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RA Digital - 01/2020

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40 Referendarteil:

40 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 01/2020 (Rechts-)Fragen, die nicht entscheidungsrelevant sind, sind grundsätzlich offen zu lassen. BVerwG, Beschluss vom 16.6.1987, 1 B 93.86, juris Rn 11; VGH München, Beschluss vom 8.9.2014, 22 ZB 13.1049, juris Rn 18 Auch diese Ausführungen wären im erstinstanzlichen Verfahren im Vorbringen des Antragstellers wiederzugeben. Auf die vorgenannten polizeilichen Erkenntnisse kommt es nicht an, so dass die Frage nach ihrer Verwertbarkeit und der vom Antragsteller behaupteten Unvollständigkeit der Akten der Antragsgegnerin dahinstehen kann. Zum einen hat die Antragsgegnerin den Widerrufsbescheid auf diese Erkenntnisse nicht gestützt. Zum anderen wäre auch dann, wenn es nach der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers vom 28. September 2017 keine polizeilich dokumentierten Anzeigen und daraufhin eingeleiteten Ermittlungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegeben hätte, allein aufgrund der Verurteilung von seiner Unzuverlässigkeit auszugehen. Denn einem ordnungsgemäßen Verhalten während der laufenden Bewährungszeit und während des laufenden auf den Widerruf der Gewerbeerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahrens kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur geringe Aussagekraft zuerkannt werden, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Der Antragsteller trägt weiter vor, § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewO ziele nur auf die erstmalige Erteilung der Gewerbeerlaubnis, nicht aber auf den Fall, dass die Erlaubnis bereits erteilt sei. Die Untersagung seines bereits ausgeübten Gewerbes sei unverhältnismäßig und verstoße gegen Art. 3 GG, weil damit ungleiche Sachverhalte gleich behandelt würden; seine zivilrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern und Kunden würden nicht berücksichtigt. Zudem verbiete Art. 14 GG den Entzug der Gewerbeerlaubnis ohne sachlichen Grund und ohne Entschädigung. Durch den Widerruf werde in das Recht auf einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Eine gesetzliche Einschränkung dieses Rechts müsse dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genügen, was hier weder in Bezug auf die Gewerbeordnung noch das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz der Fall sei. Die Notwendigkeit der Beachtung des Zitiergebots ergebe sich auch aus einem Vergleich mit § 14 BRAO, der als berufsspezifische Spezialnorm den Eingriff in Art. 14 GG nicht ausdrücklich erwähnen müsse; bei der Gewerbeordnung und dem Verwaltungsverfahrensgesetz sei das anders zu beurteilen. Falls man davon ausgehe, dass das Zitiergebot bei Inhaltsbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht anwendbar sei, wäre jedenfalls eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung erforderlich, an der es hier fehle. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Frage zu stellen. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 34a GewO gestützten Widerruf der Gewerbeerlaubnis hier vorliegen, hat der Antragsteller nicht durchgreifend in Zweifel gezogen; insbesondere ist nicht ersichtlich, warum entgegen der gesetzlichen Regelung die Anforderungen an die Zuverlässigkeit nach § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewO beim Widerruf der Gewerbeerlaubnis anders als bei deren erstmaliger Erteilung nicht oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommen sollten. Der Vortrag lässt nicht erkennen, inwieweit es in dem konkreten Fall unter Verhältnismäßigkeitsoder Gleichheitsgesichtspunkten geboten sein könnte, wegen zivilrechtlicher Verpflichtungen gegenüber Kunden und Arbeitnehmern den durch die Begehung der Straftat und ihre konkreten Umstände zum Ausdruck gekommenen Mangel der Zuverlässigkeit mit der Folge zu überwinden, dass von dem Widerruf der Gewerbeerlaubnis abzusehen wäre. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Referendarteil: Öffentliches Recht 41 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen der Gewerbeordnung entsprechende Untersagungsverfügung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verstoßen kann. Die Beschwerdebegründung bleibt zu pauschal, um Anhaltspunkte für einen solchen extremen Ausnahmefall zu bieten. Die Rüge einer Verletzung von Art. 14 GG führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Dabei kann dahinstehen, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überhaupt dem Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG unterfällt. Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei den dem Widerruf der Gewerbeerlaubnis zugrundeliegenden Vorschriften (§ 34a GewO, Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG) nicht um zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handeln würde. Auf eine ausdrückliche Erwähnung von Art. 14 GG in der Gewerbeordnung oder im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz – wie der Antragsteller wohl meint – kommt es insoweit nicht an. An einem Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG mangelt es schon deshalb, weil dieses nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG keine Anwendung findet. Ein anderes Ergebnis ergibt sich bezüglich der hier angewendeten Normen auch nicht aus dem von dem Antragsteller gezogenen Vergleich mit § 14 BRAO. Nach Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht weiterhin Art. 3 GG [...] verletzt, indem es seinem erstinstanzlichen Vortrag zu einer aus seiner Sicht bestehenden Vergleichbarkeit der in Streit stehenden gewerberechtlichen Maßstäbe mit dem Disziplinarrecht nicht gefolgt ist. Begingen Beamte außerdienstliche Dienstpflichtverletzungen, so werde in der Regel der Bezug zum Amt fehlen und eine beamtenrechtliche Ahndung nicht oder nur im unteren Bereich stattfinden, während dem Antragsteller mit einem Widerruf seiner Gewerbeerlaubnis und damit den schärfsten Instrumenten der Verwaltung begegnet werde, obwohl er die Straftat nicht im Zusammenhang mit seinen Überwachungsaufgaben begangen habe. [...] Die Sachverhalte seien vergleichbar, weil der Antragsteller als Bewachungsunternehmer nach der Rechtsprechung eine polizeiähnliche Funktion und eine quasistaatliche Sicherheitsrolle ausübe. Jura Intensiv Das Verwaltungsgericht hat jedoch zutreffend und ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, dass die sich aus der nachträglich eingetretenen Unzuverlässigkeit eines Bewachungsunternehmers ergebenden Rechtsfolgen abschließend in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 34a Abs. 1 GewO geregelt sind und sich zudem das für Beamte geltende Disziplinarrecht grundlegend von dem hier anzuwendenden Gewerberecht unterscheidet, so dass mit Blick auf die Rechtsfolgen der von dem Antragsteller begangenen Straftat für seine Gewerbeerlaubnis allein die Regelungen des Gewerberechts zur Anwendung kommen. Während das Disziplinarrecht neben der Pflichtenmahnung für sich dienstpflichtwidrig Vgl. zu § 35 Abs. 1 GewO VGH München, Beschluss vom 24.10.2012, 22 ZB 12.853, juris Rn 26; BVerwG, Beschluss vom 9.3.1994, 1 B 33/94, juris Rn 3 Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs wird von den Betroffenen regelmäßig erhoben. Offen gelassen in BVerfG, Urteil vom 6.12.2016, 1 BvR 2821/11 u.a., juris Rn 240 Zitiergebot nicht auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen anwendbar. BVerfG, Beschluss vom 12.1.1967, 1 BvR 168/64, juris Rn 4; Beschluss vom 4.5.1983, 1 BvL 46/80 u.a., juris Rn 25 ff. Kein Verstoß gegen Art. 3 GG Betreiber eines Bewachungsgewerbes sind nicht mit Beamten mit Sicherheitsfunktion vergleichbar. Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und der GewO sind für Gewerbetreibende abschließend. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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