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RA 02/2016 - Entscheidung des Monats

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IMPRESSUM Herausgeberin: Chefredaktion: Redakteure: Chef vom Dienst: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, Rathausplatz 22, 46562 Voerde, Tel.: 02855/96171-80; Fax: 02855/96171-82 Internet: http://www.verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: verlag@jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Theresa Bauerdick & Richterin am Amtsgericht Dr. Katharina Henzler (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Ines Susen Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter verlag@jura-intensiv.de erhältlich.

RA 02/2016 ÖFFENTLICHES RECHT Öffentliches Recht 85 Problem: Beschlagnahme eines Grundstücks zur Unterbringung von Flüchtlingen Einordnung: Polizeirecht (sog. Nichtstörer) OVG Lüneburg, Beschluss vom 01.12.2015 11 ME 230/15 EINLEITUNG Die Flüchtlingskrise hat die RA in den letzten Monaten immer wieder beschäftigt. Im Mittelpunkt standen bisher baurechtliche Entscheidungen (vgl. RA 10 und 12/2015) sowie ein redaktioneller Beitrag zu § 246 BauGB. Die nachfolgend dargestellte Entscheidung des OVG Lüneburg beleuchtet den zweiten examensrelevanten Aspekt der Flüchtlingskrise, die Inanspruchnahme privater Unterkünfte im Wege des Polizeirechts. SACHVERHALT Auf einem größeren Grundstück in Lüneburg befindet sich ein Gebäudekomplex, der früher als Kinder- und Jugendheim genutzt wurde, jedoch seit Jahren leer steht. Der damalige Eigentümer (A) entfernte teilweise die Installationen, Einbauten und Zähleranlagen für Gas, Wasser und Strom. Dann veräußerte er das Grundstück an B, der den Gebäudekomplex abreißen und stattdessen ein Wohngebäude errichten will. Mit Bescheid vom 01.10.2015 beschlagnahmte die zuständige Behörde der Stadt Lüneburg formell ordnungsgemäß das Grundstück für die Dauer von 6 Monaten, um dort Flüchtlinge unterzubringen und verfügte zugleich die Einweisung von 50 Flüchtlingen für diesen Zeitraum. B wurde eine Entschädigung von 4 €/qm zugesagt. Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, sie wisse nicht, wie sie die ihr zugewiesenen Flüchtlinge anders unterbringen solle. Eine Unterbringung in Hotels, Ferienwohnungen oder Pensionen scheide zum einen aus finanziellen Gründen aus, zum anderen stünden diese Unterkünfte nur zeitlich begrenzt zur Verfügung, was dazu führen würde, dass die Flüchtlinge permanent verlegt werden müssten. Ferner sei eine Verteilung von Kleinstgruppen oder gar Einzelpersonen die Folge, was angesichts des damit verbundenen Verwaltungsaufwands zu vermeiden sei. Öffentliche Einrichtungen wie Turn- und Sporthallen oder Stadthallen dienten anderen Zwecken als der Unterbringung von Menschen und scheiden daher nach Ansicht der Verwaltung von vornherein aus. Die örtliche Jugendherberge verfügt zwar über freie Kapazitäten. Die Behörde bringt jedoch vor, Lüneburg sei ein Tourismusstandort und müsse daher auch für weniger betuchte Besucher Unterkünfte zur Verfügung stellen, sodass die Jugendherberge nicht mit Flüchtlingen belegt werden könne. B sieht sich durch den Bescheid in seinem Grundrecht aus Art. 14 I 1 GG verletzt und bittet daher um Überprüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnungen. Jura Intensiv LÖSUNG Die behördlichen Anordnungen sind rechtmäßig, soweit sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhen und diese formell sowie materiell ordnungsgemäß angewandt wurde. LEITSÄTZE 1. Zu der Frage, ob der Gesetzgeber bei einer Ausgangslage, in der sich in einer Mehrzahl von Fällen eine Notlage bei der Beschaffung von menschenwürdigen Unterkünften für Flüchtlinge abzeichnet, verpflichtet ist, die Befugnis zur Beschlagnahme privaten Eigentums für die Flüchtlingsunterbringung hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen im Einzelnen zu regeln (hier offen gelassen). 2. An die Zulässigkeit einer auf die Generalklausel des § 11 Nds. SOG gestützten Beschlagnahme privater Unterkünfte zur Unterbringung von Flüchtlingen, denen unmittelbar eine Obdachlosigkeit droht, sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers hohe Anforderungen zu stellen. Die zuständige Ordnungsbehörde muss darlegen, dass ihr zur Abwendung der Obdachlosigkeit zum einen keine eigenen menschenwürdigen Unterkünfte zur Verfügung stehen und ihr zum anderen auch die Beschaffung geeigneter anderer Unterkünfte bei Dritten auf freiwilliger Basis nicht möglich ist. Es handelt sich um mehrere Verwaltungsakte, sodass im Rahmen eines Rechtsbehelfs an § 44 VwGO zu denken wäre.

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