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RA Digital - 01/2020

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2 Zivilrecht

2 Zivilrecht RA 01/2020 Der bezweckte Erfolg der Leistung, ein Grundstück mit dem Geld zu kaufen, ist eingetreten. Diese Gedanken formulierte der BGH im Urteil vom 03.02.2010, XII ZR 189/06, Rn 50 f. Der BGH hatte damit eine tatsächliche Zweckabrede nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch hohe Anforderungen zur Annahme des Vorliegens einer solchen aufgestellt. Aus diesem Grund werden entsprechende Zweckvereinbarungen selten zu bejahen sein. Was als Geschäftsgrundlage genügt, reicht zur Annahme einer Zweckvereinbarung nicht zwingend aus. Die Instanzgerichte bevorzugen auch deshalb den flexiblen § 313 I BGB zur Rückabwicklung. So ist z.B. das Leistungsstörungsrecht vorrangig. Weil es hierauf im vorliegenden Fall nicht ankommt, bleibt es bei sparsamen Ausführungen. Oertmanns ursprüngliche Definition lautete: „Geschäftsgrundlage ist die beim Geschäftsschluß zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut.“ (Oertmann, Die Geschäftsgrundlage. Ein neuer Rechtsbegriff, 1921, 37) B. Anspruch auf Rückzahlung aus Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2. BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung aus einer Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB haben. B hat im Falle einer Barzahlung Eigentum und Besitz am Bargeld, im Falle einer Überweisung auf sein Konto einen Anspruch auf Auszahlung gem. § 675t BGB erlangt. K leistete schenkweise (donandi causa). Fraglich ist aber, ob der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist. Erforderlich ist eine tatsächliche Einigung über den Zweck der Leistung zwischen den beteiligten Partnern. Eine solche kann in der Investition in ein Hausgrundstück gesehen werden. Diese ist aber tatsächlich vorgenommen worden, der Zweck der Schenkung damit nicht verfehlt worden. Auch kann der verfolgte Zweck im Sinne § 812 I 2 Alt. 2 BGB darin bestehen, dass der Zuwendungsgegenstand dem eigenen Kind der Schwiegereltern dauerhaft zugutekommt, indem dessen Ehe, hier eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, fortbesteht. Eine Zweckabrede im Sinne des § 812 I 2 Alt. 2 BGB setzt positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils voraus, ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht. Hinzu kommt, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung nicht selten die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe nicht in ihre Überlegungen aufnehmen. In diesen Fällen mag zwar dennoch eine gemeinsame Vorstellung vom Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, welche die Geschäftsgrundlage der Schenkung bildet; eine entsprechende Zweckvereinbarung kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht. Dies muss für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft erst Recht gelten. Hier liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass K mit dem Geschenk die Beziehung der Tochter sichern wollte und B dies gewusst hat. Mangels einer tatsächlichen Einigung scheidet ein Anspruch aus der Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB aus. C. Anspruch auf Rückzahlung mittels Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB I. Vertrag Der für eine Vertragsanpassung nötige Vertrag liegt hier mit dem Schenkungsvertrag vor. Jura Intensiv II. Keine vorrangige Regelung Eine vorrangige gesetzliche Regelung ist hier nicht ersichtlich. Ferner fehlt es an einer vertraglichen Abrede zur Konfliktlösung. III. Geschäftsgrundlage Unter Geschäftsgrundlage versteht man Umstände oder Vorstellungen über Umstände, die nicht Vertragsinhalt wurden, aber für den Vertragsschluss so wesentlich waren, dass entweder der Geschäftswille beider Parteien auf ihnen aufbaute oder derjenige einer Partei, erkennbar für die andere. [13] Bei der Prüfung, was im Einzelfall Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrags ist, ist zu berücksichtigen, dass der Schenkungsvertrag keinen Austauschvertrag darstellt, bei dem Leistung und Gegenleistung in einem synallagmatischen Verhältnis stehen. Der Schenkungsvertrag ist vielmehr durch das Versprechen einer einseitigen unentgeltlichen Zuwendung gekennzeichnet, mit der der Schenker einen Vermögensgegenstand weggibt und dem Beschenkten, soweit die Schenkung nicht Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Zivilrecht 3 unter einem Vorbehalt oder einer Bedingung oder mit einer Auflage erfolgt, diesen Gegenstand zur freien Verfügung überlässt. Der Beschenkte schuldet keine Gegenleistung; er „schuldet“ dem Schenker nur Dank für die Zuwendung (…). [14] Den Schenkungsvertrag kennzeichnet damit in zweifacher Hinsicht eine Asymmetrie. Zum einen steht der Leistung des Schenkers keine Gegenleistung des Beschenkten gegenüber, zum anderen ist die Leistung des Schenkers mit der Übertragung des Schenkungsgegenstands erbracht, während die Dankesschuld des Beschenkten andauert. (…). [15] Diese Asymmetrie ist typischerweise auch kennzeichnend für die für die Geschäftsgrundlage relevanten Vorstellungen der Vertragsparteien. Je mehr der zugewendete Gegenstand nach seiner Art und seinem Wert geeignet ist, die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten zu beeinflussen, desto eher wird der Schenker typischerweise Vorstellungen über diese Lebensgestaltung hegen. Die Zuwendung von Grundeigentum oder von Geldbeträgen, die dem Grunderwerb dienen sollen, ist dafür ein besonders häufiges Beispiel. Der private Grunderwerb ist regelmäßig auf Dauer, zumindest auf eine gewisse Dauer ausgelegt, und es wird regelmäßig angenommen werden können, dass auch der Schenker, der dem Beschenkten ein Grundstück oder einen hierfür zu verwendenden Geldbetrag verspricht, damit die Vorstellung verbindet, dass das Grundstück dem Beschenkten zumindest für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen wird. [19] Danach wird der Zuwendung von Grundeigentum, das vom Beschenkten bewohnt werden soll, oder zu einem entsprechenden Grunderwerb bestimmter Geldbeträge regelmäßig die Vorstellung des Schenkers zugrunde liegen, die Wohnnutzung des Grundstücks werde jedenfalls von einiger Dauer sein. Insbesondere wird eine solche Zuwendung an ein Kind des Schenkers und dessen Partner, die anlässlich der Eheschließung oder sonstigen dauerhaften Verbindung oder in deren Erwartung erfolgt, regelmäßig mit der Vorstellung verbunden sein, das Hausgrundstück werde jedenfalls für einige Dauer von den beschenkten Partnern und gegebenenfalls deren Kindern als gemeinsame Familienwohnung genutzt werden. (…) [23] (…) Da die Tochter der Klägerin und der Beklagte zum Zeitpunkt der Zuwendung bereits mehrere Jahre zusammenlebten und sich anschickten, dieses Zusammenleben durch den gemeinsamen Erwerb einer Immobilie zu verfestigen, liegt es nahe, dass der Schenkungswille der Klägerin auf der Vorstellung aufbaute, ihre Tochter und der Beklagte setzten ihre Lebensgemeinschaft jedenfalls auf längere Zeit fort. Es entspricht zudem der Lebenserfahrung, dass eine Zuwendung in der in Rede stehenden Höhe an eine Person, welcher der Schenker nicht aus anderen Gründen besonders verbunden ist, regelmäßig nur in der Annahme erfolgt, damit zum dauerhaften Zusammenleben des Beschenkten mit dem eigenen Kind oder einer anderen Person, für die der Schenker in ähnlicher Weise Sorge tragen möchte, beizutragen. Jura Intensiv [24] (…) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen konnte der Beklagte auch nur in der Annahme, seine Lebensgemeinschaft mit der Tochter der Klägerin sei - weiterhin und mit dem gemeinsamen Immobilienerwerb erst recht - auf Dauer angelegt, die Motivation der Klägerin für die an ihn erfolgte Schenkung sehen. Typisch für den Schenkungsvertrag ist die Asymmetrie zwischen rechtsverbindlicher Leistungspflicht und moralischer Dankesschuld. Diese Asymmetrie ist auch für die Geschäftsgrundlage kennzeichnend. Immobilienerwerb ist auf Dauer angelegt. Also rechnet auch der Schenker von Grundeigentum oder der zur Investition nötigen Geldbeträge mit einer langfristig angelegten Investition. Langfristig genutzte Familienwohnung Wie unten ersichtlich wird, sucht und findet der X. Zivilsenat die Konfliktlösung nicht in einer Interessenabwägung, sondern unter Zugrundelegung der den Schenkungswillen leitenden Motive. Deshalb wird die Lösung nur verständlich, wenn man die sorgfältige Ermittlung der Geschäftsgrundlage einbezieht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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