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RA Digital - 12/2019

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634 Referendarteil:

634 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2019 Die Daten sind aus der Originalentscheidung. Nehmen Sie an, dass die Entscheidung hier vor dem 30.09.2019 ergeht. Der streitige Klägervortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Vermeiden Sie beim streitigen Tatsachenvortrag die Verwendung von rechtlichen Wertungen. Beispiel: „K behauptet, B habe sich verpflichtet (…)“. „Verpflichtet“ beinhaltet eine rechtliche Wertung. Gemeint ist demgegenüber, dass K – tatsächlich – etwas zugesagt habe. Andernfalls sollte die Verpflichtung als Rechtsansicht dargestellt werden. Anträge werden eingerückt. Siehe hierzu: Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19 Dies sind die Anträge aus der Originalentscheidung. In der Klausur darf dazu geraten werden, das Gebäude entweder durch die postalische Adresse oder einer grundbuch-rechtlichen Zuordnung zu konkretisieren. „Echter“ Hilfsantrag; als innerprozessuale Bedingung zulässig, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 260 Rn 8; eine Entscheidung hierüber erfolgt lediglich dann, wenn der Hauptantrag unbegründet ist. Parteien nicht unterzeichneten Anlage zum Vertrag heißt es: „§ 4 Pachtbeginn, Pachtdauer: (1) Das Pachtverhältnis beginnt am 01.02.2015 oder früher (bei Eröffnung) und endet am 31.01.2017 nur dann, wenn der Pächter dies 5 Monate vor Ablauf dieses Datums schriftlich dem Verpächter mitteilt. (2) Macht der Pächter hiervon nicht Gebrauch so verlängert sich der Mietvertrag automatisch um weitere 3 Jahre und endet dann am 31.1.2020.“. Am 12.01.2015 begann K mit den Umbauarbeiten im Objekt. Mit dem Schreiben vom 22.01.2015 reichte das Bauaufsichtsamt der Stadt (…) den von B eingereichten Baugenehmigungsantrag vom 19.01.2015 zurück, weil dieser unvollständig war. Am 22.01.2015 erhielt K die Erlaubnis für den Betrieb der Gaststätte. Hiervon ausgenommen ist bis heute die gastronomische Nutzung der beiden kleineren bislang als Lager genutzten Räume und der hinteren Freifläche. Mit Schreiben vom 10.02.2019 kündigte B den streitgegenständlichen Vertrag zum Ablauf des 30.09.2019 gegenüber K. K behauptet, B habe zugesagt, die behördlichen Genehmigungen zu beschaffen, damit die beiden kleineren Räume von insgesamt 80 m² als Gastraum und die hintere Freifläche als Außengastronomie genutzt werden können und ferner, dass die fehlenden 200 Sitzplätze im Innen- und Außenbereich seit Eröffnung des Restaurantbetriebs im März 2015 zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen bei K geführt hätten. K ist zudem der Ansicht, er sei daher berechtigt, ab dem 01.05.2015 eine monatliche Minderung der Pacht von mindestens 1.350 € vorzunehmen, da die Pachtsache wegen des Fehlens der Baugenehmigung nicht vollständig der vertraglichen Vereinbarung entspreche. K beantragt, B zu verurteilen, die baurechtliche Genehmigung für die Nutzung der beiden vom Eingang aus gesehen linksliegenden Räume (insgesamt ca. 80 m² groß) als Gastraum und der hinter der Gaststätte liegenden Freifläche (die in dem anliegenden Lageplan als rote Fläche markiert ist) als Außengastronomie zu beschaffen, Jura Intensiv hilfsweise, festzustellen, dass K berechtigt ist, die Miete beginnend mit dem Monat Mai 2015 um einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Betrag, mindestens jedoch um 30 % der Bruttomiete (1.350 €), zu mindern, und zwar bis zur Beschaffung der im Antrag zu eins beschriebenen baurechtlichen Genehmigung durch die Beklagte. B beantragt, die Klage abzuweisen. Die Anträge der Widerklage erfolgen nach den Anträgen der Klage. Einheitsaufbau im Tatbestand, da einheitlicher Lebenssachverhalt Widerklagend beantragt B, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis für das Objekt mit der postalischen Bezeichnung (…) mit Ablauf des 30.09.2019 endet. K beantragt, die Widerklage abzuweisen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2019 Referendarteil: Zivilrecht 635 B erhebt die Einrede der Treuwidrigkeit und behauptet, dass die Baugenehmigung erst zu einem Zeitpunkt erteilt werden würde, an dem das Mietverhältnis bereits beendet wäre. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist im Hauptantrag unbegründet, hat aber im Hilfsantrag Erfolg. Die Widerklage ist zulässig und begründet. K hat keinen Anspruch gegen B, die im Klageantrag näher bezeichnete baurechtliche Genehmigung zu beschaffen. Der Anspruch ist gemäß dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Pachtvertrag zwar entstanden, aber aufgrund der Treuwidrigkeitseinrede gemäß § 242 BGB nicht durchsetzbar. [22] (…) Ein entsprechender Anspruch folgt aus § 1, § 2 Abs. 1 und § 3 des „Pachtvertrages“ i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB, wobei wegen § 582 Abs. 2 BGB offen bleiben kann, ob die Parteien der Sache nach einen Miet- oder Pachtvertrag geschlossen haben. [23] Gemäß des nach § 582 Abs. 2 BGB auch beim Pachtvertrag anwendbaren § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB wird durch den Mietvertrag der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Nach Satz 2 der Bestimmung hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. (…). Der Inhalt der Pflichten bestimmt sich wegen § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB („vertragsgemäßer Gebrauch“) in erster Linie nach dem Vertrag (…). Insoweit trifft den Vermieter eine Pflicht zur Herstellung des vertraglich geschuldeten Zustandes (…). Hiernach kann die Klägerin aus § 1, § 2 Abs. 1 und § 3 des „Pachtvertrages“ i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB die Einholung der geforderten baurechtlichen Genehmigungen fordern, soweit diese zur vertraglich geschuldeten Überlassung des Miet- beziehungsweise Pachtobjekts gehören. [24] Gemessen hieran kann die Klägerin im Grundsatz von der Beklagten die Beschaffung der begehrten baurechtlichen Genehmigung verlangen. Das Landgericht geht nämlich mit Recht davon aus, dass vertraglich eine Nutzbarkeit der beiden vom Eingang aus gesehen links liegenden Räume mit insgesamt etwa 80 m² als Gastraum und eine Nutzbarkeit der hinter der Gaststätte liegenden Freifläche als Außengastronomie geschuldet ist. Zu diesem Ergebnis führt eine Auslegung des Vertrages unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt. Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen (…). Ausgangspunkt einer Vertragsauslegung ist in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille (…). In einem zweiten Auslegungsschritt sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (…). Überdies ist der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung zu beachten (BGH, Urteil vom 7. Juni 1991 - V ZR 175/90, BGHZ 115, 1, zitiert juris Rn. 18; vom 31. Oktober 1995 - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, zitiert juris Rn. 8). Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (…). Jura Intensiv Einrede gemäß § 242 BGB als Beklagtenvortrag, Anders/Gehle, S. 30 f. Kurze Zusammenfassung aller Anträge, damit auch die der Klage und der Widerklage Urteilstil! Differenzierung zwischen Pacht- und Mietvertrag ist hier entscheidungsunerheblich, da § 581 II BGB auf die §§ 535 ff. BGB verweist. Palandt/Weidenkaff, BGB, § 535 Rn 31; BGH, NJW-RR 2007, 1021 Auslegung der empfangsbedürftigen Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB Palandt/Ellenberger, BGB, § 133 Rn 7; BGH, NJW 2010, 2422 BGH, NJW 1993, 721; BGH, NJW, 2001, 144; BGH, NJW 2010, 2422 Palandt/Ellenberger, BGB, § 133 Rn 15 ff; BGH, NJW 1981, 2295; BGH, NJW-RR 2000, 1002 BGH, NJW-RR 2006, 337 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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