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RA Digital - 01/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

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RA 01/2019 Referendarteil: Öffentliches Recht 41 Eine zur Unwirksamkeit der Genehmigung führende Änderung der Sach- und Rechtslage ist gleichfalls nicht gegeben. Eine nachträgliche Änderung der für den Erlass des Verwaltungsakts maßgeblichen Sachoder Rechtslage lässt die Wirksamkeit des Verwaltungsakts grundsätzlich unberührt. Dies folgt aus der Wertung, die der Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zugrunde liegt. Hat danach die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, können geänderte Umstände nur dann unmittelbar zum Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts führen, wenn sie ihn ausnahmsweise gegenstandslos machen. Ob von einer derartigen Gegenstandslosigkeit auszugehen ist, hängt davon ab, ob der Verwaltungsakt nach seinem Inhalt und Zweck und gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Vorschriften, auf denen er beruht, Geltung auch gerade für den Fall der veränderten Umstände beansprucht oder nicht. An einer Konstellation, in der der Verwaltungsakt wegen veränderter Umstände keine Geltung mehr beansprucht, fehlt es hier. Der Abschluss eines schuldrechtlichen Überlassungsvertrages für die Ausübung eines Kraftfahrzeughandels, die tatsächliche Umnutzung des Grundstücks in diesem Sinne sowie die Stellung von Genehmigungsanträgen hierfür haben nicht dazu geführt, dass die im Jahr 2004 erteilte Baugenehmigung für einen Lagerplatz wegen ihres Inhalts und Zwecks oder im Hinblick auf die ihr zugrunde liegenden Vorschriften gegenstandslos geworden wäre. Insbesondere machten die hiermit verbundenen tatsächlichen Veränderungen eine Rückkehr zu der genehmigten Nutzung nicht unmöglich. Bauliche Änderungen, die einer solchen Nutzung entgegengestanden hätten, waren nicht erfolgt. Davon, dass auf die Baugenehmigung vom 16. April 2004 verzichtet worden wäre, ist ebenfalls nicht auszugehen. Auf das Vorliegen eines „Zeitmomentes“ kommt es insoweit nicht an. Ein Verzicht ist nicht ausdrücklich erklärt worden. Er kann auch weder in dem Abschluss eines schuldrechtlichen Überlassungsvertrages durch die Klägerin im Jahr 2008, in der tatsächlichen Aufnahme einer neuen Nutzung durch die Mieterin noch in der Stellung von Anträgen auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine andere als die ursprünglich genehmigte Nutzung gesehen werden. Ein konkludenter Verzicht läge hierin nur, wenn analog den §§ 133, 157 BGB für einen verständigen und objektiven Beobachter nach den Umständen des Einzelfalls erkennbar wäre, dass Rechte aus der früheren Baugenehmigung endgültig nicht mehr geltend gemacht werden sollten, wobei der Verzichtswille unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden sein müsste. Daran fehlt es hier. Jura Intensiv Mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Überlassungsvertrages für die Zwecke der Ausübung eines „Autohandels“ hat die Klägerin nicht unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auf die Rechte, die ihr die Baugenehmigung vom 16. April 2004 einräumte, für die Zukunft verzichten wollte. Zwar hat sie sich verpflichtet, ihr Grundstück für zunächst fünf Jahre mit Verlängerungsoption und damit letztlich für unbestimmte Zeit einem Dritten für die Ausübung einer Tätigkeit überlassen, die sich nicht innerhalb der Variationsbreite Keine zur Unwirksamkeit führende Änderung der Sach- und Rechtslage, da die Baugenehmigung nicht gegenstandslos geworden ist. Subsumtion des konkreten Sachverhalts Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989, 4 C 36.86, juris Rn 23 Kein Verzicht auf Ausnutzung der Baugenehmigung Der Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. VGH Mannheim, Urteil vom 10.11.1993, 3 S 1120.92, juris Rn 34; VG Karlsruhe, Urteil vom 24.9.2015, 9 K 710.14, juris Rn 36, 34 Ausführliche Begründung, warum in dem Abschluss des schuldrechtlichen Überlassungsvertrags kein konkludenter Verzicht auf die Ausnutzung der Rechte aus der Baugenehmigung liegt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

42 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 01/2019 der genehmigten Nutzung hielt. Denn davon, dass eine bloße Lagerung von Kraftfahrzeugen für Zwecke des Exports nach Osteuropa stattfand, wie die Klägerin behauptet hat, ist nicht auszugehen. Vielmehr war die Überlassung des Grundstücks für einen „Autohandel“ erfolgt und auch die Bauvorlagen der Genehmigungsverfahren der Jahre 2008 und 2012 lauteten auf „Kfz-Handel“ und wiesen Abstellplätze für „Verkaufs-Pkw“ aus. Ob sich eine bloße Zwischenlagerung von Kraftfahrzeugen für den Export noch innerhalb der Variationsbreite der zugelassenen Nutzung als Lagerplatz gehalten hätte, kann danach offenbleiben. Denn jedenfalls die vereinbarte und tatsächlich ausgeübte Nutzung lag außerhalb dieser Variationsbreite. Für die Frage, ob von einem konkludente Verzicht auszugehen ist, ist die Sicht eines verständigen und objektiven Beobachters maßgeblich. OVG Münster, Beschluss vom 13.12.216, 7 B 1227.16, juris Rn 2; VGH Kassel, Beschluss vom 12.4.2016, 4 A 1438/15.Z, juris Rn 16 Neue Nutzung und Antrag auf Genehmigung einer Umnutzung bedeuten nicht Verzicht auf die bereits existierende Baugenehmigung. Ein verständiger und objektiver Beobachter konnte und durfte den Vertragsschluss jedoch nicht dahin werten, dass die Klägerin auf die Baugenehmigung aus dem Jahr 2004 verzichten wollte und diese nicht länger wirksam sein sollte. Der Vertragsschluss machte vielmehr lediglich deutlich, dass die Klägerin das Grundstück weiterhin wirtschaftlich nutzen wollte. Denn die genehmigte Nutzung war zwischenzeitlich eingestellt worden und ohne eine Anschlussnutzung hätte das Grundstück brach gelegen. Dass es der Klägerin bei ihren Verwertungsbemühungen auf eine bestimmte Art der Nutzung für die Zukunft ankam, ist nicht zu erkennen. Gründe, die die Annahme rechtfertigen würden, sie hätte Wert darauf gelegt, dass gerade ein Autohandel auf ihrem Grundstück betrieben werden und die Nutzung als Lagerplatz für die Zukunft ausgeschlossen sein sollte, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Insoweit trat für einen objektiven Beobachter kein Verzichtswille zu Tage. Das gilt umso mehr, als die Beklagte nicht dargetan hat und auch nicht zu erkennen ist, dass sich die Klägerin einer Gefährdung des Fortbestandes der Genehmigung für einen Lagerplatz durch die Überlassung des Grundstücks für Zwecke eines „Autohandels“ bewusst gewesen wäre. Ob ihr Verhalten in einem solchen Fall anders zu würdigen wäre, kann offenbleiben. Dass die fragliche Nutzung nur aufgrund des Einschreitens der Beklagten beendet worden sein mag, ist unerheblich. Ebenso wenig liegt in der tatsächlichen Aufnahme des Kraftfahrzeughandels durch die Mieterin und in der Stellung von Genehmigungsanträgen für diese Nutzung ein unmissverständlicher und unzweifelhafter Verzicht auf die Baugenehmigung vom 16. April 2004, der der Klägerin zuzurechnen wäre. Jura Intensiv Selbst wenn in der tatsächlichen Umnutzung eines Grundstückes ein Verzicht auf eine Baugenehmigung gesehen werden kann, sofern der Berechtigte eine andersartige Nutzung aufnimmt und dies nach außen sichtbar wird, wobei die neue Nutzung - wie allerdings hier - außerhalb der Variationsbreite der bisher genehmigten Nutzungsart liegen muss und erkennbar auf Dauer ausgeübt werden soll, muss in jedem Fall hinzukommen, dass ein objektiver Beobachter nach den Umständen des Einzelfalles hieraus unmissverständlich und zweifelsfrei den Schluss auf ein Erlöschen der alten Genehmigung ziehen kann und darf. […] Im Regelfall dürfte nicht davon auszugehen sein, dass in der tatsächlichen Aufnahme einer neuen Nutzung auf einem Grundstück und in der Stellung eines Antrags auf Genehmigung einer baurechtlichen Umnutzung bereits ein unwiderruflicher Verzicht Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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