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RA 08/2020 - Entscheidung des Monats

Das OLG befasst sich mit der Strafbarkeit der Verwendung einer fremden ec-Karte beim Bezahlen ohne PIN-Abfrage und kommt zum Ergebnis, dass hier nur der Tatbestand des § 274 I Nr. 2 StGB erfüllt ist.

442 Strafrecht

442 Strafrecht RA 08/2020 Systematischer Kommentar, StGB, § 263 Rn 79 [14] Vor dem Hintergrund dieser Zahlungsmodalitäten hatte [K] vorliegend keinerlei Anlass, sich Vorstellungen über die Berechtigung des Angeklagten zur Kartenverwendung zu machen. Im Gegenteil [lief] sie vielmehr Gefahr, bei positiver Kenntnis von der Nichtberechtigung wegen kollusiven Zusammenwirkens mit dem Kartenverwender ihren Zahlungsanspruch gegen die Sp als kartenausgebender Bank zu verlieren, weshalb aus Händlersicht gerade kein Anreiz bestand, über die Berechtigung des Angeklagten nachzudenken und so womöglich bösgläubig zu werden. Auch traf den Betreiber des H-Marktes bzw. seine Kassenmitarbeiter nach den Händlerbedingungen gegenüber der Sp als kartenausgebender Bank keine Pflicht, die Berechtigung des Angeklagten anderweitig zu überprüfen, etwa durch Ausweiskontrolle. Damit aber fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, dass der Angeklagte als Kunde seine Berechtigung zur Kartennutzung nach der Verkehrsanschauung fälschlich konkludent erklärt hätte und dass die Kassenmitarbeiter wenigstens im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins einer entsprechenden irrigen Vorstellung unterlegen wären.“ Es liegen also weder eine Täuschung noch ein Irrtum vor. II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 263 I StGB. B. Strafbarkeit gem. § 263a I 3.Fall StGB Durch das Verwenden der fremden ec-Karte könnte A sich aber wegen Computerbetrugs gem. § 263a I 3.Fall StGB zum Nachteil der Sp strafbar gemacht haben. I. Tatbestand A müsste eine tatbestandsmäßige Handlung vorgenommen haben; bei § 263a I 3.Fall StGB müsste er unbefugt Daten verwendet haben. „[18] Zwar werden bei dem kontaktlosen Einsatz der ec-Karte im POS- Verfahren Daten in einem Datenverarbeitungsvorgang im Sinne des § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB verwendet. Insofern gilt nichts anderes als bei einem Einsatz einer ec-Karte in Verbindung mit der PIN im POS-Verfahren. [19] Diese Datenverwendung war aber nicht unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB. Vgl. hierzu Schumacher/Schwein berger, JURA INTENSIV, Strafrecht BT I, Rn 601 BGH, Beschluss vom 21.11.2001, 2 StR 260/01, NJW 2002, 905 BGH, Beschluss vom 22.01.2013, 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608; OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2013, III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275 [20] Die Auslegung des Merkmals der „unbefugten” Datenverwendung ist umstritten. […] Mit § 263a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betruges menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von Computern fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüber hinaus war nicht beabsichtigt. Dem entspricht eine betrugsspezifische Auslegung, wie sie von der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird und welcher sich der Senat anschließt. [21] Nach der betrugsspezifischen Auslegung ist eine Verwendung von Daten nur dann ‚unbefugt‘, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte. Um die Vergleichbarkeit sicherzustellen, ist für die Täuschungsäquivalenz dabei nicht auf einen fiktiven © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2020 Strafrecht 443 Bankangestellten abzustellen, der die Interessen der Bank im Autorisierungsverfahren einer ec-Zahlung umfassend wahrzunehmen hat, sondern auf das Vorstellungsbild eines Schalterangestellten, der sich nur mit den Fragen befasst, die auch der Computer prüft bzw. für die sich auch im Computerprogramm Ansätze zur Kontrolle finden. [22] Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es bei den hier vorliegenden kontaktlosen Einsätzen einer ec-Karte im POS-Verfahren, bei denen die PIN bei der Bezahlung gerade nicht abgefragt wird, an der Betrugsähnlichkeit. Denn anders als in den Fällen, in denen der Bankcomputer die PIN vom Kartenverwender abfragt, wird hierbei die Berechtigung desjenigen, der den elektronischen Zahlungsvorgang durch Vorhalten der Karte vor das Lesegerät auslöst, gerade nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung […] überprüft. Stattdessen überprüft der Computer der Sp als kartenausgebendem Kreditinstitut in der Autorisierungszentrale lediglich, ob die Karte in keine Sperrdatei eingetragen ist, der Verfügungsrahmen nicht überschritten wird und ob die Voraussetzungen für das Absehen von der PIN-Abfrage […] gegeben sind. Bereits bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erteilt der Bankcomputer eine elektronische Autorisierung der Zahlung, die dem Händler übermittelt wird. Gegenüber einem an die Stelle des Bankcomputers in der Autorisierungszentrale tretenden Bankangestellten würden also auch nur die Einhaltung des Verfügungsrahmens, die Nicht-Eintragung in eine Sperrdatei und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Absehen von der starken Kundenauthentifizierung erklärt. Nicht erklärt würde hingegen, dass die Voraussetzungen zur vollen Überprüfung der materiellen Berechtigung zur Kartennutzung vorliegen. Damit aber würde ein fiktiver menschlicher Bankangestellter an Stelle des Bankcomputers auch keinem dahingehenden Irrtum bezüglich der Berechtigung unterliegen, womit es an der für die Unbefugtheit erforderlichen Betrugsähnlichkeit fehlt.“ Eine Tathandlung i.S.v. § 263a I 3. Fall StGB ist somit nicht gegeben. II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 263a I StGB. C. Strafbarkeit gem. § 274 I Nr. 2 StGB Durch das Verwenden der ec-Karte könnte A sich jedoch wegen Unterdrückung beweiserheblicher Daten gem. § 274 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Beweiserhebliche Daten „[35] Die erforderlichen beweiserheblichen Daten ergeben sich in diesem Kontext aus der Höhe des Verfügungsrahmens sowie den Umständen der bisherigen Karteneinsätze seit der letzten PIN-Abfrage […], die im Computer der Autorisierungszentrale bzw. auf dem Chip der ec-Karte gespeichert werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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