568 Zivilrecht RA 11/2023 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen die B auf Zahlung von 47.292,62 € gem. §§ 280 I, 241 II BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 47.292,62 € aus §§ 280 I, 241 II BGB haben. Zu den unterschiedlichen Schadensersatzansprüchen des Vermieters gegen den Mieter nach Rückgabe der Mietsache in mangelhaftem Zustand: • BGH RA 07/2023, 342 ff. • BGH RA 10/2019, 514 ff. • BGH RA 08/2018, 460 ff. Dort finden Sie die Abgrenzungen zwischen den leistungsbezogenen Pflichten, die nach erfolglosem Ablauf einer Nachfrist zur Leistung zum Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB führen können sowie den Rücksichtspflichtverletzungen, die bei Rückgabe einer Mietsache in mangelhaftem Zustand ohne Fristsetzungserfordernis zum Anspruch des Vermieters aus §§ 280 I, 241 II BGB führen können. Klare Begriffsbestimmung durch den 30. Zivilsenat des OLG Hamm: Auf die Vertragsbeendigung kommt es nicht an. Es geht darum, ob der Vermieter faktisch in der Lage ist, Verschlechterungen und Veränderungen ungestört untersuchen zu können. Besitzaufgabe durch Verlassen des Objekts und Einwurf des Schlüssels in den Hausbriefkasten Kenntniserlangung des K I. Anspruch entstanden Zwischen K und B bestand aufgrund des Mietvertrages ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 I BGB. Indem B das Objekt zwar gem. § 546 BGB zurückgegeben hat, das Objekt sich bei der Rückgabe in mangelhaftem Zustand befand, hat B gem. § 241 II BGB ihre Pflicht verletzt, auf die Rechte und Interessen des K Rücksicht zu nehmen. Indem die eingetretenen Schäden am Objekt nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhten, hat B auch gem. § 538 BGB i.V.m. §§ 280 I 2, 276 BGB diese Pflichtverletzung zu vertreten. Die geltend gemachten Schäden beruhen kausal auf der Pflichtverletzung und wurden seitens K sachlich und rechnerisch richtig aufgelistet. Folglich ist ein Anspruch auf Zahlung von 47.292,62 € entstanden. II. Anspruch durchsetzbar Zu prüfen ist, ob der Anspruch auch durchsetzbar ist. Der Anspruch des K könnte gem. §§ 214, 548 BGB nämlich verjährt sein. B hat gem. § 214 BGB die Einrede der Verjährung erhoben. Fraglich ist, ob der Lauf der Verjährungsfrist des § 548 BGB abgelaufen ist. Dies wäre der Fall, wenn die Verjährungsfrist vorliegend spätestens gem. § 187 I BGB am 08.01.2021 in Lauf gesetzt worden ist. Dann endete der Lauf der Verjährungsfrist mit Ablauf des 08.06.2021. Dies wäre der Fall, wenn K die Mietsache am 07.01.2021 i.S.d. § 548 I 2 BGB dadurch zurückerhalten hätte, dass B nach dem Verlassen des Objekts den Schlüssel zum Mietobjekt in den Briefkasten des K geworfen hat. Eine solche Auslegung des § 548 I 2 BGB erscheint im vorliegenden Fall aus zwei Gründen problematisch: Zum einen hat K gegen dieses Verhalten der B protestiert. Zum anderen war das Mietverhältnis aufgrund der klaren vertraglichen Regelung nach der Kündigungserklärung der B zur Zeit des Schlüsseleinwurfs noch in Kraft. [55] Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. [56] Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht identisch mit Rückgabe im Sinne von § 546 BGB. Rückerhalt setzt grundsätzlich die unmittelbare Sachherrschaft (§ 854 BGB) des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten voraus. Entscheidend ist, dass der Vermieter die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört untersuchen kann und der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz vollständig und unzweifelhaft aufgibt (...). Das gilt auch, wenn das Mietverhältnis erst nach Rückerhalt endet (...); die Beendigung des Mietverhältnisses ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns (...). [57] Unstreitig hat die Beklagte die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen. Darin ist eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Es steht nicht in Rede, dass die Beklagte etwa noch Zugang zu den Mieträumen hatte. [58] Der Kläger hat von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die Schlüssel am 07.01.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da die Beklagte das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, war für den Kläger die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 11/2023 Zivilrecht 569 [59] Dem Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der Kläger zu einer Rücknahme der Mietsache nicht bereit war. [60] In Rechtsprechung und Literatur werden zwar unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt. [61] Nach einer Auffassung sind die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausgelöst werde, sobald der Mieter die erfüllungstaugliche Rückgabe der geräumten Mietsache anbiete (...). [62] Nach anderer Auffassung bleibt der Annahmeverzug mit der Rücknahme der Mietsache ohne Einfluss auf den Beginn der Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB; vielmehr könne nur die tatsächliche Besitzaufgabe durch den Mieter (z.B. durch Schlüsseleinwurf bei dem Vermieter) den Lauf der Verjährungsfrist auslösen, weil erst dadurch der Vermieter die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalte, von der der Beginn der Verjährungsfrist abhänge (...). [63] Schließlich wird vertreten, dass es - unabhängig vom Vorliegen eines Annahmeverzugs - der Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Vermieter gleichstehe, wenn dieser sich selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er ein Angebot des Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist (...). [64] Der Bundesgerichtshof hat die Beantwortung dieser Frage bislang offengelassen (...). Einer Entscheidung hierüber bedarf es auch vorliegend nicht. [65] Nach sämtlichen vorgenannten Ansichten beginnt die Verjährungsfrist nämlich jedenfalls mit Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter und Aufgabe des Besitzes an diesem durch den Mieter. [66] Nach den letztgenannten beiden Auffassungen hat die tatsächliche Besitzaufgabe durch die Beklagte den Lauf der Verjährungsfrist auslöst, weil der Kläger hierdurch die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalten oder er sich mit der Verweigerung der Besitzergreifung selbst dieser Möglichkeit begeben hat. [67] Soweit nach der erstgenannten Ansicht die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen sind, ergibt sich schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil nach dieser Rechtsauffassung sogar ein Verjährungsbeginn ohne Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter möglich sein soll. Davon abgesehen lagen aber auch die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs vor. Die von dem Kläger angeführten Beschädigungen und nicht durchgeführten Arbeiten und Wartungen hätten allenfalls eine Schlechterfüllung der Rückgabeverpflichtung begründet, jedoch nicht schon eine Erfüllungsleistung an sich entfallen lassen. Der Kläger konnte die tatsächliche Inbesitznahme des Mietobjekts auch mit Blick auf das (lediglich) noch bis zum 04.06.2021 fortdauernde Mietverhältnis nicht berechtigt verweigern. Er war bereits gegenwärtig ohne weiteres dazu in der Lage, das Mietobjekt ungestört zu untersuchen, ohne dass eine Besitzposition der Beklagten verblieben war. Bis zum Mietende bestand kein erheblicher Zeitraum. Entgegenstehende schutzwürdige Belange des Klägers sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Da ein Vermieter jedenfalls in einer solchen Lage nicht den Eintritt der kurzen Verjährung zu Lasten des Mieters hinauszögern können soll, lässt sich der Zur Relevanz des Protestes des K Die Rechtsfrage ist umstritten! e.A.: Bereits der Annahmeverzug des Vermieters gem. §§ 293 ff. BGB setzt den Lauf der Frist gem. § 548 I BGB in Gang. a.A.: Nur die tatsächliche Besitzaufgabe des Mieters löst den Lauf der in § 548 I BGB geregelten Verjährungsfrist aus. Weitere Ansicht: Unabhängig vom Annahmeverzug löst bereits die Weigerung des Vermieters, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, den Lauf der Frist des § 548 I BGB aus. Fehlen einer Entscheidung des BGH zur umstrittenen Rechtsfrage Weil alle Auffassungen vorliegend zum selben Ergebnis kommen, entscheidet der 30. Zivilsenat des OLG Hamm den Streit nicht. Die Schlechterfüllung der in § 546 BGB begründeten Rückgabeverpflichtung führt bei Überschreitung der Grenze des § 538 BGB zum Schadensersatzanspruch des Vermieters gegen den Mieter aus §§ 280 I, 241 II BGB. Die Schlechterfüllung lässt weder die Rückgabeverpflichtung entfallen, noch berechtigt sie den Vermieter zur Nichtannahme. Lehnt der Vermieter bei Mängeln am Objekt die Rücknahme ab, kommt er in Annahmeverzug. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
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