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RA Digital - 12/2020

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628 Zivilrecht

628 Zivilrecht RA 12/2020 Ohne Zustimmung des Vermieters keine Beschaffenheitsvereinbarung Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 536 BGB Rn. 136b LG Berlin, Urteil vom 16.06.2016, 67 S 76/16 und vom 21.08.2019, 64 S 190/18: Keine stillschweigende Vereinbarung zur Freiheit von Baulärm. LG Berlin, Urteil vom 18.10.2013, 63 S 446/12 Weil konkrete Anhaltspunkte fehlen, ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Grundsätzlich können Lärmimmissionen ein Mietmangel sein. Es kommt nicht darauf an, ob die Mängel vom Vermieter verursacht wurden. Laute Objekte werden billiger vermietet. „Umweltbedingungen“ der Wohnung nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert. [16] Dem ist trotz gegenteiliger Stimmen - etwa von Eisenschmid (…) - zu folgen. Dass die meisten Mietobjekte nicht von erheblichen zusätzlichen Immissionen betroffen sein mögen, reicht entgegen den Urteilen des LG Berlin vom 16.06.2016 und vom 21.08.2019 nicht aus, um eine Freiheit von Baulärm als stillschweigend vereinbart anzusehen. [17] Andererseits ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bei Abschluss des Mietvertrages der Parteien im Jahre 2015 konkrete Anhaltspunkte für einen anstehenden Abriss und eine Neubebauung auf dem Nachbargrundstück erkennbar waren. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der Mieter bei Baulücken im innerstädtischen Bereich mit einer Bebauung rechnen muss und diese dann nicht zu einer Minderung führt (…). [18] Mangels (konkreter) Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache beantwortet sich „die Frage, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Wohnung gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in - gegebenenfalls ergänzender - Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehranschauung unter Beachtung des in § 242 normierten Grundsatzes von Treu und Glauben.“ (…) [19] Erhebliche Nutzungsbeeinträchtigungen durch Lärm können nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ohne weiteres einen Mangel einer gemieteten Wohnung darstellen (…). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des XII. und des X. Zivilsenats des BGH für Gewerberäume (…) und Ferienunterkünfte (…) [20] Zwar betreffen die vorstehend zitierten Urteile des VIII. Zivilsenats jeweils Lärmbeeinträchtigungen aus dem Gebäude, in dem die gemietete Wohnung liegt. Einem Mangel im Sinne von § 536 BGB steht aber nicht nach Treu und Glauben entgegen, dass es sich um Umwelteinwirkungen handelt, die nicht vom Vermieter verursacht worden sind. Gebrauchsbeschränkungen aufgrund von Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts fallen in seinen Risikobereich (…). Eine Mietminderung setzt kein Verschulden auf Seiten des Vermieters voraus, sondern der Mieter kann selbst dann mindern, wenn der Vermieter nicht über die Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels verfügt (…). [21] Es entspricht der Verkehrsanschauung, dass sich eine erhebliche Lärmbelastung gemieteter Räume tendenziell mietsenkend auswirkt. Die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnraum hängt gemäß § 558 Absatz 2 BGB von der „Lage“ ab und damit auch von Beeinträchtigungen durch Lärm (…). Dem entsprechend sehen die Orientierungshilfen für Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2020 Zivilrecht 629 die Spanneneinordnung zu den Berliner Mietspiegeln 2017 und 2019 das negative Wohnwertmerkmal „besonders lärmbelastete Lage“ und das positive Wohnwertmerkmal „besonders ruhige Lage“ vor. Der VIII. Zivilsenat des BGH hat im Urteil vom 19.12.2012 (…) zwar in einer vorübergehend erhöhten Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten keinen zur Minderung berechtigenden Mangel gesehen, aber zur Begründung auch darauf abgestellt, dass sie sich nach der im Mietspiegel aufgestellten Grenze im Rahmen des Üblichen hielt. Dass die nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellten Mietspiegel an die Lärmbelastung anknüpfen, rechtfertigt die Annahme, dass die Höhe der vereinbarten Miete regelmäßig davon abhängt, welches Immissionsniveau die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages zugrunde legen (…) Dies gilt auch für Gewerberäume, wenn die Immissionen - wie hier - für die vertraglich vorgesehene Nutzung relevant sind. Den Mitgliedern des erkennenden Senats ist aus der Befassung mit Gewerberaummietsachen über viele Jahre und insbesondere aus Sachverständigengutachten bekannt, dass die Lage eines Objekts ganz wesentliche Bedeutung für die Höhe der marktüblichen Miete hat. [22] Hier ist - wie zu Tz. 2 festgestellt - von Immissionen durch die Baustelle, insbesondere Lärm und auch Erschütterungen auszugehen, die deutlich über das in einer Nebenstraße der Berliner City übliche Maß hinausgehen. Als entscheidend sieht der erkennende Senat an, dass diese Einwirkungen der im Mietvertrag vereinbarten Nutzung als „Thai-Massagesalon“ sehr abträglich sind, insbesondere einem Entspannungseffekt der Massagebehandlungen. Die vertragsgemäße Nutzung ist insoweit schwerer betroffen, als es bei den meisten Einzelhandelsgeschäften der Fall wäre, und mindestens vergleichbar wie bei einer Wohn- oder Büronutzung. Die Tauglichkeit der gemieteten Räume zum vertragsgemäßen Gebrauch ist „unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung“ (s. o., Tz. 7) deutlich gemindert. Jura Intensiv Damit liegt ein Mietmangel gem. § 536 I BGB vor. Mithin ist die Minderung in der geltend gemachten Höhe auch berechtigt. Die Überzahlung der Miete erfolgte folglich aufgrund der Minderung in der Höhe des Minderungsbetrages ohne rechtlichen Grund. Lärmbelastete Lage und besonders ruhige Lage – beides beeinflusst die Mietpreisfindung. Das Urteil des BGH vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12 behandelt damit einen anderen Fall, weil sich im dortigen Fall der Lärm im Rahmen des Üblichen hielt. Thai-Massagen sollen der Entspannung dienen. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn die Wände wackeln. B. Ergebnis Die K können von B gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung der zuviel gezahlten Miete verlangen. FAZIT Wird die gemietete Liegenschaft durch Baulärm beeinträchtigt, ist zunächst zu prüfen, ob die Parteien ausdrücklich oder konkludent Lärmfreiheit vereinbart haben. Fehlen solche Abreden, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Dabei kommt es entscheidend auf die Lage des Objektes und die Art der Nutzung des Objektes an. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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