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RA 01/2018 - Entscheidung des Monats

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6 Zivilrecht

6 Zivilrecht RA 01/2018 LÖSUNG A. K gegen B gem. § 631 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Beförderung im Streckennetz der B auf den Strecken Frankfurt (FRA) – Bangkok (BKK) (Hinflug) und Bangkok (BKK) – Frankfurt (FRA) (Rückflug) jeweils mit Transitaufenthalt in Kuwait City (KM) gem. § 631 I BGB haben. Das LG Frankfurt am Main sah keine Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO im vorliegenden Rechtsstreit, weil die Beklagte ihren Sitz nicht in der EU hat. Einordnung des Beförderungsvertrags als Werkvertrag gem. § 631 BGB Weil das LG Frankfurt am Main das Urteil nicht nummeriert hat, lassen wir zu Ihrer Orientierung die Randnummern aus der juris-Veröffentlichung bestehen. I. Anwendbares Recht Gem. Art. 5 II ROM-I-VO ist in Ermangelung einer anderslautenden Rechtswahl das Recht des Staates anwendbar, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. K hat seinen Wohnsitz in Berlin. Damit ist auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien deutsches Recht anwendbar. II. Anspruch entstanden Es müsste ein wirksamer Werkvertrag zwischen K und B zustande gekommen sein. Bei dem Beförderungsvertrag könnte es sich um einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB oder um einen Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB handeln. Das Abgrenzungskriterium ist der bei dem Werkvertrag geschuldete Erfolg, d.h. die Herbeiführung eines vereinbarten, gegenständlich fassbaren Arbeitsergebnisses. Bei einem Flug mit einem Passagierflugzeug liegt der Schwerpunkt auf der Beförderung zum Zielort, geschuldet wird also ein Erfolg. Es ist mithin von einem Werkvertrag gem. § 631 I, II Alt. 2 BGB („durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg“) auszugehen. „[37] [Auch] haben die Parteien einen Vertrag über die Beförderung des K von Frankfurt am Main nach Kuwait und von dort nach Bangkok und zurück geschlossen. Nach dem Vortrag beider Parteien erfolgte die Buchung durch K über das Internetportal Y.de, wobei das Internetportal als Vermittler der Willenserklärungen auf Abschluss eines Beförderungsvertrages auftrat. Durch die Buchungsbestätigung des Internetvermittlers hat B das Angebot auf Abschluss eines Beförderungsvertrages angenommen.“ Ein wirksamer Werkvertrag gem. § 631 BGB liegt damit vor. K steht damit ein Anspruch auf Beförderung im Streckennetz der B auf den Strecken Frankfurt (FRA) – Bangkok (BKK) und zurück jeweils mit Transitaufenthalt in Kuwait City zu. II. Anspruch erloschen Der Anspruch könnte jedoch gem. § 275 I BGB aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit erloschen sein. Definition der rechtlichen Unmöglichkeit i.S.d. § 275 I BGB „[39] Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. Im konkreten Fall einschlägig ist die 2. Alternative der Definition. Denn B ist es verboten, die nach dem Vertrag geschuldete Leistung zu erbringen. [40] Nach dem von B vorgelegten Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 des Staates Kuwait, dessen Existenz K nicht bestreitet, ist es juristischen Personen des Staates Kuwait untersagt, Vereinbarungen mit Personen zu schließen, die die israelische Staatsangehörigkeit besitzen (Art. 1 S. 1 des Gesetzes). B unterfällt dieser Bestimmung. Sie ist eine juristische Person © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2018 Zivilrecht 7 des Staates Kuwait mit Sitz in Kuwait-Stadt. Auch der mit K geschlossene Beförderungsvertrag unterfällt dieser Vorschrift. Denn unstreitig besitzt er die israelische Staatsangehörigkeit. [41] Unerheblich ist, dass dieses Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland nicht gültig ist und auf das Rechtsverhältnis der Parteien deutsches Recht anwendbar ist. Maßgeblich im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 275 I BGB ist vielmehr, dass sich B und die für sie handelnden Personen nach den Gesetzen ihres Staates strafbar machen würden, wären sie verpflichtet, die ihnen aus dem Beförderungsvertrag geschuldeten Leistungen zu erbringen. [42] Gem. Art. 6 des Gesetzes Nr. 21 wird die Missachtung der Regelungen in Art. 1 mit Gefängnisstrafe, harter Gefängnisarbeit und mit Geldstrafe bestraft. [43] Es ist einer Vertragspartei auch im Rahmen der Geltung deutscher Gesetze nicht zumutbar, Leistungspflichten aus einem Vertrag zu erfüllen, wenn sie damit einen Gesetzesverstoß nach den Regeln des eigenen Staates begeht und sie deswegen damit rechnen muss, nach den Gesetzen des eigenen Staates bestraft zu werden (vgl. bei persönlichen Leistungspflichten § 275 III BGB). [44] Unerheblich ist ferner, dass sich B durch die Vereinbarung einer Leistungsverpflichtung, die sie nicht erfüllen kann, schadensersatzpflichtig gemacht haben kann. Schadensersatz statt der Leistung verlangt der Kläger nicht. Er begehrt Erfüllung, keinen Schadensersatz. Möglicherweise folgt eine Leistungspflicht der B allerdings aus § 21 II 3 LuftVG. Danach sind Luftfahrtunternehmen, die Linienverkehr betreiben, außer im Falle der Unzumutbarkeit jedermann gegenüber verpflichtet, Beförderungsverträge abzuschließen und ihn im Rahmen des veröffentlichten Flugplanes zu befördern. „[45] Zwar betreibt B die Flugverbindungen von Frankfurt am Main nach Kuwait im Rahmen ihres Linienverkehrs und wäre deswegen verpflichtet, gegenüber jedermann Beförderungsverträge abzuschließen und Personen im Rahmen des veröffentlichten Flugplanes zu befördern. Allerdings steht die Beförderungsverpflichtung unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. B ist es jedoch unzumutbar, K zu befördern, wenn sie dadurch nach den Regeln ihres Staates einen Gesetzesverstoß begehen würde und deswegen sie oder die für sie handelnden Personen damit rechnen müssten, bestraft zu werden. [46] Ob etwas anderes gelten müsste, wenn K, außer durch die Beförderung durch B, nicht zu seinem gewünschten Zielort gelangen könnte, kann dahin stehen. Wie K mehrfach betont hat, beabsichtigt er eine private Urlaubsreise nach Bangkok. Um an den Zielort Bangkok zu gelangen, ist er auf die Beförderung durch B nicht angewiesen. Es gibt - gerichtsbekannt - zahlreiche Fluggesellschaften, die sowohl Frankfurt am Main als auch Bangkok anfliegen und die K von Frankfurt am Main nach Bangkok befördern könnten.“ Eine Beförderungspflicht der B folgt auch nicht aus dem Diskriminierungsverbot, aus der Anwendbarkeit der EMRK oder dem Grundsatz von Treu und Glauben. Berücksichtigung der Vorgaben des kuwaitschen Gesetzes notwendig Ältere Juristen, die einen großen Teil der Prüfer bilden, denken in solchen Fällen automatisch an den berühmten „Revolutionsfall“ des BGH, Urteil vom 08.02.1984, VIII ZR 254/82. Dort hatten die Parteien vor der iranischen Revolution durch Chomeini einen Vertrag über die Lieferung von Bier in den Iran geschlossen. Weil das Bier der ersten Lieferung mangelhaft war, schlossen sie einen Vergleich, der zur Lieferung einer noch größeren Menge Bier in den Iran verpflichtete. Die Lieferung konnte wegen des zwischenzeitlich verhängten Importverbotes nicht mehr ausgeführt werden. Das Gericht erkannte beim Vergleich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage und passte den Vertrag an. Auch aus § 21 II 3 LuftVG folgt keine Beförderungspflicht der B, da es eine Vielzahl anderer Flugmöglichkeiten von Frankfurt am Main nach Bangkok gibt Ein schönes Beispiel für eine im Sinne des § 291 ZPO offenkundige Tatsache. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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