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RA Digital - 01/2017

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4 Zivilrecht

4 Zivilrecht RA 01/2017 [49] In Anbetracht des weiten Verständnisses der Reichweite der Vermutungswirkung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist eine richtlinienkonforme Auslegung des § 476 BGB zudem auch insoweit geboten, dass bei Auftreten eines akuten mangelhaften Zustands vermutet wird, dieser habe in einem früheren Entwicklungsstadium schon bei Gefahrübergang vorgelegen. Die Vermutung des § 476 BGB erstreckt sich daher auch auf das Vorliegen eines Grundmangels, sodass es zu einer erheblichen Verschiebung der Beweislast auf den Verkäufer kommt. Der Verkäufer darf sich allerdings weiterhin auf die Unvereinbarkeit des Mangels mit der Art der Sache oder des Mangels berufen (§ 476 I BGB) a.E. [54] Folge dieser in zweifacher Hinsicht gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB ist eine im größeren Maß als bisher angenommene Verschiebung der an sich gem. § 363 BGB dem Käufer obliegenden Beweislast auf den Verkäufer. [55] Dieser hat also nunmehr darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und dem Verkäufer damit nicht zuzurechnen ist. Gelingt ihm diese Beweisführung nicht „rechtlich hinreichend“, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel i.S.v. § 434 I BGB vorlag. [56] Daneben verbleibt dem Verkäufer die - vom Gerichtshof nicht gesondert erörterte - Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar (§ 476 I BGB a.E.) sei.“ Mithin genügt es, dass K hier das Auftreten eines Mangels in Form einer nicht funktionierenden Schaltung innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang dargelegt hat. Unerheblich ist, dass er am 27.03.2010 noch nicht vorlag. Der Ausschlussgrund des § 476 I BGB a. E. greift nicht. Ein Mangel bei Gefahrübergang liegt vor. Jura Intensiv III. Erfolglose Fristsetzung K hat B zudem erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung i.S.d. § 439 BGB gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass sie angemessen lang war, den Mangel am Fahrzeug zu beheben. B. Ergebnis K steht gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 16.200 € gem. §§ 437 Nr. 2, 434, 323 I, 346 I BGB zu. FAZIT Die Entscheidung des EuGH vom 04.06.2015 (RA 2015,355) machte dem BGH Vorgaben zur richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB. Diese hat der BGH nun erfüllt, indem er den Anwendungsbereich der Vermutungsregel des § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf erweitert hat. Ab jetzt müssen Käufer nur noch eine Mangelerscheinung innerhalb der ersten 6 Monate seit Gefahrübergang darlegen und beweisen. Dann wird die Mangelhaftigkeit der Sache bei Gefahrübergang vermutet. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2017 Zivilrecht 5 Problem: Bieten auf eigene Artikel bei einer eBay Auktion (sog. „Shill Bidding“) Einordnung: Allgemeines Schuldrecht BGH, Urteil vom 24.08.2016 VIII ZR 100/15 EINLEITUNG Das sogenannte „shill bidding“ ist nach den eBay-Bedingungen nicht erlaubt. Verkäufern ist es danach verboten auf eigene Auktionen zu bieten. Welche Auswirkung diese Preismanipulation auf die „ehrlichen“ Gebote hat, musste nun vom BGH entschieden werden. SACHVERHALT Im Juni 2013 bietet der Beklagte (B) unter dem Benutzerkonto „g“ unter Vorgabe eines Startpreises von 1,- € und einer Auktionsdauer von zehn Tagen einen gebrauchten VW Golf auf der Internet-Plattform eBay zum Verkauf an. Die Auktion erfolgt auf Grundlage der zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (im Folgenden: eBay-AGB). Dort heißt es u.a.: „§ 10 II: Jeder Bieter kann bei einer Auktion ein Maximalgebot abgeben. Das Maximalgebot stellt den Höchstbetrag dar, den der Bieter bereit ist, für den Artikel zu bezahlen. Das Maximalgebot bleibt dem Anbieter und anderen Bietern verborgen. Bieten weitere Mitglieder auf den Artikel, so wird das aktuelle Gebot automatisch schrittweise erhöht, sodass der Bieter so lange Höchstbietender bleibt, bis sein Maximalgebot von einem anderen Mitglied überboten wurde. § 10 VI: Mitglieder dürfen den Verlauf einer Auktion nicht durch die Abgabe von Geboten unter Verwendung eines weiteren Mitgliedskontos oder durch die gezielte Einschaltung eines Dritten manipulieren. Insbesondere ist es dem Anbieter untersagt, selbst Gebote auf die von ihm eingestellten Angebote abzugeben.“ Jura Intensiv Zugleich gibt eBay den Bietern bei Auktionen abhängig von der Höhe des aktuellen Gebots sog. Erhöhungsschritte vor. Das ist der Mindestbetrag, um den die Teilnehmer das aktuelle Höchstgebot überbieten müssen, um selbst Höchstbietender werden zu können. Bis zu einer Gebotshöhe von 49,99 € beträgt dieser Erhöhungsschritt 0,50 € und steigert sich in Stufen. Ab einer 5.000 € überschreitenden Gebotshöhe beläuft sich der jeweilige Erhöhungsbetrag schließlich auf 50,- €. Die streitgegenständliche Auktion beginnt am 20.06.2013 um 7.55 Uhr. Das erste Gebot i.H.v. 1,- € gibt ein namentlich nicht bekannter Dritter über das Benutzerkonto „h8“ ab. Der Kläger (K) gibt über sein Benutzerkonto „m“ im Laufe des ersten Tages der Auktionslaufzeit mehrere Maximalgebote ab, durch die er zeitweise auch als Höchstbietender ausgewiesen wird. Sein zuletzt um 15.37 Uhr abgegebenes Maximalgebot auf das zum Verkauf stehende Fahrzeug beträgt 17.000 €. Als einziger weiterer Bieter neben K beteiligt sich B in verdeckter Form selbst an der Auktion, indem er über ein weiteres Benutzerkonto „kk“ nacheinander eine Reihe jeweils erhöhter Maximalgebote abgibt. Das letzte beträgt zuletzt um 12.43 Uhr 17.000 €. Mit diesem Betrag bleibt er bis zum Auktionsende am 30.06.2013 Höchstbietender, nachdem der Kläger sein um 15.37 Uhr in gleicher LEITSÄTZE 1. Das auf der eBay-Internetplattform mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot eines Anbieters ist sowohl nach § 145 BGB als auch nach den zur Erläuterung des Vertragsschlussvorgangs aufgestellten eBay- Bedingungen darauf angelegt, „einen anderen“ als dem Anbieter die Schließung eines Vertrages anzutragen. Das Angebot kann deshalb nur durch einen vom Anbieter personenverschiedenen Bieter angenommen werden. 2. Das über ein zweites Mitgliedskonto unzulässig auf ein eigenes Angebot abgegebene Gebot eines Anbieters ist unwirksam und bleibt in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben. 3. § 156 BGB findet auf eBay- Auktionen keine Anwendung (Bestätigung der Senatsurteile vom 07.11.2001, VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129 und vom 03.11.2004, VIII ZR 375/03, WM 2004, 2457). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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