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RA 02/2021 - Entscheidung des Monats

Der Beschluss des VGH Mannheim ist eine der ersten Gerichtsentscheidungen, die sich mit dem neu erlassenen § 28a IfSG und dessen Verfassungsmäßigkeit sowie den strengen Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der sog. 2. Welle der Corona-Pandemie befassen.

94 Öffentliches Recht

94 Öffentliches Recht RA 02/2021 Intensität des Eingriffs Allgemein gilt: Ausnahme-, Befreiungsund Härtefallregelungen führen fast immer dazu, dass eine gesetzliche Pflicht angemessen ist, weil sie im Einzelfall eine verfassungskonforme Auslegung ermöglichen. Die dem entgegenstehenden - grundrechtlich geschützten - Belange des Antragstellers, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit der angefochtenen Bestimmung und des mit ihr bewirkten Grundrechtseingriffs zu berücksichtigen sind, sind zwar von einigem Gewicht. Diese Beeinträchtigungen - wie beispielsweise der von ihm hervorgehobene Verzicht auf nächtliche Spaziergänge und Tierbeobachtungen oder die Unannehmlichkeit, den eigenen Tabakbedarf vorausschauend tagsüber decken zu müssen - sind ihm aber bei der gebotenen Abwägung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumutbar. Seinen Belangen gegenüber stehen die gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht hat, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Diese Ziele überwiegen in der gebotenen Abwägung gegenwärtig die beeinträchtigten Interessen des Antragstellers. Letzteres gilt umso mehr, als § 1c CoronaVO für zahlreiche wichtige Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens Ausnahmebestimmungen trifft. Der Verordnungsgeber hat zudem in § 1c Abs. 1 Nr. 17 und Abs. 2 Nr. 12 CoronaVO Auffangtatbestände geschaffen („sonstige vergleichbar gewichtige Gründe“), die einer Auslegung im Lichte der Grundrechte zugänglich sind. Diese Vorschriften gewährleisten zusätzlich, dass die Anwendung der Norm keine unzumutbaren Ergebnisse im Einzelfall bewirkt.“ Somit verletzt § 1c CoronaVO nicht das Grundrecht des A aus Art. 2 I GG. b) Vereinbarkeit mit Art. 1 I 1 GG Inhalt der Menschenwürde Verstöße gegen Art. 1 I 1 GG werden im Zusammenhang mit den Coronaschutzmaßnahmen zwar oftmals gerügt, liegen aber nicht vor, weil die Betroffenen durch diese Maßnahmen nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert werden. „Von der Vorstellung ausgehend, dass der Mensch in Freiheit sich selbst bestimmt und entfaltet, umfasst die Garantie der Menschenwürde insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität. Damit ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Einer solchen ihn zum Objekt degradierenden Behandlung wird der Antragsteller durch die in § 1c CoronaVO für gut drei Wochen geregelten und durch zahlreiche Ausnahmen relativierten Aufenthaltsbeschränkungen nicht ansatzweise unterworfen. Daran ändert auch der von dem Antragsteller hervorgehobene Umstand nichts, dass er aufgrund der Regelung unter Umständen gehalten sein kann, den Grund für das Verlassen seiner Wohnung anzugeben.“ Folglich liegt auch kein Verstoß gegen Art. 1 I 1 GG vor, sodass § 1c CoronaVO rechtmäßig ist. FAZIT Bedeutsam an dem Beschluss sind zum einen die Überlegungen bzgl. des Gesetzesvorbehalts, die vor allem seine Examensrelevanz begründen. Zum anderen werden gängige Einwände gegen die Ausgangsbeschränkungen vom Gericht überzeugend widerlegt. Vom VGH nicht endgültig geklärt wurde, ob auch ein Eingriff in die Grundrechte aus Art. 2 II 2 GG und Art. 11 I GG vorliegt, da er jedenfalls aus den im Beschluss genannten Gründen gerechtfertigt ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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