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RA Digital - 12/2018

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640 Referendarteil:

640 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2018 Kausaler Schaden durch dieses Verhalten Ausführungen zur conditio-sine-quanon-Formel Prüfung des bei § 826 BGB besonders bedeutsamen und grds. schwer nachweisbaren Schädigungsvorsatzes Definition Schädigungsvorsatz - siehe dazu auch Palandt/Sprau, BGB, § 826 Rn 11 Eine Kernfrage dieser Entscheidung: Ist auch dieser Anspruch von der sehr umfassenden Abgeltungsklausel des Prozessvergleichs umfasst? Solche Klauseln sind in Prozessvergleichen alltäglich. Besonders hohe Anforderungen an die Annahme eines Verzichts auf unbekannte Ansprüche, s. dazu BGH NJW 1984, 1346. Auslegung der Abgeltungsklausel Entscheidend dafür, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht erfasst ist, ist, dass er erst durch den Vergleich entstanden ist und daher gar nicht von diesem und der im Vergleich formulierten Abgeltungsklausel erfasst sein kann. Dadurch hat der Antragsgegner der Antragstellerin einen Schaden zugefügt. Dieser besteht darin, dass sie sich, verbunden mit einer weitreichenden Abgeltungsklausel im Rahmen des Vergleichs auf einen Zahlbetrag von lediglich 11.500 € verständigt hat, was, wie der Antragsgegner wusste, nicht geschehen wäre, wenn sie Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Antragsgegner sich den von ihr abgehobenen Betrag von der Bank hatte erstatten lassen. Der Antragsgegner handelte auch mit dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Zu diesem gehört und genügt, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes jedenfalls, mag er sie auch nicht wünschen, doch zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen hat. So liegen die Dinge hier. Der Antragsgegner nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Bank den Betrag von der Antragstellerin zurückfordern, dieser also ein entsprechender Schaden entstehen würde. Er hielt dies gleichwohl für richtig, weil er – wie er im Termin vom 17.08.2018 erklärt hat – meinte, dass es wegen Investitionen, die er während der Ehe getätigt habe, über die aber im Rahmen des Mediationsverfahrens nicht gesprochen worden sei, schon in Ordnung sei, wenn der Betrag ihm verbleibe. Der Schadensersatzanspruch scheitert nicht an der im Vergleich enthaltenen Abgeltungsklausel. Zwar ist die Abgeltungsklausel weit gefasst und umfasst nicht nur Ansprüche auf Zugewinn und Unterhalt, sondern ausdrücklich auch alle weiteren sonstigen bekannten oder unbekannten Ansprüche, die mit der Beendigung der Ehe bzw. mit der Trennung der Beteiligten in Zusammenhang stehen umfasst, mithin nicht nur vertragliche, sondern auch deliktische Ansprüche. Zudem sind an die Annahme, dass ein rechtlich als Schulderlass (§ 397 I BGB) einzuordnender Verzicht auf Ansprüche auch unbekannt gebliebene Forderungen aus unerlaubter Handlung des Vertragspartners umfasse, strenge Anforderungen zu stellen. Erst recht kann ein Verzicht auf unbekannte Rechte nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden. Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten aber ausdrücklich eben auch unbekannte Ansprüche in die Regelung einbezogen. Eine Auslegung des Vergleichstextes (§§ 133, 157 BGB) dahingehend, dass etwa nur Ansprüche auf Zugewinn und Unterhalt erfasst oder etwa deliktische Ansprüche ausgeklammert sein sollen, kommt daher nicht in Betracht. Jura Intensiv Allerdings kann die Abgeltungsklausel bei verständiger Würdigung nur dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich alle bis zum Abschluss des Vergleichs entstandenen bekannten oder unbekannten Ansprüche wechselseitig abgegolten sein sollen. Nicht erfasst sind hingegen Ansprüche, die sich – wie hier der Anspruch nach § 826 BGB – erst aus dem Vorgang des Vergleichsschlusses selbst ergeben. Eine anderweitige Auslegung verbietet sich, weil niemand, der zur Bereinigung eines zurückliegenden Lebenssachverhalts vergleichsweise zu einem Schulderlass bereit ist, sich dadurch zugleich schutzlos gegenüber einem ihn schädigenden sittenwidrigen Verhalten seines Vertragspartners im Zusammenhang mit dem Abschluss des den Schulderlass beinhaltenden Vertrages stellen will. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2018 Referendarteil: Zivilrecht 641 Dem Anspruch der Antragstellerin steht auch nicht entgegen, dass sie den Vergleich vom 16.07.2012 nicht rechtzeitig, nämlich binnen Jahresfrist nach Zugang des Zahlungsverlangens der Bank vom 11.08.2014 (§ 124 I, II 1 BGB) wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB) angefochten hat. Unabhängig von der – zu bejahenden – Frage, ob sie dazu berechtigt gewesen wäre, gibt es jedoch keinen Vorrang des Anfechtungsrechts vor einer auf Schadensersatz gerichteten Haftung. Vielmehr kommt eine Haftung nach § 826 BGB neben dem Anfechtungsrecht nach § 123 BGB in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – im Einzelfall eine Anfechtung ausscheidet, weil die Frist des § 124 BGB versäumt worden ist. Der Schadensersatzanspruch der Antragstellerin richtet sich grundsätzlich auf Ersatz des negativen Interesses. Die Antragstellerin ist also so zu stellen, wie sie ohne das haftungsbegründende Ereignis stünde. Bei wirksamen Verträgen kann der Geschädigte Befreiung von den vertraglichen Pflichten unabhängig davon verlangen, ob er die Unwirksamkeit durch Ausübung eines Gestaltungsrechts herbeiführen könnte. Er kann aber auch den Vertrag bestehen lassen und Ersatz des durch die unerlaubte Handlung bedingten Mehraufwands verlangen. Steht fest, dass bei Unterbleiben der unerlaubten Handlung der Vertrag mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre, kann er auch Herstellung des Zustands verlangen, der bei Abschluss dieses Vertrages gegeben wäre. In diesen Fällen kann er also auch bei Unwirksamkeit des Vertrags im Ergebnis das Erfüllungsinteresse verlangen. Hier ist der Antragstellerin durch die unerlaubte Handlung des Antragsgegners ein Mehraufwand – bei redlichem Verhalten des Antragsgegners hätte sie den Vergleich nicht ohne Regelung auch des Betrags von 10.311,75 € geschlossen – in der Form entstanden, dass sie an die Bank 10.311,75 € gemäß Urteil des LG Kiel vom 05.11.2015 zu zahlen hatte. Diesen Mehraufwand kann sie nach § 826 BGB vom Antragsgegner ersetzt verlangen. Der Anspruch der Antragstellerin ist auch nicht verjährt. Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen (§ 199 I Nr. 1 BGB) hat die Antragstellerin erst mit Zugang des Schreibens der Bank vom 11.08.2014 erhalten. Die Zustellung des Antrags an den Antragsgegner im vorliegenden Verfahren erfolgte am 10.03.2017, also vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Jura Intensiv Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I 1 ZPO, 113 I FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 35, 40 FamFG. Die Antragstellerin hätte den Vergleich nicht binnen Jahresfrist anfechten müssen, denn es gibt keinen Vorrang der Anfechtung vor einer Geltendmachung von Schadensersatz, Münch.Komm./Armbrüster, BGB, § 124 Rn 9 Daher ist auch die Jahresfrist für Schadensersatzansprüche nicht zu beachten, BGH NJW 1998, 302f. Ausführungen zum Umfang des Schadensersatzanspruchs Abschluss eines Vertrages mit ungünstigem Inhalt als Schaden, wenn feststeht, dass der Vertrag ohne Täuschung mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre Die Antragstellerin hätte hier verschiedene Möglichkeiten; s. dazu Palandt/Sprau, BGB, vor § 823 Rn 24 Kurze Prüfung der hier nicht vorliegenden Verjährung Hätte sich der Prozess zwischen der Antragstellerin und der Bank so lange hingezogen, dass eine Verjährung droht, hätte sie dem Antragsteller auch in diesem Verfahren den Streit verkünden können. FAZIT Die Anforderungen an § 826 BGB sind so hoch, dass eine Klage in der Praxis selten Erfolg hat. § 826 BGB dient bei rechtskraftfähigen Titeln (Urteile oder Vollstreckungsbescheide) als ultima ratio, um durch Titelherausgabe sogar die Rechtskraft eines Titels zu durchbrechen. Prozessvergleiche sind zwar nicht der Rechtskraft fähig, dennoch ist die Entscheidung sehr lesenswert. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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