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RA 01/2020 - Entscheidung des Monats

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Seit dem prägenden Urteil des BGH vom 03.02.2010, XII ZR 189/06, können Eltern die Geschenke, welche sie geschiedenen Ehegatten oder ehemaligen Lebensgefährten eigener Kinder gemacht haben, im Einzelfall zurückfordern.

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RA 01/2020 ZIVILRECHT Zivilrecht 1 Problem: Rückforderung von Geschenken vom ehemaligen Lebensgefährten der Tochter Einordnung: Schuldrecht, Familienrecht BGH, Urteil vom 18.06.2019 X ZR 107/169 (leicht verkürzt) EINLEITUNG Seit dem prägenden Urteil des BGH vom 03.02.2010, XII ZR 189/06, können Eltern die Geschenke, welche sie geschiedenen Ehegatten oder ehemaligen Lebensgefährten eigener Kinder gemacht haben, im Einzelfall zurückfordern. Der X. Senat des BGH löst den hier vorgestellten Fall nicht im Wege der Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB mit Anrechnung der teilweisen Zweckerreichung, sondern gewährt ein Rücktrittsrecht gem. § 313 III 1 BGB, bewusst und aus Überzeugung. Das Urteil stellt somit eine Weiterentwicklung dar. SACHVERHALT K ist die Mutter der ehemaligen Lebensgefährtin (L) des B. Die Beziehung und nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen L und B bestand seit 2002. Im Jahr 2011 kauften L und B ein Hausgrundstück zum gemeinsamen Wohnen. Beide erwarben hälftiges Miteigentum. K wandte ihnen zur Finanzierung einen sechsstelligen Betrag zu. Am 28.02.2013 trennten sich L und B. Am 13.01.2014 begehrte K die Hälfte der zugewandten Beträge zurück. B wendet ein, die Zuwendungen seien mit Ausnahme eines Betrags von 2.000 € unentgeltlich erfolgt. Hiervon hat er 1.400 € zurückgezahlt. 600,- € erkennt er an und verweigert im Übrigen die Zahlung. K besteht auf Zahlung des Restbetrages. Zu Recht, wenn zu unterstellen ist, dass K dem B und der L das Geld hälftig geschenkt hat? LÖSUNG A. Anspruch K gegen B auf Rückzahlung gem. §§ 530, 531 II, 812 I 2 Alt. 1 BGB Damit K einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung gem. §§ 530, 531 II, 812 I 2 Alt. 1 BGB hat, muss sich B wegen einer schweren Verfehlung groben Undanks gegenüber K schuldig gemacht haben. Hierzu ist eine zweistufige Prüfung erforderlich: Zunächst ist die Frage zu klären, was der Schenker objektiv an Dankbarkeit hätte erwarten dürfen. Sodann ist zu untersuchen, ob sich das Verhalten des Beschenkten aus Sicht des Schenkers (subjektiv) als Ausdruck einer undankbaren Einstellung darstellt. Das Ende der Liebesbeziehung und Lebensgemeinschaft mit der Tochter stellt weder ein Verhalten dar, das sich gegen die Schenkerin richtet, noch ist es im konkreten Fall Anknüpfungspunkt für den Vorwurf moralisch zu missbilligenden Verhaltens gegenüber der Schenkerin. Die Trennung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dürfen Eltern oder Schwiegereltern regelmäßig nicht für rücksichtslos halten. Die Voraussetzungen des § 530 BGB liegen nicht vor, weshalb ein Anspruch auf Rückzahlung gem. §§ 530, 531 II, 812 I 2 Alt. 1 BGB ausscheidet. LEITSÄTZE 1. Die vom (mit-)beschenkten Partner des eigenen Kindes geteilte oder jedenfalls erkannte Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages bilden. 2. Die Schenkung begründet jedoch kein Dauerschuldverhältnis. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reicht es deshalb nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. 3. In diesem Fall ist der Schenker in der Regel berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und das gesamte Geschenk oder dessen Wert zurückzufordern. Prägende Entscheidung für die Rückforderung von „Schwiegereltern-Geschenken“: BGH, Urteil vom 03.02.2010, XII ZR 189/06 Zu den Anforderungen an die schwere Verfehlung und den groben Undank i.S.d. § 530 BGB: BGH, Urteil vom 25.03.2014, X ZR 94/12 Der Gesetzgeber hat sich, anders als bei der Pflichtteilsentziehung gem. § 2333 BGB, gegen einen Katalog schwerer Verfehlungen entschieden. Regelmäßig weisen die anerkannten Fälle aber eine ähnliche Qualität auf. So kann auch eine schwere Beleidigung oder der Versuch, den Schenker mittels der geschenkten Geschäftsanteile aus der Gesellschaft zu drängen, zu § 530 BGB führen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

2 Zivilrecht RA 01/2020 Der bezweckte Erfolg der Leistung, ein Grundstück mit dem Geld zu kaufen, ist eingetreten. Diese Gedanken formulierte der BGH im Urteil vom 03.02.2010, XII ZR 189/06, Rn 50 f. Der BGH hatte damit eine tatsächliche Zweckabrede nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch hohe Anforderungen zur Annahme des Vorliegens einer solchen aufgestellt. Aus diesem Grund werden entsprechende Zweckvereinbarungen selten zu bejahen sein. Was als Geschäftsgrundlage genügt, reicht zur Annahme einer Zweckvereinbarung nicht zwingend aus. Die Instanzgerichte bevorzugen auch deshalb den flexiblen § 313 I BGB zur Rückabwicklung. B. Anspruch auf Rückzahlung aus Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2. BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung aus einer Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB haben. B hat im Falle einer Barzahlung Eigentum und Besitz am Bargeld, im Falle einer Überweisung auf sein Konto einen Anspruch auf Auszahlung gem. § 675t BGB erlangt. K leistete schenkweise (donandi causa). Fraglich ist aber, ob der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist. Erforderlich ist eine tatsächliche Einigung über den Zweck der Leistung zwischen den beteiligten Partnern. Eine solche kann in der Investition in ein Hausgrundstück gesehen werden. Diese ist aber tatsächlich vorgenommen worden, der Zweck der Schenkung damit nicht verfehlt worden. Auch kann der verfolgte Zweck im Sinne § 812 I 2 Alt. 2 BGB darin bestehen, dass der Zuwendungsgegenstand dem eigenen Kind der Schwiegereltern dauerhaft zugutekommt, indem dessen Ehe, hier eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, fortbesteht. Eine Zweckabrede im Sinne des § 812 I 2 Alt. 2 BGB setzt positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils voraus, ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht. Hinzu kommt, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung nicht selten die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe nicht in ihre Überlegungen aufnehmen. In diesen Fällen mag zwar dennoch eine gemeinsame Vorstellung vom Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, welche die Geschäftsgrundlage der Schenkung bildet; eine entsprechende Zweckvereinbarung kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht. Dies muss für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft erst Recht gelten. Hier liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass K mit dem Geschenk die Beziehung der Tochter sichern wollte und B dies gewusst hat. Mangels einer tatsächlichen Einigung scheidet ein Anspruch aus der Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB aus. C. Anspruch auf Rückzahlung mittels Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB So ist z.B. das Leistungsstörungsrecht vorrangig. Weil es hierauf im vorliegenden Fall nicht ankommt, bleibt es bei sparsamen Ausführungen. Oertmanns ursprüngliche Definition lautete: „Geschäftsgrundlage ist die beim Geschäftsschluß zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut.“ (Oertmann, Die Geschäftsgrundlage. Ein neuer Rechtsbegriff, 1921, 37) I. Vertrag Der für eine Vertragsanpassung nötige Vertrag liegt hier mit dem Schenkungsvertrag vor. II. Keine vorrangige Regelung Eine vorrangige gesetzliche Regelung ist hier nicht ersichtlich. Ferner fehlt es an einer vertraglichen Abrede zur Konfliktlösung. III. Geschäftsgrundlage Unter Geschäftsgrundlage versteht man Umstände oder Vorstellungen über Umstände, die nicht Vertragsinhalt wurden, aber für den Vertragsschluss so wesentlich waren, dass entweder der Geschäftswille beider Parteien auf ihnen aufbaute oder derjenige einer Partei, erkennbar für die andere. [13] Bei der Prüfung, was im Einzelfall Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrags ist, ist zu berücksichtigen, dass der Schenkungsvertrag keinen Austauschvertrag darstellt, bei dem Leistung und Gegenleistung in einem synallagmatischen Verhältnis stehen. Der Schenkungsvertrag ist vielmehr durch das Versprechen einer einseitigen unentgeltlichen Zuwendung gekennzeichnet, mit der der Schenker einen Vermögensgegenstand weggibt und dem Beschenkten, soweit die Schenkung nicht © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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