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RA Digital - 12/2019

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656 Referendarteil:

656 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 12/2019 Anlass genommen, bauaufsichtlich gegen die Kläger einzuschreiten. Im Widerspruchsbescheid vom 07. November 2018 beruft sich der Stadtrechtsausschuss ausdrücklich darauf, es sei ermessensgerecht, die Nutzung zu untersagen bzw. die Beseitigung zu verfügen, wenn eine Anlage baurechtswidrig sei. Insbesondere bestehe die Gefahr der Nachahmung, sofern nicht eingeschritten würde. Diese Ermessenserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden und zwar unabhängig davon, ob der Verstoß auf § 34 Abs. 1 BauGB oder § 9 Abs. 2 Innenstadtsatzung gestützt wird. [...] Kein Ermessensfehler trotz der Auskunft des städtischen Mitarbeiters Eine solche Fallkonstellation mit den entsprechenden Einwänden der Betroffenen findet sich auch immer wieder in Examensklausuren. OVG Koblenz, Urteil vom 12. 6.2012, 8 A 10291/12.OVG, juris; Beschluss vom 2.8.2017, 8 A 11311/17.OVG Keine Schaffung eines Vertrauenstatbestandes OVG Koblenz, Beschluss vom 11.2.1998, 8 A 12941/97.OVG, und Urteil vom 13.12.1979, 1 A 68/77 Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Duldungszusicherung ist i.Ü. die Schriftlichkeit der Zusicherung, vgl. § 38 I 1 VwVfG. Dieser Einwand wird von Adressaten bauordnungsrechtlicher Verfügungen häufig erhoben. Regelmäßig geht es dabei allerdings um die Auseinandersetzung mit dem Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“, der im Bauordnungsrecht nach herrschender Auffassung nur eingeschränkt gilt: Die Behörde muss ihrer Entscheidung ein gewisses planerisches Konzept zugrunde legen und kann nicht einfach willkürlich Einzelfälle herausgreifen. Einen Ermessensfehler können die Kläger auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass ein Mitarbeiter der Beklagten von der Abteilung Mobilität und Verkehrsinfrastruktur keinerlei Einwände gegen ihr Vorhaben erhoben hat. Zwar kann sich das Gebrauchmachen von einer Eingriffsermächtigung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen, wenn sich eine Behörde damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt und schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen verletzt. So kann eine Bauaufsichtsbehörde dann am ermessensfehlerfreien Erlass einer Beseitigungsverfügung gehindert sein, wenn sie durch ihr vorangegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand beim Bauherrn geschaffen und dieser im Vertrauen darauf nicht unerhebliche und nur schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat (sog. „aktive Duldung“). Ein besonderes behördliches Verhalten, das zur Entstehung eines Vertrauensschutzes bei den Klägern geeignet gewesen wäre, ist hier nicht erkennbar. Dies folgt bereits daraus, dass die Auskunft nicht von einem Mitarbeiter der zuständigen Bauabteilung der Beklagten, sondern von einem Mitarbeiter der nicht zuständigen Abteilung Mobilität und Verkehrsinfrastruktur getätigt wurde. Ermessenseinschränkungen ergeben sich jedoch nicht aus Erklärungen anderer Behörden, die für die Bauaufsicht nicht zuständig sind. Es spielt daher auch keine Rolle, welche Aussage der betreffende Mitarbeiter konkret tatsächlich getätigt hat und ob es sich dabei gegebenenfalls um eine sog. Duldungszusicherung gehandelt hat. Jura Intensiv Ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben, weil die Beklagte gegen vergleichbare Bauvorhaben in der näheren Umgebung einschreitet. [...]“ FAZIT Zur Examensvorbereitung ist das Urteil des VG Neustadt a.d.W. bestens geeignet: Bauaufsichtliche Verfügungen sind häufig Gegenstand von Examensklausuren, da sie inzident die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bauwerks erfordern. Hierbei wird auch immer wieder die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Gestaltungssatzung verlangt, was Bearbeitern nicht selten Probleme bereitet. Vorliegend war bei der Frage nach der Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage die Kompetenz des Bundesgesetzgebers von der des Landesgesetzgebers abzugrenzen und damit eine staatsrechtliche Problemstellung zu prüfen. Zudem hatte sich das Gericht mit weiteren in Praxis und Klausuren typischen Einwänden der Betroffenen auseinanderzusetzen: Vertrauensschutz, Duldung und Verstoß gegen das Willkürverbot. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2019 STRAFRECHT Strafrecht 657 Problem: Mittäterschaft bei § 251 StGB Einordnung: Strafrecht AT II/Täterschaft und Teilnahme BGH, Beschluss vom 06.08.2019 3 StR 189/19 EINLEITUNG Der BGH musste sich im vorliegenden Beschluss mit den Voraussetzungen der Mittäterschaft, § 25 II StGB, im Rahmen der Erfolgsqualifikation gem. §§ 249 I, 251 StGB auseinandersetzen. Er betont insofern, dass die Tatherrschaft des Beteiligten im Ausführungsstadium hierfür nicht zwingend erforderlich, sondern nur eines der im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Kriterien sei. SACHVERHALT Der Angeklagte A wollte den Geschädigten G in seiner Wohnung ausrauben, da A bei diesem wertvolle Antiquitäten vermutete. A heuerte zu diesem Zweck V und W an, die G überfallen und ausrauben sollten. A hatte hierfür bereits einen detaillierten Plan entwickelt, den er den anderen unterbreitete und der von diesen akzeptiert und ausgeführt wurde. A fuhr V und W mit seinem Pkw zum Tatort, wo diese an der Wohnung des G klingelten. Nachdem dieser die Tür geöffnet hatte, drängten V und W den G in die Wohnung, überwältigten und fesselten ihn mit Textilklebeband (sog. „Panzertape“). Dabei umwickelten sie den Kopf des G komplett mit dem Textilklebeband, bohrten jedoch zwei Luftlöcher in das Band, um G ein Atmen durch die Nase zu ermöglichen. Diese Luftlöcher waren jedoch zu klein, um ein ausreichendes Atmen des G zu ermöglichen, sodass dieser qualvoll erstickte. Dies bemerkten V und W nicht, die mehrere Antiquitäten aus der Wohnung trugen. A wartete vor dem Haus, ließ V und W einsteigen und fuhr mit ihnen davon. Das gesamte Vorgehen während des Überfalls war so zwischen A, V und W abgesprochen. Mit einem Tod des G hatte keiner der drei gerechnet. Der Tatplan sah eigentlich vor, zunächst V und W aus der Tatbeute auszubezahlen. Den verbleibenden Teil wollte A zwischen sich und seiner Lebensgefährtin aufteilen. Hierzu kam es jedoch nicht, da A, V und W festgenommen wurden, bevor sie die Beute zu Geld machen konnten. Jura Intensiv Hat A sich wegen der Begehung von Verbrechen strafbar gemacht? LEITSÄTZE DER REDAKTION 1. Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 II StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. 2. Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördern der Beitrag sein, der sich auf eine Vorbereitungsoder Unterstüt zungshandlung beschränkt. 3. Die Frage, ob sich bei mehreren Tatbeteiligten das Handeln eines von ihnen als Mittäterschaft im Sinne von § 25 II StGB darstellt, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen; dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu. [Anm.: §§ 239a, 239b StGB sind nicht zu prüfen.] PRÜFUNGSSCHEMA: RAUB MIT TODESFOLGE, §§ 249 I, 251 StGB A. Tatbestand I. Grunddelikt: § 249 I StGB II. Qualifikation: § 251 StGB 1. Eintritt der schweren Folge (Tod eines anderen Menschen) 2. Kausalität Grunddelikt – schwere Folge 3. Unmittelbarkeitszusammenhang 4. Wenigstens Leichtfertigkeit bzgl. 1. B. Rechtswidrigkeit und Schuld © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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