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RA Digital - 01/2019

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RA 01/2019 Zivilrecht 7 [41] Denn der Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 I Alt. 2 BGB) richtet sich darauf, dass anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige Sache zu liefern ist. In Anbetracht dessen sind mit einer korrigierten Software ausgerüstete Fahrzeuge der hier maßgeblichen Modellversion vom Ersatzlieferungsanspruch umfasst. Der Umstand, dass der Fehler der Fahrzeugsoftware seit Juli 2013 beseitigt sei, bedeutet lediglich, dass die damit ausgerüsteten Fahrzeuge gegebenenfalls den hier festgestellten Sachmangel nicht mehr aufweisen. Mithin ist B nicht gem. § 275 I BGB von ihrer Verpflichtung zur Nacherfüllung in der von K beanspruchten Form befreit. 2. Bindung an die gewählte Art der Nacherfüllung Der von K mit Anwaltsschreiben vom 11.07.2013 getroffenen Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 I Alt. 2 BGB) könnte jedoch entgegenstehen, dass er zuvor die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 I Alt. 1 BGB), verlangt hat. „[43] Die Ausübung des durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführten Nacherfüllungsanspruchs des Käufers ist - anders als die Ausübung des Rücktritts- und Minderungsrechts - gesetzlich nicht als (bindende) Gestaltungserklärung ausgeformt worden. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Käufer daher nicht gehindert, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen. [44] Eine Bindung des Käufers an die zunächst gewählte Art der Nacherfüllung folgt auch nicht aus § 263 II BGB, wonach im Falle einer Wahlschuld (§ 262 BGB) die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete gilt. [45] Das Wahlrecht zwischen den verschiedenen Arten der Nacherfüllung ist entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung vom Gesetzgeber nicht als Wahlschuld ausgestaltet worden. Auch die Revision macht dies nicht geltend und steht insoweit im Einklang mit der im Schrifttum vorherrschenden Sichtweise. [46] Allein die letztgenannte Auffassung entspricht dem Gesetzeszweck des § 439 I BGB, der dem Käufer eine Befugnis zur Auswahl gewährt und seine Recht gegenüber dem Käufer erweitert. Entsprechend dieser Zielsetzung, die sowohl der unmittelbaren als auch der entsprechenden Anwendung des § 263 II BGB entgegensteht, hat es der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes als legtitim angesehen, den Käufer, der mit der Nacherfüllung das erhalten soll, was er vertraglich zu beanspruchen hat, entscheiden zu lassen, auf welche Weise das Vertragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sache doch noch erreicht werden kann. [47] Allerdings kann der Käufer unter den besonderen Umständen des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert sein, von seinem Nachbesserungsverlangen Abstand zu nehmen und Ersatzlieferung zu verlangen. [48] Dies ist jedoch nicht anzunehmen, wenn der Verkäufer die vom Käufer zunächst gewählte Nachbesserung nicht fachgerecht zuwege gebracht hat und aus diesem Grund die verkaufte Sache zur Zeit der Ausübung des Nachlieferungsverlangens nicht vertragsgerecht war. In einer solchen Fallgestaltung ist es umgekehrt dem Verkäufer unter dem Jura Intensiv Hier war eine Ersatzlieferung unproblematisch möglich. Ob das Softwareupdate im Juli 2013 möglich war, ist daher nicht allein entscheidend. K hatte zunächst Nachbesserung verlangt. Die Regeln der Wahlschuld kommen nicht zur Anwendung. Der BGH stellt an dieser Stelle ausdrücklich klar, dass der Käufer bei Ausübung des Wahlrechts im Rahmen der Nacherfüllung nicht an seine erste Wahl gebunden ist. Entscheidende Argumente gegen die Annahme eines Wahlschuldverhältnisses Grenzen ergeben sich nur aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB, die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig waren. Der Verkäufer hat die Nachbesserung nicht erfolgreich bewältigt. Deshalb kann er jetzt nicht den Käufer an seiner ursprünglichen Wahl festhalten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

8 Zivilrecht RA 01/2019 Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, den Käufer an der ursprünglich getroffenen Wahl festzuhalten, zumal die Interessen des Verkäufers Berücksichtigung finden, indem er die vom Käufer nachträglich gewählte andere Art der Nacherfüllung gegebenenfalls nach Maßgabe des § 439 III BGB a.F. [heute: § 439 IV BGB] verweigern darf. [49] So liegt es auch hier, denn die von der B im ersten Halbjahr 2013 unternommenen Nachbesserungsversuche haben die irreführende Softwarefunktion nicht korrigiert. Eine Mängelbeseitigung hätte ein Software- Update erfordert; ein solches stand jedoch erst ab Juli 2013 zur Verfügung.“ Die nachträgliche Behebung des Mangels – ohne Einwilligung des Käufers – steht dem Recht auf Nachlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 I Alt. 2 BGB) ebenfalls nicht entgegen. 3. Nachträgliche Behebung des Mangels Dem Verlangen des K nach einer Ersatzlieferung könnte jedoch entgegenstehen, dass der Softwarefehler am 14.10.2014 behoben wurde. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass § 439 I BGB nicht allein das Interesse schützt, eine mangelfreie Sache zu erhalten, sondern auch das Wahlrecht des Käufers zwischen Nachbesserung und Nachlieferung. „[54] K könnte jedoch unter dem Gesichtspunkt treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert sein, an der durch das wirksam ausgeübte Verlangen nach Lieferung einer mangelfreien Sache erlangten Rechtsposition festzuhalten, sofern er mit einer Mängelbeseitigung durch Aktualisierung der Fahrzeugsoftware einverstanden gewesen wäre. Für den Nacherfüllungsanspruch des Käufers gilt insoweit nichts anderes als für den Rücktritt vom Kaufvertrag.“ Ein solches Einverständnis hat K jedoch nicht erteilt. Ihm wurde nicht einmal mitgeteilt, dass die Fahrzeugsoftware im Rahmen der Inspektion am 14.10.2014 in einer Weise aktualisiert werden sollte, die Einfluss auf die bei abkühlungsbedürftiger Kupplung eingeblendete Warnmeldung hat. B. Ergebnis K steht damit gegen B ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB zu. Jura Intensiv FAZIT Ein Fahrzeug ist eben nicht frei von Sachmängeln, wenn eine Warnmeldung im Display erscheint, wonach der Fahrer anhalten soll, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies gar nicht erforderlich ist. Das Recht des Käufers, in dieser Situation statt einer Nachbesserung die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs zu verlangen, kann ihm ohne Zustimmung nicht durch eine nachträgliche Mängelbeseitigung genommen werden. Nach Auffassung des BGH kann diese im Rahmen der Einrede der Unverhältnismäßigkeit relevant werden. Allerdings kann der Verkäufer den Käufer nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten einer Nachlieferung (Ersatzlieferung) auf die Nachbesserung (Mängelbeseitigung) verweisen, wenn der Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt ist. Dies war im vorliegenden Fall nicht abschließend feststellbar, weshalb der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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