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RA Digital - 01/2017

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18 Referendarteil:

18 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2017 Sie beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an sie 20.848,37 € zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Unterscheiden Sie die zwei verschiedenen Tatbestände des § 138 BGB. Die Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB liegen nicht vor. BGH, Urteil vom 15.01.2016, V ZR 278/14 BGH, Urteil vom 22.12.1999, VIII ZR 111/99 BGH, Urteil vom 10.02.2012, V ZR 51/11 BGH, Urteil vom 19.01.2001, V ZR 437/99; Palandt/Ellenberger, BGB, § 138, Rn 66 Zum Marktwert: BGH, Urteil vom 18.12.2007, XI ZR 324/06 BGH, Urteil vom 04.02.2010, IX ZR 18/09 Den Klägern steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Honorars aus § 812 I 1 1. Alt BGB zu, da der Kläger die durch Leistung der Beklagten erlangte Geldsumme mit Rechtsgrund erlangt hat. Denn der Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Leistung ist die mit dem Beklagten getroffene wirksame Vergütungsabrede. Diese ist weder wegen Wuchers gem. § 138 II BGB, noch wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nichtig. Für den Wuchertatbestand des § 138 II BGB, der neben einem auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auch erfordert, dass der Gläubiger eine beim Schuldner bestehende, von § 138 II BGB näher bestimmte Schwächesituation ausgenutzt hat, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der in der Rechtsnorm aufgeführten Fälle (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) durch die Kläger. Insbesondere liegt keine Zwangslage vor. Eine solche käme nur in Betracht, wenn für die Kläger wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingender Bedarf nach der anwaltlichen Beratung bestand. Die Kläger behaupten weder, dass ihnen kein anderer Anwalt zur Verfügung stand, noch dass sie sich in einer Lage befunden hätten, das Mandat kurzfristig nicht beenden zu können. Auch die Voraussetzungen des § 138 I BGB liegen nicht vor. Es fehlt sowohl an ausreichendem Vortrag der Kläger zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als auch zur subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit. Jura Intensiv „II.2.b) bb) (2) Eine Vergütungsabrede ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 138 I BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen, insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben. Dabei sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugrunde zu legen.“ „Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es zunächst auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Partei, die sich auf Sittenwidrigkeit beruft. Allerdings spricht bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung. (…)“ „Diese Maßstäbe gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Senats auch für ein mit einem Anwalt vereinbartes Pauschalhonorar in einem Zivilrechtsstreit. Daher muss der Mandant, der ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2017 Referendarteil: Zivilrecht 19 behauptet, zu dem Preis vortragen, welcher der vom Anwalt versprochenen Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt. Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden. (…)“ „Anders ist dies nur dann, wenn aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren im Allgemeinen davon ausgegangen werden muss, dass sie auch den erforderlichen Aufwand angemessen vergüten.“ „Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein für Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, stets der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand, insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Eine aufwandsangemessene Vergütung verletzt die guten Sitten nicht. Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein. Dies gilt erst recht wenn – wie im Streitfall – sich die Höhe der Gebühren nach einem Gegenstandswert richtet, der unabhängig von der Schwierigkeit der Sache und dem erforderlichen Aufwand ist, weil das Gesetz einen Fest- oder Regelbetrag vorsieht (hier: 3.000 €, § 45 I FamGKG).“ Für die Frage, welche Vergütung im konkreten Fall marktangemessen ist, hat das Gericht alle für und gegen ein auffälliges Missverhältnis sprechenden Indizien zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar im jeweiligen Einzelfall zu würdigen. Dies hängt auch davon ab, inwieweit bereits aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren eine aufwandsangemessene Vergütung für das konkrete Mandat erfolgt. Vor diesem Hintergrund verstößt im Streitfall das vereinbarte Pauschalhonorar von 20.000 € zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagen für eine Vertretung der Kläger in der Sache ihres Pflegekindes bezüglich aller sich hieraus ergebenden Sach- und Rechtsfragen nicht gegen die guten Sitten. Die Kläger hatten ein Interesse daran, die mit der Mutter ihres Pflegekindes und dem Jugendamt bestehenden Konflikte so umfassend und dauerhaft wie möglich klären zu lassen. Es war zu erwarten, dass diese Konflikte nicht ohne gerichtliche Auseinandersetzungen geklärt werden würden. Kindschaftssachen sind, sofern sie streitig werden, oft sachlich schwierig sowie zeit- und arbeitsintensiv. Die gesetzlichen Gebühren sind dann angesichts des gesetzlichen Regelstreitwerts von 3.000 € (§ 45 I FamGKG) möglicherweise nicht kostendeckend. Hinzu kommt, dass der Beklagte – weil die Kläger sich entschieden hatten, einen auswärtigen Anwalt einzuschalten – zu Terminen eine Reisezeit von acht Stunden benötigte. Auch die Art und Weise, wie die Gebührenvereinbarung zustande kam, spricht gegen eine Sittenwidrigkeit. Die Kläger haben den Beklagten am 6. Oktober 2009 mandatiert, ohne mit diesem ausdrücklich über das Honorar zu sprechen oder zu verhandeln. Jura Intensiv Vergleich mit gesetzlichen Gebühren Abstellen auf das konkrete Mandat BVerG, AnwBl 2009, 650 f. BGH, Urteil vom 30.05.2000, IX ZR 121/99 BGH, Urteil vom 03.04.2003, XI ZR 113/02 BGH, Urteil vom 04.07. 2002, IX ZR 153/01 Aufwandsangemessene Vergütung Zeitintensive Kindschaftssachen Gesetzliche Gebühren sind wegen des geringen Streitwertes nicht immer kostendeckend. Die vereinbarte Vergütung ist auch nicht gemäß § 3a II 1 RVG herabzusetzen, da das vereinbarte Pauschalhonorar nicht unangemessen hoch war. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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