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RA 12/2016 - Entscheidung des Monats

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646 Öffentliches Recht

646 Öffentliches Recht RA 12/2016 Weitere Verpflichtete: EU-Organe; private Organisationen, die eine staatlichen Organen vergleichbare Machtkompetenz besitzen (sog. Verbände-Respr.); Einzelpersonen bei Diskriminierungen im Bereich des Art. 45 AEUV. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkung (-), da die von den Niederlanden nach Deutschland verbrachten Arzneimittel nicht der Menge oder dem Wert nach begrenzt werden. Entscheidend für Annahme einer Maßnahme gleicher Wirkung: Der Preis für eine Ware entscheidet über den Marktzugang. Der EuGH spricht die sog. Keck- Respr. nicht ausdrücklich an (anders der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen, Rn 20-38), weil er wohl von einer sog. indirekten / mittelbaren Diskriminierung ausgeht und „Keck“ dann gar nicht mehr zu prüfen ist. Jedenfalls ist „Keck“ auch inhaltlich nicht einschlägig, weil eine Behinderung des Marktzugangs vorliegt. Maßnahme gleicher Wirkung (+) B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs Es muss ein Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit vorliegen. Verpflichtete der Grundfreiheiten sind primär die Mitgliedstaaten einschließlich aller staatlichen Organisationen. Hier hat mit dem deutschen Gesetzgeber eine staatliche Einrichtung die maßgebliche Preisregelung getroffen. Weiterhin muss gem. Art. 34 AEUV eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegen. Eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, also eine Begrenzung der Einfuhr oder Durchfuhr einer Ware der Menge oder dem Wert nach, ist nicht gegeben. Das Merkmal „Maßnahme gleicher Wirkung“ erfasst jede mitgliedstaatliche Maßnahme, die geeignet ist, die Einfuhren zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (sog. Dassonville-Formel). „[24] Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass traditionelle Apotheken […] grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage sind, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Da Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Leistungsangebot eine solche Versorgung nicht angemessen ersetzen können, ist davon auszugehen, dass der Preiswettbewerb für sie ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein kann als für traditionelle Apotheken, weil es von ihm abhängt, ob sie einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt finden und auf diesem konkurrenzfähig bleiben. [25] Aus diesem Grund und da der Versandhandel für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken ein wichtigeres Mittel als für in Deutschland ansässige Apotheken […] ist, berührt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Abgabe nationaler Arzneimittel und die Abgabe von Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten nicht in gleicher Weise. Jura Intensiv [26] Nach alledem ist festzustellen, dass sich die Festlegung einheitlicher Abgabepreise […] auf in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf im deutschen Hoheitsgebiet ansässige Apotheken. Dadurch könnte der Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden als für inländische Erzeugnisse.“ Demnach liegt ein Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit vor. C. Rechtfertigung der Beeinträchtigung Der Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit könnte gerechtfertigt sein. I. Ausdrückliche Schranke Die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit könnte durch die in Art. 36 S. 1 AEUV ausdrücklich normierten Schranken gerechtfertigt sein. In Betracht kommt der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen.

RA 12/2016 Öffentliches Recht 647 „[31] Insbesondere kann das Erfordernis, die regelmäßige Versorgung des Landes für wichtige medizinische Zwecke sicherzustellen, eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs im Rahmen von Art. 36 AEUV rechtfertigen, da dieses Ziel unter den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen fällt. [33] Insbesondere soll dieses System […] sicherstellen, dass sich die Versandapotheken keinen ruinösen Preiswettbewerb liefern, der zu einem Verschwinden der traditionellen Apotheken insbesondere in ländlichen oder dünn besiedelten Gebieten führe, bei denen es sich um die für sie weniger attraktiven Standorte handele. Nur traditionelle Apotheken könnten eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung insbesondere in Notfällen, eine individuelle Beratung und eine wirksame Kontrolle der abgegebenen Arzneimittel gewährleisten.“ Demnach greift die ausdrückliche Schranke des Art. 36 S. 1 AEUV ein. II. Verhältnismäßigkeit Die einschränkende gesetzliche Regelung muss jedoch zudem auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Dafür muss sie zunächst einmal geeignet sein, d.h. sie muss die Verwirklichung des oben beschriebenen Zwecks des Gesundheitsschutzes fördern. „[37] Hinsichtlich der Geeignetheit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung zur Erreichung der angeführten Ziele ist festzustellen, dass das auf die Notwendigkeit der Gewährleistung einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in ganz Deutschland gestützte Argument nicht in einer Weise untermauert worden ist, die den […] Voraussetzungen genügt. Insbesondere wird, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, mit den in der vorliegenden Rechtssache vorgebrachten allgemeinen Aussagen zu dieser Frage nicht dargetan, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden kann. Jura Intensiv [39] Zu dem auf eine qualitativ hochwertige Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gestützten Argument ist festzustellen, dass dem Gerichtshof […] keine Belege dafür vorgelegt wurden, dass sich die Versandapotheken ohne eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. Insoweit ist auf die in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführten anderen Wettbewerbsfaktoren als den Preis hinzuweisen, die den traditionellen Apotheken eventuell ermöglichen könnten, im Wettbewerb mit dem Versandhandel auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Flächendeckende, sichere und qualitativ hochwertige Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dient dem Gesundheitsschutz. Beachte: Nicht Art. 5 IV EUV zitieren, da die Norm nur für Maßnahmen der EU gilt! Ziel: Flächendeckende, sichere, gleichmäßige Versorgung Preisbindung ungeeignet, weil dies keinen Einfluss auf die Verteilung der Apotheken in Deutschland hat Der Generalanwalt stellt zu Recht fest, dass aus der Anzahl der Apotheken nicht automatisch folgt, dass es eine flächendeckende Versorgung gibt. Bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürfte entscheidender sein, ob es flächendeckend Ärzte gibt, die die entsprechenden Rezepte ausstellen können. Ziel: Qualitativ hochwertige Versorgung Preisbindung ungeeignet, weil Deutschland keine ausreichenden Belege für die Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs vorgelegt hat. Andere Wettbewerbsfaktoren zugunsten der stationären Apotheken sind u.a. die individuelle Beratung und die Notfallversorgung, die nur sie bieten können.

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