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RA 02/2022 - Entscheidung des Monats

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RA 02/2022 Öffentliches Recht 85 ÖFFENTLICHES RECHT Problem: Bezeichnung eines Sängers als Antisemiten (Xavier Naidoo) Einordnung: Grundrechte BVerfG, Beschluss vom 11.11.2021 1 BvR 11/20 EINLEITUNG Der Beschluss des BVerfG hat Äußerungen über den bekannten Sänger Xavier Naidoo zum Gegenstand und zeigt exemplarisch, wie schwer es selbst für Obergerichte ist, Aussagen als Meinungskundgabe einzustufen und deren Inhalt richtig zu erfassen. SACHVERHALT Die Beschwerdeführerin (B) hielt als Fachreferentin im Sommer 2017 einen Vortrag zum Thema „Reichsbürger – Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“. Nach dem Vortrag äußerte B auf eine Nachfrage, wie sie den Kläger (K) des Ausgangsverfahrens einstufe: „Ich würde ihn zu den Souveränisten zählen, mit einem Bein bei den Reichsbürgern. Er ist Antisemit, das darf ich, glaub ich, aber gar nicht so offen sagen, weil er gerne verklagt. Aber das ist strukturell nachweisbar.“ K ist ein bekannter deutscher Sänger. Im Jahr 2009 verfasste er unter anderem ein Lied, in dessen vierter Strophe es heißt: „Wie die Jungs von der Keinherzbank, die mit unserer Kohle zocken / Ihr wart sehr, sehr böse, steht bepisst in euren Socken / Baron Totschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel / Der Schmock ist‘n Fuchs und ihr seid nur Trottel“. Weiter heißt es in einem Liedtext aus dem Jahr 2017 auszugsweise: „Wie lange wollt ihr noch Marionetten sein / Seht ihr nicht, ihr seid nur Steigbügelhalter / Merkt ihr nicht, ihr steht bald ganz allein / Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter“. Im Jahr 2014 hielt er eine Rede bei einer Versammlung sogenannter Reichsbürger vor dem Reichstag. Im Interview mit einer Zeitschrift im Jahr 2015 äußerte er sich dazu, ob es berechtigt sei, Deutschland für besetzt zu halten. Die Liedtexte, Äußerungen sowie die daraus hervorgehende politische Einstellung des K des Ausgangsverfahrens waren unter anderem Gegenstand eines Berichts des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Deutschen Bundestages sowie mehrerer Artikel in Zeitschriften und Zeitungen. Das Landgericht untersagte B, wörtlich oder sinngemäß die streitgegenständliche Behauptung aufzustellen oder zu verbreiten. Die dagegen eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Die beanstandete Äußerung sei zwar eine Meinungsäußerung, obwohl sie einen Tatsachenkern enthalte. Eine Gesamtabwägung ergebe aber, dass der Eingriff in die Ehre und das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig gewesen sei. Die personale Würde des K sei beeinträchtigt und es sei eine Prangerwirkung gegeben. Die Bezeichnung als „Antisemit“ sei ein besonders weitreichender und intensiver Eingriff. Sie sei überdies mehrdeutig und reiche von einem weiten Begriffsverständnis, wonach jeder, der eine wie auch immer geartete negative Wahrnehmung von Juden habe, als Antisemit zu begreifen sei, bis zu einem engen Verständnis, wonach Antisemitismus gleichbedeutend mit Judenhass sei. Dem Werturteil der B liege außerdem ein tatsächlich unrichtiger Äußerungsgehalt zugrunde. LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Bei der Äußerung „Er ist Antisemit“ handelt es sich um eine Meinungsäußerung. 2. Die sog. Stolpe-Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 25.10.2005, 1 BvR 1696/98) gelangt nur zur Anwendung, wenn es sich um eine mehrdeutige Aussage handelt. Folglich haben die Fachgerichte zunächst zu klären, ob überhaupt eine mehrdeutige Aussage vorliegt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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