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RA 05/2018 - Entscheidung des Monats

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258 Öffentliches Recht

258 Öffentliches Recht RA 05/2018 Folglich ist § 4 IV BremGebBeitrG formell verfassungsgemäß. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit In materieller Hinsicht könnte § 4 IV BremGebBeitrG unter mehreren Gesichtspunkten verfassungswidrig sein. Grundsätzliche Vorgabe des GG für die Erhebung von Gebühren: individuell zurechenbare öff. Leistung BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994, 1 BvL 19/90, juris Rn 53 1. Allgemeine Anforderungen an die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben Art. 104a ff. GG liegt das sog. Prinzip des Steuerstaates zugrunde, d.h. staatliche Leistungen sind grundsätzlich aus den Steuereinnahmen zu finanzieren. Deshalb bedürfen Gebühren einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie dürfen nur erhoben werden als finanzieller Ausgleich für eine dem Gebührenschuldner individuell zurechenbare öffentliche Leistung; dabei verlangt die Zurechenbarkeit eine besondere Verantwortlichkeit des Gebührenschuldners für die staatliche Leistung. „Nach diesen Maßstäben ist die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG gebührenpflichtige Leistung - der Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte aus Anlass der Großveranstaltung - individuell zurechenbar, da eine Konnexität zwischen dem Leistungsinhalt und dem individuellen Erfolg besteht. Anknüpfungspunkte für individuelle Zurechnung des Polizeieinsatzes Wirtschaftlicher Vorteil für den Veranstalter Hohe Besucherzahlen sind gewollt Gesteigertes Gefahrenpotential bei Großveranstaltungen, insbes. bei sog. Risikospielen der Bundesliga Beachte: Polizeieinsatz muss nicht ausschließlich dem Veranstalter zugute kommen! Individuelle Zurechnungspunkte für die Verwaltungsleistung bestehen in mehrfacher Hinsicht. Der Veranstalter einer gewinnorientierten Veranstaltung zieht einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung, der maßgeblich auch durch den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte ermöglicht wird. Denn Personen, die das Risiko zu erwartender Gewalthandlungen scheuen, werden sich für einen Besuch der Veranstaltung entscheiden, wenn durch den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte dieses Risiko für sie konkret gemindert wird. Die Größe einer Veranstaltung und hohe Besucherzahlen erhöhen deren Attraktivität und sind auch bewusst angelegt. Die Interaktion von Akteuren und Zuschauern trägt bei Fußballspielen ebenso wie z.B. bei Großkonzerten zu einer besonderen Atmosphäre am Veranstaltungsort bei und macht diese gleichermaßen für Anwesende wie für Fernsehzuschauer attraktiver. Ein Fußballspiel vor leeren oder schwach besetzten Rängen hat ebenso wie ein Konzert ohne Fans nicht denselben Reiz wie dieselbe Veranstaltung vor großer Kulisse. […] Großveranstaltungen bergen grundsätzlich ein erhöhtes Gefahrenpotential in sich, insbesondere dann, wenn wegen des angesprochenen Personenkreises erfahrungsgemäß mit Gewalthandlungen zu rechnen ist. Solche Gewalthandlungen im Zusammenhang mit sog. Risikospielen der Bundesliga […] wirken sich erfahrungsgemäß immer auch auf Rechtsgüter Unbeteiligter aus, seien es Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder Störungen des Verkehrsflusses. Zwar liegt die Beherrschung dieses Gefahrenpotentials damit auch im öffentlichen Interesse, gleichwohl ist die Verwaltungsleistung der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte mit Blick auf das Interesse des Veranstalters an einer störungsfreien Durchführung der Veranstaltung auch diesem zuzurechnen. Selbst wenn mit der gebührenpflichtigen Amtshandlung auch oder in erster Linie öffentliche Interessen verfolgt werden, nimmt das © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2018 Öffentliches Recht 259 der Amtshandlung und dem damit verbundenen Leistungserfolg nicht die für eine Gebühr vorausgesetzte und erforderliche Individualität. […] Hält der Veranstalter trotz des Umstandes, dass die Veranstaltung erfahrungsgemäß Gewalthandlungen hervorruft, unverändert an ihr fest, obwohl er grundsätzlich auf verschiedene Weise reagieren kann, etwa indem er die Veranstaltung absagt, in veränderter Form oder an einem anderen Ort durchführt, so steht er dem Polizeieinsatz jedenfalls näher als die Allgemeinheit. […] Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Gebührenerhebung für polizeiliches Tätigwerden im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine Kernaufgabe des Staates ist. Der von der Klägerin aufgestellte Rechtssatz, dass Leistungen aus dem Bereich der staatlichen Kernaufgaben nur über Steuern finanziert werden dürften, findet sich in der Rechtsprechung nicht. […] Vielmehr gibt es in der Staatspraxis seit jeher eine Vielzahl von Gebühren, welche für Handlungen des Staates zugunsten der verlangten Sicherheit erhoben werden. […] Auch wenn § 4 Abs. 4 Satz 2 BremGebBeitrG nicht auf konkrete tatsächliche Gefahrenabwehrmaßnahmen oder Störungsbeseitigungen abstellt, sondern die Bereitstellung von Polizeikräften genügen lässt, hebt dies die individuelle Zurechenbarkeit nicht auf. Maßgeblich ist, dass bereits durch den Einsatz und die Bereitstellung von Polizeikräften Gewalthandlungen verhindert und eingedämmt werden. […] Indem § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG lediglich solche öffentlichen Leistungen für gebührenfähig erklärt, die sich aus den mit der Veranstaltung in Zusammenhang stehenden Gewalthandlungen ergeben, beschränkt der Landesgesetzgeber die Gebührenfähigkeit zutreffend auch nur auf die Leistungen, die dem Veranstalter einen besonderen Vorteil verschaffen.“ Zumindest größere Nähe zum Polizeieinsatz als die Allgemeinheit Gewährleistung der öff. Sicherheit ist zwar Kernaufgabe des Staates, aber nicht per se über Steuern finanziert! Dass das Gesetz keinen konkreten Einsatz der Polizeikräfte verlangt, ändert an Zurechenbarkeit der öff. Leistung nichts Somit liegt eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung vor. 2. Einzelfallgesetz § 4 IV BremGebBeitrG könnte gegen das in Art. 19 I 1 GG normierte Verbot des Einzelfallgesetzes verstoßen. „Dass der Gesetzgeber einen konkreten Fall vor Augen hat, den er zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser noch nicht den Charakter des Einzelfallgesetzes, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln. Das ist hier der Fall. Die Regelung des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG knüpft allgemein an den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte bei gewinnorientierten Großveranstaltungen an, in deren Zusammenhang Gewalthandlungen erfahrungsgemäß zu erwarten sind. Dass sie zurzeit möglicherweise nur die Veranstalter von sog. Risikospielen der Fußball-Bundesliga trifft, ändert nichts an ihrem generellen Charakter, […].“ Konkreter Anlass für gesetzgeberisches Tätigwerden (hier: Risikospiele in der Bundesliga) führt nicht automatisch zu einem Verstoß gegen Art. 19 I 1 GG Somit verstößt § 4 IV BremGebBeitrG nicht gegen Art. 19 I 1 GG. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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