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RA 04/2022 - Entscheidung des Monats

Der BGH prüft in der vorliegenden Entscheidung die Voraussetzungen für den (einen Rücktritt vom Versuch ausschließenden) Fehlschlag des Versuchs.

214 Strafrecht

214 Strafrecht RA 04/2022 Tatentschluss ist der Wille zur Verwirklichung der objektiven Tatumstände bei gleichzeitigem Vorliegen eventuell erforderlicher besonderer subjektiver Tatbestandsmerkmale. Sache ist jeder körperliche Gegenstand. Beweglich ist eine Sache, die fortgeschafft werden kann. Fremd ist eine Sache, die zumindest auch im Eigentum einer anderen Person steht. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht unbedingt tätereigenen, Gewahrsams. Spezialitätstheorie: BGH, Beschluss vom 24.04.2018, 5 StR 606/17, RA 2018, 557 Exklusivitätstheorie: Schönke/ Schröder, StGB, § 253 Rn 3, 8 Vgl. zu diesem Streit Schumacher/ Schweinberger, JURA INTENSIV, Strafrecht BT I, Rn 424 ff. B. Tatentschluss I. Bzgl. qualifizierten Nötigungsmittels A wollte G mit dem vorgehaltenen Messer ausschließlich bedrohen und gegen sein Opfer keine Gewalt anwenden. Damit hatte er aber Tatentschluss bzgl. einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und somit bzgl. eines qualifizierten Nötigungsmittels. II. Bzgl. fremder beweglicher Sache A hatte sich vorgestellt Geldscheine zu erbeuten, die im Eigentum des G stünden. Er hatte somit Tatentschluss bzgl. fremder bewegliche Sachen als Tatobjekte. III. Bzgl. Wegnahme A müsste sich auch vorgestellt haben, die Geldscheine wegzunehmen. A ist davon ausgegangen, dass G die Geldscheine bei sich tragen würde. Er hatte also Tatentschluss bzgl. des Bestehens fremden Gewahrsams. Es ist davon auszugehen, dass A mit den Geldscheinen weglaufen wollte, also hat er sich auch die Begründung neuen Gewahrsams vorgestellt. Das Vorliegen des für eine Wegnahme erforderlichen Gewahrsamsbruchs richtet sich nach der Spezialitätstheorie nach dem äußeren Erscheinungsbild; nach der Exklusivitätstheorie ist insofern die innere Willensrichtung des Opfers maßgebend. A stellte sich eine Begehung vor, die wie ein Nehmen ausgesehen hätte. Auch ging A nicht davon aus, dass G seine Mitwirkung beim Gewahrsamswechsel für erforderlich halten würde, sodass auch nach der inneren Willensrichtung des G ein Gewahrsamsbruch gegeben wäre. A hatte Tatentschluss bzgl. einer Wegnahme. IV. Finalzusammenhang A wollte die Drohung anwenden, um die geplante Wegnahme zu ermöglichen, sodass der erforderliche Finalzusammenhang vorliegt. V. Zueignungsabsicht A hatte die Absicht, das Geld seinem eigenen Vermögen einzuverleiben (Aneignungsabsicht) unter dauerhaftem Ausschluss des Berechtigten G (Enteignungswille), hatte also Zueignungsabsicht. VI. Bzgl. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung A wusste, dass er keinen Anspruch auf die Zueignung des Geldes hatte, handelte also mit Tatentschluss bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung. Unmittelbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, was der Fall ist, wenn er Handlungen vornimmt, die in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmünden sollen und deshalb das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters bereits konkret gefährdet ist. C. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB A hat G mit dem Messer bereits bedroht und ging davon aus, diesem unmittelbar das Geld wegnehmen zu könne, sodass er auch bereits gem. § 22 StGB unmittelbar angesetzt hat. D. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft. E. Rücktritt gem. § 24 StGB A könnte gem. § 24 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2022 Strafrecht 215 I. Kein Fehlschlag „[4] Das Landgericht hat einen […] Rücktritt vom Versuch des […] Raubes verneint. Der Versuch sei fehlgeschlagen. […] [6] Ein Fehlschlag ist gegeben, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allerdings Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten. [7] Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht entgegen diesen Vorgaben dem Tatplan des Angeklagten nicht nur indizielle Bedeutung für dessen Vorstellungsbild zum sog. Rücktrittshorizont beigemessen, sondern den angenommenen Fehlschlag maßgeblich auf die vom Angeklagten erkannte Notwendigkeit gestützt hat, zur Erreichung seines Ziels andere als die ursprünglich geplanten Mittel anzuwenden. […] [8] Die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch erweist sich auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen auch nicht aus anderen Gründen als tragfähig. Dass der Angeklagte nach Ausführung seiner erfolglos gebliebenen Drohung annahm, es gebe bei dem Geschädigten ‚nichts zu holen‘, er sein Vorhaben also aus tatsächlichen Gründen für gescheitert hielt und deshalb von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nahm, hat das Landgericht zwar erwogen, aber nicht sicher festgestellt. Ebenfalls offengelassen hat die Strafkammer, ob der Angeklagte, der für möglich hielt, von dem Geschädigten erkannt worden zu sein, das Entdeckungsrisiko für unvertretbar gestiegen hielt und deshalb nicht freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand nahm.“ In der Literatur wird der Fehlschlag teilweise auch erst in der Freiwilligkeit angesprochen. Dieses rein dogmatische Problem bedarf in einer Klausur keiner Erörterung. BGH, Beschluss vom 22.09.2015, 4 StR 359/15, NStZ 2016, 332 Nach der sog. Tatplantheorie ist allerdings ein Fehlschlag gegeben, wenn der Täter alle vorher geplanten Handlungen ausgeführt und erkannt hat, dass diese den Erfolg nicht herbeiführen werden (BGH, Urteil vom 12.02.1969, 2 StR 537/68, NJE 1969, 1358). Die Einzelaktstheorie nimmt einen Fehlschlag sogar bereits dann an, wenn der Täter eine aus seiner Sicht erfolgsgeeignete Handlung ausgeführt und erkannt hat, dass diese den Erfolg nicht herbeiführen wird (Freund, NStZ 2004, 326). Vgl. zu diesem Streit Schweinberger, JURA INTENSIV, Strafrecht AT I, Rn 1020 ff. BGH, Urteil vom 10.04.2019, 1 StR 646/18, NStZ 2020, 81 Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist also davon auszugehen, dass A glaubte, den Raub mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln noch vollenden zu können, sodass kein Fehlschlag vorliegt. II. Rücktrittsvoraussetzungen A dachte nicht, dass er alles seinerseits für die Vollendung erforderliche schon getan habe, sodass ein unbeendeter Versuch vorliegt. Bei einem solchen setzt ein Rücktritt gem. § 24 I 1 1.Fall StGB nur voraus, dass der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt, was A durch seine Flucht getan hat. A ist somit gem. § 24 I 1 1.Fall StGB strafbefreiend zurückgetreten F. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. §§ 249 I, 22, 23 I StGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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