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RA Digital - 12/2020

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666 Strafrecht

666 Strafrecht RA 12/2020 Problem: Ausdruck eines veränderten Scans als Urkunde Einordnung: Strafrecht BT II/Urkundsdelikte BGH, Urteil vom 27.05.2020 5 StR 433/19 LEITSÄTZE DER REDAKTION 1. Das Gebrauchen gefälschter Fotokopien erfüllt grundsätzlich nicht den Tatbestand einer Urkundenfälschung nach § 267 I StGB. 2. Verfälscht der Täter mittels eines Computers eine eingescannte Urkunde, so ist deren Ausdruck keine inhaltlich falsche Kopie, sondern eine unechte Urkunde i.S.v. § 267 I StGB. EINLEITUNG Der BGH prüft im vorliegenden Urteil die Urkundsqualität des Ausdrucks eines Scans, der vorher am Computer verändert wurde. SACHVERHALT Die Angeklagten A und J wollten Immobilien durch Dritte ankaufen lassen, um diese dann möglich günstig von diesen kaufen zu können. Dazu suchten sie nach unerfahrenen Kaufinteressenten, die nicht über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten für den Erwerb verfügten, denen der Erwerb mit Rückvergütungen („Kick-Backs“) aus dem Veräußerungserlös „schmackhaft“ gemacht werden sollte. Sobald ein Käufer gefunden war, ließ sich A dessen Gehaltsabrechnungen und Kontoauszüge geben, da er als erfahrener Darlehensvermittler wusste, wie hoch das Nettoeinkommen des betreffenden Erwerbers für die Bewilligung des erwünschten Kredits sein musste. Um diese – in keinem Fall erfüllte – Voraussetzung für die Darlehensgewährung zu schaffen, beauftragten A und J den bei einer von J beherrschten Gesellschaft als Bauzeichner angestellten Ha, die vorhandenen Gehaltsabrechnungen und Kontoauszüge der Erwerber entsprechend abzuändern und so Belege für ein ausreichendes Nettoeinkommen herzustellen. Als Vorlage für die Fälschungen verwendete Ha die von den Erwerbern vorgelegten Unterlagen, die er digitalisierte und anschließend mit einem Firmencomputer manipulierte. A reichte die gefälschten Unterlagen – mit Wissen und Billigung des J – und den jeweiligen Entwurf des notariellen Kaufvertrags an einen zuständigen Mitarbeiter des betreffenden Kreditinstituts weiter, um die zur Umsetzung des Tatplans notwendige Bewilligung des Darlehens zu erreichen. Jura Intensiv Haben A und J sich durch das Einreichen der Unterlagen wegen mittäterschaftlicher Urkundenfälschung, §§ 267 I, 25 II StGB, strafbar gemacht? PRÜFUNGSSCHEMA: MITTÄTERSCHAFTLICHE URKUNDENFÄLSCHUNG, §§ 267 I, 25 II StGB A. Tatbestand I. Urkunde II. Tathandlung 1. Herstellen einer unechten Urkunde (§ 267 I 1. Fall StGB 2. Verfälschen einer echten Urkunde (§ 267 I 2. Fall StGB) 3. Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde (§ 267 I 3. Fall StGB) III. Mittäterschaft, § 25 II StGB IV. Vorsatz bzgl. I. bis III. V. Täuschungsabsicht B. Rechtswidrigkeit und Schuld Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2020 Strafrecht 667 LÖSUNG Durch das Einreichen der gefälschten Unterlagen bei den Kreditinstituten könnten A und J sich wegen mittäterschaftlicher Urkundenfälschung gem. §§ 267 I 3.Fall, 25 II StGB strafbar gemacht haben. A. Tatbestand I. Urkunde Bei den Ausdrucken der gefälschten Unterlagen müsste es sich um Urkunden handeln. Urkunde ist jede verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und einen Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion). Fotokopien (und somit auch die Ausdrucke von an einem Computer gefertigten Scans) stellen nach h.M. grundsätzlich keine Urkunden dar, da sie keinen eigenen Aussteller erkennen lassen und auch keine eigene Gedankenerklärung enthalten, sondern allenfalls diejenigen des Originals reproduzieren. Auch die Beweiseignung und –be stimmung ist bei Kopien grundsätzlich nicht gegeben. „[14] Das Landgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das Gebrauchen gefälschter Fotokopien grundsätzlich nicht den Tatbestand einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB erfüllt. Es hat aber übersehen, dass durch die mittels eines Computers vorgenommene Verfälschung der Gehaltsrechnungen und Kontoauszüge sowie deren Ausdruck nicht inhaltlich falsche Kopien, sondern unechte Urkunden im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB hergestellt wurden.“ Bei den Ausdrucken handelt es sich also um Urkunden. II. Tathandlung: Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde (§ 267 I 3. Fall StGB) Bei den Ausdrucken handelt es sich um unechte Urkunden (s.o.). Diese Urkunden müssten A und J gebraucht haben, d.h. sie müssten diese einem anderen so zugänglich gemacht haben, dass dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte. A hat die Urkunden an die zuständigen Mitarbeiter der Kreditinstitute gesandt und sie diesen so zur Kenntnisnahme zugänglich gemacht; er hat die Urkunden somit gebraucht. „[14] […] Für das Gebrauchen unechter Urkunden gemäß § 267 Abs. 1 StGB ist es […] ohne Belang, ob der Angeklagte A den zuständigen Mitarbeiter des betreffenden Kreditinstituts die Urkunden selbst oder von ihnen gefertigte Kopien derselben vorgelegt hat.“ A hat also unechte Urkunden gebraucht. Jura Intensiv BGH, Beschluss vom 09.03.2011, 2 StR 428/10, NStZ-RR 2011, 213; Schönke/Schröder, StGB, § 267 Rn 42a Vgl. hierzu Schneider, JURA INTENSIV, Strafrecht BT III, Rn 155 ff. BGH, Urteil vom 11.05.1971, 1 StR 387/70, NJW 1971, 1812 BGH, Beschluss vom 27.01.2010, 5 StR 488/09, NStZ 2010, 703; Beschluss vom 28.07.1999, 5 StR 684/98, NStZ Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht. BGH, Urteil vom 05.05.2004, 5 StR 548/03, NJW 2005, 2720; Fischer, StGB, § 267 Rn 24; a.A.: Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT II, § 65 Rn 69 Vgl. hierzu Schneider, JURA INTENSIV; Strafrecht BT III, Rn 278 ff. III. Mittäterschaft, § 25 II StGB Der Gebrauch der Urkunden ist ausschließlich durch A erfolgt. J müsste sich die Handlung des A jedoch gem. § 25 II StGB zurechnen lassen, wenn A und J Mittäter i.S.v. § 25 II StGB wären. „[15] Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen ist der Gebrauch der gefälschten Unterlagen durch den Angeklagten A dem um die Unechtheit der Urkunden wissenden Angeklagten J gemäß § 25 Abs. 2 [StGB] © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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