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RA Digital - 01/2018

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42 Referendarteil:

42 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 01/2018 Der Verweis auf § 9 I JuSchG ist unzulänglich, zumal das Alter des Klägers aus dem Tatbestand nicht hervorgeht. Verstoß gegen Rauchverbot Rechtmäßigkeit des Rauchverbots: § 1 Nds. NiRSG als EGL Die Verfassungsmäßigkeit einer Norm wird in einer Klausur nur geprüft, wenn einer der Beteiligten dazu vorträgt. BVerfG, Beschluss vom 18.5.2017, 2 BvR 249/17, juris Rn 4 VGH Koblenz, Urteil vom 30.9.2008, VGH B 21/08 und VGH B 29/08, juris Rn 26 Auch hier zeigt sich die Erforderlichkeit der Wiedergabe des Wortlauts von Ziffer 1 des Runderlasses. Nach den abstrakten rechtlichen Erwägungen: zurück zur Subsumtion. Weitere Formulierungen, um Einwände des Klägers abzuarbeiten: „Anders als der Kläger meint ...“; „Der Einwand des Klägers, .... , führt zu keinem anderem Ergebnis“, „Das Argument des Klägers ... überzeugt/ verfängt nicht“, „Der Kläger übersieht ...“. Keine Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem“ im Schul- und Beurteilungswesen. In Klausuren ganz häufig erforderlich: Trennung zwischen präventivem und repressivem Charakter von staatlichen Maßnahmen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts liegt ebenfalls nicht vor, da der Runderlass die gesetzlichen Vorgaben aus § 9 Abs. 1 Jugendschutzgesetz umsetzt und zudem der Aufsichtspflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) […] entspricht. Eine etwaige gruppendynamische Beeinflussung des Klägers ist insoweit unbeachtlich, da diese in vielfältigen Lebenssituationen anzutreffen sein dürfte und eine konsequente Durchsetzung des Alkoholverbotes geboten ist, um den damit verfolgten Zweck zu gewährleisten. Die Beklagte durfte zudem die Verstöße gegen das Rauchverbot für die Bewertung heranziehen. Ihr Rauchverbot fußt auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage und ist auch im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 Niedersächsisches Nichtraucherschutzgesetz (Nds. NiRSG) […] ist das Rauchen in Niedersachsen in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von öffentlichen Schulen und auf den zur Einrichtung gehörenden Hof- und Freiflächen verboten. Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen nicht. Der Nds. Gesetzgeber hat seinen Beurteilungsspielraum gewahrt, indem er seiner Nichtrauchern gegenüber bestehende Pflicht, sie vor Gesundheitsschäden infolge des Passivrauchens zu schützen und seiner Aufgabe, rauchende Schüler vor von ihnen selbst nicht abschätzbaren Folgen des Rauchens zu bewahren, ein höheres Gewicht beigemessen hat als der allgemeinen Handlungsfreiheit der rauchenden Schüler. Das von der Beklagten erlassene Rauchverbot entspricht der Ziffer 1 des Runderlass vom 07.12.2012, die sich als Umsetzung der Vorgaben des NiRSG darstellt. Ein auf bestimmte Räumlichkeiten, Personen oder Zeiten beschränktes Rauchverbot war der Beklagten schon von Gesetzes wegen nicht möglich. Der Kläger hat gegen das absolute Rauchverbot verstoßen, obwohl ihm dieses jedenfalls aufgrund der Unterzeichnung der Schulvereinbarung am 10.06.2009 bekannt war. Die Verstöße des Klägers waren so häufig, dass am 20.04.2015 eine Sondersitzung der Klassenkonferenz stattfand und Erziehungsmittel ihm gegenüber angeordnet wurden. Jura Intensiv Entgegen der Ansicht des Klägers handelte es sich nicht nur „um viele kleine störende Dinge“. Ungeachtet dessen, dass die Beklagte diese Wortwahl in ihrem Schreiben an die Nds. Landesschulbehörde vom 11.12.2015 verwendet hat, zeigt ihre übrige Reaktion, dass sie die wiederholenden Verstöße - zu Recht - als gravierend und erheblich einstufte. Schon das vom Kläger auf der Klassenfahrt gezeigte Verhalten reicht ihrer Ansicht nach für die Bewertung aus. Auch die eigens aufgrund der Verstöße anberaumte Klassenkonferenz macht die Erheblichkeit deutlich. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es im Schul- und Beurteilungswesen keinen Grundsatz, dass mit Erziehungsmitteln geahndete Verhaltensweisen nicht Grundlage für eine Beurteilung im Zeugnis sein können. Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 3 GG findet keine Anwendung. Bei Erziehungsmitteln handelt es sich nicht um Strafen. Sie dienen vorrangig einer pädagogischen Einwirkung auf den Betroffenen, das Verhalten in Zukunft zu ändern (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 NSchG) und die Funktionsfähigkeit der Schule zu gewährleisten. Im Übrigen findet Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 43 im Zeugnis keine weitere Bewertung von Verstößen statt, sondern lediglich eine Zusammenfassung des im zurückliegenden Schuljahr gezeigten Verhaltens. Die Tatsachengrundlage ist zudem nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte die Erziehungsmittel nicht berücksichtigt hat, sondern von seiner Uneinsichtigkeit ausgegangen ist. Anders als der Kläger meint, ist eine reflexive Verarbeitung seines Verhaltens nicht erkennbar. Zwar hat er die Verstöße auf der Klassenkonferenz am 20.04.2015 eingeräumt, dies allerdings erst nach längerer Diskussion. Die Vielzahl der Verstöße (auch nach dem Ableisten der Erziehungsmittel) und seine Uneinsichtigkeit, wenn Lehrkräfte der Beklagten ihn hierauf ansprachen, zeugen nicht von einer hinreichenden Reflexion. Die Einbeziehung von Verhalten vor den Erziehungsmitteln ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn Bewertungen in Abschlusszeugnissen beziehen sich auf das gesamte vorausgegangene Schuljahr (vgl. Ziffer 3.1 Zeugniserlass). Inwieweit die Nichtberücksichtigung der Erziehungsmittel im Widerspruchsbescheid den Kläger in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzen soll, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat ferner die wesentlichen Verfahrensvorschriften gewahrt. Insbesondere hat sie die anerkannten Bewertungsgrundsätze beachtet. Die Bewertung „I. Sozialverhalten entspricht den Erwartungen mit Einschränkungen aufgrund häufiger Nichtbeachtung von Vereinbarungen und Regeln“ steht im Einklang mit den Vorgaben von Ziffer 3.7.3 des Zeugniserlasses. Sie ist durch Hervorhebung einzelner Gesichtspunkte zu ergänzen, was vorliegend mit Blick auf die häufige Nichtbeachtung von Vereinbarung und Regeln erfolgt ist. Diese sind für die Beklagte verbindlich. Obgleich die Beklagte die in Ziffer 3.7.2 genannten Gesichtspunkte nicht ausdrücklich erwähnt hat, ergeben sich diese gleichwohl aus dem Gesamtzusammenhang. Denn der häufige Verstoß gegen das Rauchverbot und der Verstoß gegen das Alkoholverbot sowie die diesbezüglichen Reaktionen betreffen alle genannten Gesichtspunkte. Die Bewertung des Sozialverhaltens widerspricht schließlich nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte hat Abschluss- und Nichtabschlusszeugnisse nicht in willkürlicher Weise gleichbehandelt. Der Kläger übersieht, dass die verhaltenssteuernde Funktion in Bezug auf den weiteren Schulbetrieb nur eine neben anderen Funktionen ist, wobei die verschiedenen Funktionen in keinem bestimmten Rangverhältnis zueinander stehen. Zwar kann die verhaltenssteuernde Funktion von Beurteilungen im Abschlusszeugnis in Bezug auf den Schulbetrieb nicht mehr erreicht werden. Gleichwohl ist eine solche für die Zeit nach dem Schulbetrieb noch möglich und geradezu im Abschlusszeugnis angelegt. Denn die darin enthaltenen Bewertungen erfüllen auch eine Informationsfunktion gegenüber Dritten - vorzugsweise zukünftigen Arbeitgebern (vgl. Ziffer 2.1.2 des Zeugniserlasses). Darüber hinaus erschließt sich für das Gericht nicht, warum - wie der Kläger meint - Regelverstöße innerhalb des Schulbetriebes anders zu beurteilen sein sollen als solche außerhalb des Schulbetriebes oder ein abgestufter Bewertungsmaßstab zu Grunde zu legen sei. Der Schulbetrieb weist keine derartigen Besonderheiten auf, dass eine gesonderte Betrachtung angezeigt wäre. Ob besondere Umstände, bspw. eine Gruppendynamik, vorliegen, ist bei beiden Situationen in gleicher Weise zu berücksichtigen und stellt keine atypische Situation im Schulbetrieb dar. Jura Intensiv Die Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften unterliegt auch im Rahmen der anerkannten Fallgruppen des behördlichen Beurteilungsspielraums der vollen gerichtlichen Kontrolle. Auch hier sollte zur besseren Verständlichkeit der Wortlaut von Ziffer 3.7.2 und 3.7.3 des Zeugniserlasses wiedergegeben werden. Es empfiehlt sich, zumindest den Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes kurz zu erläutern (Verbot, wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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