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RA 01/2019 - Entscheidung des Monats

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2 Zivilrecht

2 Zivilrecht RA 01/2019 LÖSUNG A. K gegen B gem. §§ 549 I, 546 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Erdgeschosswohnung gem. §§ 549 I, 546 I BGB haben. Gem. § 566 BGB wird der neue Eigentümer auch Vermieter. § 576a I 1 BGB erleichtert die Kündigung. Das vereinbarte „lebenslange Wohnrecht“ könnte sich auf § 576a I 1 BGB auswirken. Die zwischen K und der Stadt Bochum getroffene Abrede in Ziffer 2b) des notariellen Kaufvertrags ist nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. B sollte das eigene Recht gerade auch K gegenüber zustehen. Wörtliche Auslegung In der Vereinbarung ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB zu sehen. Ziel ist die Sicherstellung der Versorgung des besonders schutzwürdigen Mieters B. I. Vorliegen eines Mietverhältnisses K schloss im Jahr 1981 mit der Stadt Bochum einen Mietvertrag über die Erdgeschosswohnung eines Siedlungshauses. In diesen ist B gem. § 566 I BGB eingetreten. Ein Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB liegt damit zwischen den Parteien vor. II. Beendigung gem. § 542 I BGB Das Mietverhältnis über die Erdgeschosswohnung müsste aufgrund der Kündigung vom 25.02.2015 beendet worden sein. Gem. § 576a I 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses i.S.d. § 573 BGB bedarf. Fraglich ist, ob dieser erleichterten Kündigung vorliegend das im notariellen Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und K individuell vereinbarte lebenslange Wohnrecht des B entgegensteht. Es könnte sich dabei um einen echten Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB handeln, der dem B eigene Rechte gegenüber K einräumt und eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB sowie nach § 573a BGB ausschließt. „[19] Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bildet der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung; darüber hinaus sind insbesondere der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu beachten, ferner die sonstigen Begleitumstände, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. [20] In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht die in § 2 b) enthaltenen Regelungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass mit dem dort genannten lebenslangen Wohnrecht des B und dem Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs und wirtschaftlicher Verwertung nicht nur eine Verpflichtung des K gegenüber der Stadt Bochum, sondern eigene Rechte des B begründet werden sollten, die er K direkt entgegenhalten konnte. [21] Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden lebenslangen Wohnrecht des Mieters und einer Übernahme des Mietverhältnisses durch K die Rede ist, deutet darauf hin, dass B auf diese Weise eine gesicherte Rechtsposition auch gegenüber K als Käufer eingeräumt werden sollte und B ihren bisherigen Wohnraum nicht verlieren sollte, sofern er dies nicht selbst zu vertreten hätte. [22] Die hohe Schutzbedürftigkeit des B als langjährigen Mieter, die sich zusätzlich daraus ergibt, dass ihm ein Bergmannsversorgungsschein erteilt ist, sowie die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler Eigentümer und Veräußerer sprechen ebenfalls dafür, dass mit dieser Regelung eine Absicherung in der Form einer unmittelbaren Wirkung des Kündigungsausschlusses dem K gegenüber gewollt war. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2019 Zivilrecht 3 [23] Aus dem Umstand, dass der ursprünglich zwischen der Stadt Bochum und B abgeschlossene Mietvertrag ein lebenslanges Wohnrecht nicht vorsah, ergibt sich keineswegs, dass die Regelung in § 2 b) des Kaufvertrages widersprüchlich oder gar wegen „Perplexität“ unwirksam wäre. Im Gegenteil unterliegt es bei verständiger Betrachtung keinem Zweifel, dass mit der kaufvertraglichen Regelung ein lebenslanges Wohnrecht des Mieters und dessen Übernahme durch den Käufer im Rahmen des Übergangs des Mietverhältnisses festgelegt werden sollte; dies wird durch die weiteren Sätze, nach denen eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags seitens des K ausgeschlossen ist, eindeutig bestätigt. [24] Diesen auf einen umfassenden Schutz des Mieters abzielenden Regelungen des Kaufvertrages hat das Berufungsgericht zu Recht entnommen, dass B mit dem Wohnrecht im Wege eines (echten) Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) ein unmittelbares Recht gegen K erwerben sollte, das noch zusätzlich dadurch abgesichert war, dass K bei einem Verstoß gegen die Mieterschutzbestimmung empfindliche finanzielle Belastungen durch die nach dem Kaufvertrag von ihnen zu tragenden Folgekosten drohten. [25] Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge, eine besondere Schutzbedürftigkeit des B sei deshalb zu verneinen, weil dieser schon durch die gesetzlichen Regelungen des Mietrechts, etwa § 573 BGB, ausreichend geschützt seien. Die Revision verkennt insoweit, dass es in dem Kaufvertrag gerade darum ging, zugunsten des langjährigen Mieters der Stadt Bochum einen über § 573 BGB hinausgehenden Schutz vor ordentlichen Vermieterkündigungen zu gewähren, die ihren Grund nicht in einem vertragswidrigen Verhalten der Mieter haben. [26] Schließlich hat das Berufungsgericht die vorgenannten Regelungen zutreffend dahingehend ausgelegt, dass diese auch eine Kündigung gem. § 573a I 1 BGB - wie hier vorliegend - ausschließen. Zwar wird die erleichterte Kündigungsmöglichkeit des im selben Hause wohnenden Vermieters gemäß § 573a I 1 BGB im Kaufvertragstext nicht (ausdrücklich) angesprochen. Jedoch wird schon aus der Formulierung „insbesondere“ deutlich, dass es sich bei den benannten Kündigungen wegen Eigenbedarfs (§ 573 II Nr. 2 BGB) und wegen der Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 II Nr. 3 BGB) nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Da eine Kündigung gemäß § 573a BGB gerade keine Pflichtverletzung oder ein Verschulden auf Mieterseite voraussetzt, wird schließlich auch durch die im Vertragstext folgende Regelung, wonach „lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen“ möglich sein soll, besonders deutlich, dass auch die Kündigung gem. § 573a I 1 BGB vom Kündigungsausschluss mitumfasst ist.“ Mithin steht der (erleichterten) Kündigung des Mietvertrages das im notariellen Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und K zugunsten des B vereinbarte lebenslange Wohnrecht entgehen. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Erdgeschosswohnung gem. §§ 549 I, 546 I BGB. Das Gericht vermag keine Widersprüche im Vertrag zu entdecken und erkennt das „lebenslange Wohnrecht“ des B. B steht aus diesem „Wohnrecht“ gegen K ein eigenes Recht zu, welches er der Kündigung nach § 573a I 1 BGB entgegenhalten kann. Die Vereinbarung sollte B über die gesetzliche Regelung des § 573 BGB hinaus schützen. Der Umstand, dass die erleichterte Kündigung nach § 573a I 1 BGB nicht ausdrücklich in die Abrede aufgenommen wurde, ist unschädlich. Es handelt sich aufgrund des Wortlauts „insbesondere“ um keine abschließende Aufzählung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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