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RA 06/2016 - Entscheidung des Monats

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RA 06/2016 Zivilrecht 293 „[33] Auf das Motiv für die Ausübung des Widerrufsrechts kommt es für die Beurteilung nicht an. Denn wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.) zeigt, knüpft das Gesetz die Ausübung des Widerrufsrechts gerade nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers, sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Das gilt auch für das Widerrufsrecht nach § 495 BGB a. F. Dass dieses Recht den Verbraucher vor einer übereilten Bindung schützen und ihm wegen der erheblichen wirtschaftlichen Tragweite Gelegenheit geben soll, das Darlehensangebot noch einmal zu überdenken, steht dem nicht entgegen. Denn wie bei § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. wird die Ausübung des an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen Widerrufsrechts durch dessen institutionellen Zweck nicht beschränkt. Der Verbraucher kann dieses Recht daher auch zu seinem wirtschaftlichen Vorteil nutzen, ohne sich dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszusetzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass er den Darlehensvertrag innerhalb von zwei Wochen nach ordnungsgemäßer Belehrung widerruft, um ein zwischenzeitlich erhaltenes Angebot mit günstigeren Konditionen anzunehmen, sondern in gleicher Weise für die spätere Ausübung des aufgrund fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung fortdauernden Widerrufsrechts. Denn die fortdauernde Möglichkeit des Widerrufs ist die vom Gesetz gewollte Folge einer unterbliebenen oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung, für die der Unternehmer verantwortlich ist, und ihre Einschränkung würde dem gesetzgeberischen Ziel zuwiderlaufen, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung zu zwingen. [34] Danach greift der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht durch. Die Kläger haben das streitgegenständliche Darlehen zwar sieben Jahre lang in Anspruch genommen, um ihre Eigentumswohnung zu finanzieren, und den Widerruf erst nach deren Veräußerung erklärt, um das von der Klägerin verlangte Vorfälligkeitsentgelt einzusparen. Dieses eigennützige Motiv ist aber rechtlich nicht zu missbilligen, sondern von der gesetzlichen Ausgestaltung des Widerrufsrechts umfasst. Dass das Zinsniveau während der Laufzeit des Darlehens erheblich gefallen ist und der Beklagten durch den späten Widerruf ein entsprechender Nachteil entsteht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die mit einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Risiken trägt allein der Darlehensgeber. Dass sie arglistig getäuscht worden oder aus anderen Gründen besonders schutzwürdig wäre, macht die Beklagte nicht geltend.“ Jura Intensiv Dem Verbraucher steht das Widerrufsrecht auch dann zu, wenn er vom mittlerweile erheblich gesunkenen Zinsniveau profitieren will. Der Umstand, dass das Darlehen bereits sieben Jahre anstandslos bedient wurde, reicht für einen Rechtsmissbrauch nicht aus. Der Ausübung des Widerrufs steht damit auch nicht der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus § 242 BGB entgegen. B. Ergebnis K steht gegen die B-Bank ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 5.900 € gem. §§ 495 I, 357 I BGB a.F. i.V.m. § 346 I BGB zu. FAZIT Bei Verbraucher-Immobiliardarlehensverträgen, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, erlischt das Widerrufsrecht spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen. Die den vorliegenden Fall prägenden Probleme werden sich dann nicht mehr stellen. Bis dahin müssen Verwirkung und rechtsmissbräuchliches Verhaltens auch bei widerrufenen Verbraucherdarlehensverträgen geprüft werden.

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