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RA 11/2019 - Entscheidung des Monats

  • Text
  • Tatbestand
  • Angeklagte
  • Strafbarkeit
  • Intensiv
  • Jura
  • Einwirkung
  • Strafrecht
  • Beschluss
  • Verwendung
  • Stgb
Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto keine ausreichende Deckung aufweist.

608 Strafrecht

608 Strafrecht RA 11/2019 Problem: Kein Computerbetrug an SB-Kasse Einordnung: Strafrecht BT I/Betrug OLG Rostock, Beschluss vom 06.02.2019 20 RR 90/18 LEITSÄTZE DER REDAKTION 1. Eine Täuschung i.S.v. § 263 I StGB setzt die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen voraus; folglich ist eine solche Handlung nur gegenüber einem Menschen denkbar. 2. Die Bedienung einer SB-Kasse löst lediglich einen automatisierten Vorgang aus; da kein Personal vorhanden ist, welches etwas bemerken kann, kann auch nicht über die Ordnungsgemäßheit des Kassier- und Bezahlvorgangs getäuscht werden. 3. Die Verwendung einer EC/ Maestro-Karte an einer SB-Kasse stellt auch dann keine taugliche Tathandlung im Sinne des Computerbetrugs, § 263a I StGB, dar, wenn das dazu gehörige Girokonto nicht gedeckt ist. EINLEITUNG Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto keine ausreichende Deckung aufweist. SACHVERHALT Der Angeklagte A erwarb in Rostock am 08.01.2016 bei der IKEA Deutschland GmbH & Co.KG („IKEA“) Waren im Wert von 56,85 €. A war schon vor Beginn des Bezahlvorgangs an dem im Kassenbereich aufgestellten Selbstbedienungskassenautomaten („SB-Kassen“) durch Einscannen der Ware und ihres Kaufpreises mittels Strichcode bekannt, dass ihm dort von der SB-Kasse sodann im zweiten Schritt zur Bestimmung der Zahlungsart („Bezahlmenü“) auf einem der dort zu findenden und vom Kunden auswählbaren Buttons die Bezahlung mittels „EC/Maestro“ angeboten wurde, was – wie A wusste – bei Auswahl dieses Buttons zur Folge hatte, dass er zunächst vom Automaten immer aufgefordert wurde, seine EC/Maestro-Card in den dafür am Automaten vorgesehenen Kartenschlitz einzuschieben. In Fällen, in denen über 100,- € liegende Kaufpreise zu entrichten gewesen wären, wäre der Kunde allerdings von der SB-Kasse nach Drücken des Buttons „EC/Maestro“ zwecks Begleichung der jeweiligen Kaufpreisforderung im Bildschirmmenü aufgefordert worden, seine Geheimzahl (PIN) einzugeben und so eine garantierte Banküberweisung zu veranlassen, was, wie A wusste, bei fehlender Kontodeckung jeweils zum Scheitern des Bezahlvorgangs vor Herausgabe der Ware geführt hätte. Ohne Wahlmöglichkeit für den Kunden erschien jedoch bei Gesamtkaufpreisen bis 100,- € auf dem Bildschirm der SB-Kasse der Text des nachfolgenden SEPA-Lastschriftmandats mit der Aufforderung an den Kunden, dieses zwecks Begleichung der jeweiligen Kaufpreisforderung auf dem dafür seitlich vorgesehenen „Schreibpad“ zu unterschreiben, sofern er mit dieser Zahlungsart einverstanden sei: „SEPA Lastschriftmandat: Ich ermächtige oben genanntes Unternehmen, einmalig eine Zahlung von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. […] Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die auf mein Konto gezogene Lastschrift einzulösen.“ A scannte die Waren ein, steckte die Bankkarte für sein Girokonto bei der Ostseesparkasse Rostock (OSPA) ein und unterzeichnete diese Erklärung auf dem elektronischen Pad der SB-Kasse, obwohl er wusste, dass sein OSPA-Konto keine ausreichende Deckung aufwies. Nach Betätigung des „OK“-Buttons druckte die SB-Kasse für A zum Nachweis seiner Berechtigung an der mitgeführten Ware einen Papierbeleg betreffend die erfolgte Kartenzahlung mit dem jeweiligen Kaufpreis und dem - von einer späteren Einlösung der Lastschrift unabhängigen - Vermerk: „Zahlung erfolgt. BITTE BELEG AUFBEWAHREN […]“. Daraufhin verließ A mit den Waren die IKEA-Filiale. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Strafrecht 609 Strafbarkeit des A? [Anm.: § 246 StGB ist nicht zu prüfen.] PRÜFUNGSSCHEMA: COMPUTERBETRUG, § 263a I StGB A. Tatbestand I. Tathandlung 1. Unrichtige Gestaltung des Programms, § 263a I 1. Fall StGB 2. Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, § 263a I 2. Fall StGB 3. Unbefugte Verwendung von Daten, § 263a I 3. Fall StGB 4. Sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf, § 263a I 4. Fall StGB II. Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs III. Vermögensschaden IV. Kausalität I. – II. und II. – III. V. Vorsatz bzgl. I. bis IV. VI. Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung B. Rechtswidrigkeit und Schuld LÖSUNG A. Strafbarkeit gem. § 263 I StGB Durch die Bedienung der SB-Kasse könnte A sich wegen Betrugs gem. § 263 I StGB gegenüber der IKEA-Geschäftsleitung und zum Nachteil von IKEA strafbar gemacht haben. I. Tatbestand Der Tatbestand des Betrugs setzt zunächst eine Täuschung über Tatsachen voraus. „[23] Die Täuschung setzt jedoch die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen voraus; folglich ist eine solche Handlung nur gegenüber einem Menschen denkbar. [24] In der Regel wird beim Kauf von Waren im Laden der Täter durch Hingabe der EC/Maestro-Karte und Unterschreiben der Einzugsermächtigung den bei dem Unternehmen angestellten Kassierer darüber täuschen, dass eine nicht vorhandene Kontodeckung vorliegt. Da der Kassierer bei Annahme der Lastschriftermächtigung mindestens sachgedankliches Mitbewusstsein bezüglich der Deckung hat, unterliegt dieser einem Irrtum, der durch die Täuschung des Karteninhabers hervorgerufen wird und verfügt mit Aushändigung des Kaufgegenstandes über das Vermögen des Händlers/Unternehmens (sog. Dreiecksbetrug). Der Händler erlangt keine liquide Forderung gegen die Bank, so dass ein Vermögensschaden eintritt. Vermögensvorteil des Karteninhabers und der Nachteil des Händlers beruhen auf derselben Verfügung (Stoffgleichheit). [25] So liegt der Fall vorliegend jedoch nicht. [26] Bei einer Selbstbedienungskasse ist gerade keine Person zugegen. Vielmehr scannt der Kunde den an der Ware angebrachten Strichcode. Anhand des Strichcodes wird über eine Datenbank der Preis ermittelt und in der Kasse addiert. Im nächsten Schritt wählt der Kunde BGH, Beschluss vom 31.03.2004, 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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