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RA Digital - 12/2020

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638 Referendarteil:

638 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2020 Der streitige Parteivortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Hier erfolgen nur Rechtsansichten. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Zum 1. Antrag: „Erfinden Sie das Rad nicht neu“. Verwenden Sie die Formulierung in Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 732 Rn 2. Zweiter Antrag gemäß § 732 II ZPO Klagen werden abgewiesen, Anträge werden zurückgewiesen. Urteilsstil ((…), denn (…)) Vgl. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 732 Rn 5, 7. Im Rahmen der Zulässigkeit sollten stets Ausführungen zur Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs sowie zum Rechtschutzbedürfnis erfolgen. Formgerecht bedeutet hier gemäß § 726 I ZPO, dass der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden muss. Dies dient nur der Klarstellung dahingehend, wie das materiell-rechtliche Erfordernis der Kündigung der Grundschuld prozessual auf die Klauselerteilung wirkt. Eine qualifizierte Klausel war hier nicht Streitgegenstand. 1. Ob eine qualifizierte Klausel erforderlich ist, ergibt sich durch Auslegung. 2. Umfang und Grenzen der Auslegung ergeben sich aus dem Titel selbst. Hierzu: BGH, Beschluss vom 29.06.2011, VII ZB 89/10 Rn 22 ff. 3. Gesetzliche Regeln können ebenfalls berücksichtigt werden, wenn sich deren Anwendbarkeit aus dem Titel ebenfalls ergibt. S ist der Rechtsansicht, N habe die Klausel nicht erteilen dürfen. S beantragt, 1. die Zwangsvollstreckung aus der für die vollstreckbare notarielle Urkunde des Notars N von diesem Notar erteilten Vollstreckungsklausel vom (…) für unzulässig zu erklären, 2. die Zwangsvollstreckung aus der für die vollstreckbare notarielle Urkunde des Notars N von diesem Notar erteilten Vollstreckungsklausel vom (…) einstweilen einzustellen. G beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen. II. Die Klauselerinnerung ist zulässig, aber unbegründet. Die Erinnerung ist gemäß § 732 I ZPO statthaft. S behauptet Fehler formeller Art dahingehend, dass die Voraussetzungen der §§ 724 ff. ZPO zum Zeitpunkt der Klauselerteilung durch N nicht vorlagen. Zudem besteht das Rechtsschutzbedürfnis für S. Die Vollstreckungsklausel ist durch N erteilt und die Vollstreckung ist noch nicht beendet. Die Klauselerinnerung ist unbegründet. N hat die Vollstreckungsklausel gemäß §§ 724 I, 797 II 1 ZPO rechtmäßig erteilt. Insbesondere bedarf es keiner qualifizierten Vollstreckungsklausel gemäß § 726 I ZPO. Es handelt sich bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 I 1 BGB grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung im Sinne des § 726 I ZPO, wenn sich S in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Eine qualifizierte Klausel gemäß § 726 I ZPO hätte N erst mit formgerechtem Nachweis der Fälligkeit der Grundschuld erteilen dürfen. [16] Das Klauselerteilungsorgan ist verpflichtet, durch Auslegung des Titels zu ermitteln, ob dessen Vollstreckbarkeit seinem Inhalt nach vom Eintritt einer vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache abhängt. Der Auslegung sind allerdings durch die Formalisierung des Klauselerteilungsverfahrens Grenzen gesetzt. Da der Vollstreckungstitel Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festlegt und der Schuldner staatlichen Zwang nur nach dieser Maßgabe zu dulden hat, muss eine im Klauselerteilungsverfahren zu berücksichtigende Abhängigkeit der Vollstreckbarkeit nach § 726 Abs. 1 ZPO durch den Titel selbst festgestellt sein und sich klar aus diesem ergeben. Bei der Auslegung kann nicht auf außerhalb des Titels liegende Umstände abgestellt werden. Im Grundsatz muss der Titel daher aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. BGH (…)). Dabei können auch gesetzliche Regelungen Berücksichtigung finden, sofern sich deren Anwendbarkeit aus dem Titel zweifelsfrei ergibt. Nach diesen Maßstäben ist auch das Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beachten, wenn sich aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde, die aufgrund einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung einen Titel darstellt (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), nichts Abweichendes ergibt. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2020 Referendarteil: Zivilrecht 639 Das materielle Kündigungserfordernis ist dann zugleich Vollstreckungsbedingung (vgl. Volmer, MittBayNot 2009, 1, 6 f.; Musielak/Voit/ Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 726 Rn. 3; MünchKommBGB/Lieder, 8. Aufl., § 1193 Rn. 5). Enthält die Grundschuldbestellungsurkunde außerdem die Erklärung, dass dem G ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann, hat das Klauselerteilungsorgan allerdings auf Antrag eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen. [18] Ob dieser Nachweisverzicht aus materiell-rechtlichen Erwägungen unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen und kann deshalb vom Schuldner nicht mit Erfolg mit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend gemacht werden. Der Prüfungsumfang im Klauselerinnerungsverfahren entspricht insoweit demjenigen im Klauselerteilungsverfahren, auf dessen Überprüfung es ausgerichtet ist. Was vom Klauselerteilungsorgan aufgrund des eingeschränkten Prüfungsprogramms im Klauselerteilungsverfahren nicht zu prüfen ist, kann im Erinnerungsverfahren nicht zur Überprüfung gestellt werden (…). [19] Die Erklärung eines solchen Nachweisverzichts ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 54/05, (…)), da sich der Verzicht nur auf das Klauselerteilungsverfahren bezieht und damit lediglich der Vereinfachung des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen dient (BGH, (…)). Eine materiellrechtliche Wirkung geht mit dem Nachweisverzicht nicht einher, Einwendungen gegen den Anspruch selbst bleiben dem Schuldner erhalten. Der Verzicht auf den Nachweis führt dazu, dass das Klauselerteilungsorgan ohne Prüfung des Eintritts der betreffenden Tatsache eine einfache Vollstreckungsklausel zu erteilen hat. Die materielle Bedingung verliert hierdurch ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung (vgl. Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl., Rn. 17.24 f., 17.45). Jura Intensiv Weitere von N zu beachtende Vorschriften bestanden nicht. Insbesondere musste N die Klausel „Es wird auf den Nachweis der Tatsachen verzichtet, die das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld und der Nebenleistung bedingen.“ nicht einer Überprüfung gemäß §§ 305 ff. BGB unterziehen. [22] Ob der Nachweisverzicht bei Bestellung einer Sicherungsgrundschuld mit Unterwerfungserklärung aus materiell-rechtlichen Erwägungen - beispielsweise gemäß oder entsprechend § 134 BGB oder §§ 307 ff. BGB - unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren aufgrund des in diesem Verfahren eingeschränkten Prüfungsmaßstabs grundsätzlich nicht zu prüfen. Weder der Notar noch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sind im Klauselerteilungsverfahren zu einer umfassenden materiellrechtlichen Würdigung berufen (vgl. BGH (…)). Daher können etwaige Auswirkungen des Sinns und des Zwecks des § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB auf vollstreckungsrechtliche Erklärungen nicht im Klauselerteilungsverfahren und dementsprechend nicht im Klauselerinnerungsverfahren berücksichtigt werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. 4. Ergibt sich aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde nichts Abweichendes, ist das materiellrechtliche Kündigungserfordernis zugleich Vollstreckungsbedingung. Hierzu ausführlich: BGH, Beschluss vom 07.10.2020, VII ZB 56/18 Rn 17: „Die Erklärung eines solchen Nachweisverzichts ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zulässig (…), da sich der Verzicht nur auf das Klauselerteilungsverfahren bezieht und damit lediglich der Vereinfachung des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen dient (…). Eine materiell-rechtliche Wirkung geht mit dem Nachweisverzicht nicht einher, Einwendungen gegen den Anspruch selbst bleiben dem Schuldner erhalten. Der Verzicht auf den Nachweis führt dazu, dass das Klauselerteilungsorgan ohne Prüfung des Eintritts der betreffenden Tatsache eine einfache Vollstreckungsklausel zu erteilen hat. Die materielle Bedingung verliert hierdurch ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung.“ BGH, Urteil vom 22.07.2008, XI ZR 389/07 Die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 I ZPO ist daher statthaft. Statthaftigkeit des Eilantrages (entsprechend dem in diesem Verfahren gemäß § 734 II ZPO) ergäbe sich aus § 769 I 1 ZPO. Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens BGH, Beschluss vom 16.4.2009, VII ZB 62/08 Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 97 ZPO, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 732 Rn 12. Die Erwähnung der Rechtsgrundlage für die Streitwertfestsetzung ist zulässig, da der Streitwert in Beschlüssen ebenfalls tenoriert wird. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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