gem. § 204 I Nr. 1 BGB b) Hemmung gem. § 213 BGB B. Ergebnis LÖSUNG A. K gegen B auf Zahlung der Reparaturkosten aus dem Garantievertrag gem. §§ 311 I , 241 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten i.H.v. 1.698 € aus dem Garantievertrag gem. §§ 311 I, 241 I BGB haben. I. Anspruch entstanden Am 24.01.2013 schlossen die Parteien für den Gebrauchtwagen einen Garantievertrag mit einer Laufzeit von zwölf Monaten ab. Innerhalb der Laufzeit verpflichtet dieser den B im Falle eines Defekts an der Kraftstoffanlage zur Reparatur. Am 22.07.2013 blieb der Pkw aufgrund eines Defekts an den Einspritzdüsen liegen. K steht damit aufgrund des Garantievertrags ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Reparatur i.H.v. 1.698 € gegen B zu. II. Anspruch durchsetzbar Möglicherweise kann sich B jedoch auf Verjährung des von K geltend gemachten Anspruchs berufen. Gem. § 214 I BGB steht ihm dann ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Jura Intensiv 1. Vereinbarung einer Verjährungsfrist Zunächst ist zu prüfen, ob die in § 5 Nr. 2 der Garantiebedingungen enthaltene Verjährungsfrist von sechs Monaten wirksam ist. „II.1. Die in § 5 Nr. 2 der Garantiebedingungen enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate ist wirksam vereinbart worden. Sie ist weder überraschend i.S.d. § 305c I BGB noch benachteiligt sie den Garantienehmer unangemessen i.S.v. § 307 BGB, weil sie zu kurz bemessen wäre.“ 2. Ablauf der Verjährungsfrist Mit dem Auftreten des Defekts an der Einspritzdüse am 22.07.2013 ist die sechsmonatige Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden. Schweben allerdings – wie hier – zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gem. § 203 S. 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. „II.2. Die Verjährungsfrist ist daher [erst] am 13.05.2014 abgelaufen, nachdem die Verhandlungen über das Bestehen eines Garantieanspruchs nicht über den 13.11.2013 hinaus fortgeführt wurden.“ Es handelt sich um einen selbständigen Garantievertrag. Dieser hat in §§ 311 I, 241 I BGB seine Haftungsgrundlage, siehe Münch.Komm./ Westermann, BGB, § 443 Rn 3. Die §§ 443, 477 BGB knüpfen nur Folgewirkungen an. Der Garantievertrag wurde zwischen den Parteien wirksam geschlossen. Beim eingetretenen Schaden handelt es sich auch um einen Garantiefall, der von der Garantieerklärung erfasst ist. Die Verjährungsfrist wurde wirksam auf sechs Monate verkürzt. An dieser Stelle kann eine umfassende AGB- Prüfung gem. §§ 305 ff. BGB verlangt sein. Der Anspruch war bei Geltendmachung im Prozess am 03.12.2014 eigentlich bereits verjährt, es sei denn der Ablauf der Verjährungsfrist wurde gehemmt. Diese Hemmung ist das Hauptproblem des Falles. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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