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RA Digital - 01/2018

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24 Referendarteil:

24 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2018 dass die Zeugen sowieso zugunsten „ihrer“ Partei aussagen und eine Straftat nach §§ 153, 154 StGB begehen werden. Dies kann verallgemeinernd aber nicht unterstellt werden. Würdigung der Parteianhörung des Beklagten zu 1) Es wäre dabei für den sog. „Anbeweis“ zur förmlichen Parteivernehmung von Amts wegen erforderlich, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Angaben einer Partei spricht, Thomas/Putzo/ Reichold, ZPO, § 448 Rn 2. Der „Anbeweis“ ergibt sich in der Praxis häufig aus der Parteianhörung. Berücksichtigung der Verkehrsregeln zur Bildung einer Rettungsgasse Fassen Sie sich bei unproblematischen Nebenentscheidungen kurz! Im Übrigen erscheint die Einlassung des Beklagten zu 1 auch nicht glaubhaft: Er sagte nämlich aus, dass er auf der linken Geradeausspur an erster Position gestanden habe. Auf der rechten Geradeausspur habe ein anderes Fahrzeug gestanden, das dann über rot losgefahren sei. Dahinter müsse der LKW gestanden haben. Der Zeuge habe die Sirene gehört, das Lenkrad links eingeschlagen, sei aber noch nicht losgefahren. Dann habe es gekracht und der Audi sei vorne rechts ab der Tür beschädigt worden. Warum der Beklagte trotz Wahrnehmung des Signalhorns und bei freier Position an erster Stelle sein Fahrzeug nicht bewegte, sondern nur das Lenkrad - bei stehendem Fahrzeug - einschlug, erscheint fragwürdig. Wenn der LKW rechtsseitig erst an zweiter Stelle gestanden haben soll, wäre bei unveränderter Positionierung des Beklagtenfahrzeugs und Rechtsfahrt des LKW die Anstoßstelle am Audi zudem eher hinten rechts - und nicht vorne rechts - zu erwarten gewesen. Unter Zugrundelegung der Richtigkeit des Klägervortrags ist gem. § 17 II StVG eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 v.H. zu Lasten der Beklagten angemessen. Denn der gedachte Idealfahrer hätte damit gerechnet, dass sich das Beklagtenfahrzeug bei Bildung der Rettungsgasse wegen der besonderen Stresssituation auch nach rechts orientieren könnte. Aus der Wertung der § 11 II, 35 StVO folgt aber, dass sich das Beklagtenfahrzeug zur Bildung der Rettungsgasse nach links hätte bewegen müssen, um dem herannahenden Feuerwehreinsatzwagen das mittige Passieren gefahrlos zu ermöglichen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass das Beklagtenfahrzeug die gedachte Spur des Feuerwehrfahrzeugs schnitt und sich vor die dann anfahrende Zugmaschine in deren Spur bewegte. Somit hat das Beklagtenfahrzeug den überwiegenden Verursachungsbeitrag gesetzt. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 I, 708 Nr.11, 711 ZPO. Jura Intensiv FAZIT Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Regeln zum „Vier-Augen-Gespräch“, nach denen die informatorische Anhörung gem. § 141 ZPO ausnahmsweise denselben Stellenwert haben soll wie eine förmliche Parteivernehmung gem. § 448 ZPO oder ein Zeugenbeweis, sind nicht grundsätzlich auf Verkehrsunfälle übertragbar. Ihre Anwendung bleibt Fällen echter Beweisnot vorbehalten, wie sie aufgrund der strukturellen Waffenungleichheit typischerweise beim „Vier-Augen-Gespräch“ auftreten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2018 NEBENGEBIETE Nebengebiete 25 Arbeitsrecht Problem: Präklusion bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers Einordnung: Auslegung der §§ 4 S. 1, 7 KSchG BAG, Urteil vom 21.09.2017 2 AZR 57/17 EINLEITUNG Die materiellrechtliche Ausschlussfrist der §§ 4 S. 1, 7 KSchG findet auch Anwendung, wenn das KSchG nicht anwendbar ist, was sich aus dem Wortlaut des § 23 I 2 KSchG ergibt. Mithin kommt es für die Anwendbarkeit der Präklusionsfrist weder darauf an, ob die gemäß § 23 I KSchG maßgebliche Betriebsgröße erreicht ist, noch darauf ob der Arbeitnehmer die 6-monatige Wartefrist des § 1 I KSchG erfüllt hat. Unterschiedlich erklärt wird die dogmatische Wirkung der §§ 4 S. 1, 7 KSchG. Nach einer Ansicht gilt die schriftliche Kündigung des Arbeitgebers gem. § 7 KSchG als von Anfang an wirksam, wenn der Arbeitnehmer nicht nach Maßgabe der §§ 4 – 6 KSchG rechtzeitig, also regelmäßig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, § 4 S. 1 KSchG, Kündigungsschutzklage erhebt. Die eventuelle Unwirksamkeit hafte der Kündigung also nicht a priori an. Vielmehr sei die fehlerhafte Kündigung schwebend unwirksam. Nach anderer Ansicht bedarf es der Klage gerade nicht, um die Nichtigkeit der Kündigung erst herbeizuführen. Eine sozialwidrige oder aus sonstigen Gründen rechtswidrige Kündigung sei vielmehr von Anfang an unwirksam. Die Kündigungsschutzklage ziele insoweit nur auf eine Feststellung, nicht auf eine Gestaltung der Rechtslage. Da eventuelle Mängel der Kündigung aber nach § 7 KSchG rückwirkend geheilt werden, wenn die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig nach § 4 S. 1 KSchG geltend gemacht wird, sei eine Klage notwendig, um die Nichtigkeit der Kündigung aufrechtzuerhalten. Jura Intensiv Dieser dogmatische Streit spielt in der Klausur keine Rolle und darf nicht ausgeführt werden. Seine Darstellung dient hier nur dazu, den Leser an diese extrem wichtige Vorschrift heranzuführen. LEITSÄTZE Die Klagefrist gem. § 4 Satz 1 KSchG und die Fiktionswirkung des § 7 KSchG finden auf die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers keine Anwendung. MK-Hergenröder, KSchG, § 4 Rn 7: Die zunächst wirksame Kündigung wird durch die erfolgreiche Kündigungsschutzklage unwirksam. BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn 2: Durch die Kündigungsschutzklage wird die bereits bestehende Unwirksamkeit einer Kündigung bloß festgestellt. Schweinberger, JURA INTENSIV, Arbeitsrecht, Rn 820 ff. In der Regel beschäftigt man sich in arbeitsrechtlichen Klausuren nur mit arbeitgeberseitigen Kündigungen. Der vorliegende Fall behandelt jedoch die Frage, ob auch eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers unter den Anwendungsbereich der Präklusionsnormen fällt. SACHVERHALT Die Parteien streiten u.a. über die Wirksamkeit einer Eigenkündigung der Klägerin. Die Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde aufgrund einer paranoiden Schizophrenie 2013 stationär behandelt. Im Anschluss daran war sie wieder arbeitsfähig. Mit Schreiben vom 6.3.2015 kündigte die Klägerin das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis. Die Beklagte bestätigte die fristgemäße Kündigung zum 30.9.2015 und stellte die Klägerin bis dahin unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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