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RA Digital - 01/2021

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38 Referendarteil:

38 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 01/2021 Anträge: Indikativ Präsens Im Examen wäre in den Gründen zu I. auch die Begründung für die Beschränkungen wiederzugeben. Da Entscheidungen in Eilverfahren in der Praxis oftmals keinen Tatbestand enthalten, konnten diese hier nicht dargestellt werden. Darlegung des Prüfungsmaßstabs: Hier sollten die Begriffe Ermessensentscheidung, summarische Prüfung, Interessenabwägung und Erfolgsaussichten in der Hauptsache genannt werden. Subsumtion Prüfung der Rechtmäßigkeit von Nr. 1 § 8 I NVersG ist inhaltlich identisch mit § 15 I VersG. Neben Niedersachsen haben auch Bayern, Berlin (in Teilbereichen), Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein landesrechtliche Versammlungsgesetze erlassen. In den übrigen Ländern gilt das VersG Bund. BVerfG, Beschluss vom 14.5.1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, juris Besonderer Maßstab im Eilverfahren im Hinblick auf Art. 8 GG II. Er beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage 5 A 319/20 wiederherzustellen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Zur Begründung beruft sie sich auf den angegriffenen Bescheid. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 und Nr. 10 des Bescheids vom 11. November 2020 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen hat Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Auflagen Im Rahmen der Abwägung des kraft Gesetzes bestehenden Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs in der Hauptsache trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs anhand einer summarischen Prüfung. Wird der Rechtsbehelf (hier die Klage) in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos sein, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Wird er voraussichtlich erfolgreich sein, überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers, da an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann, wenn dieser an schwerwiegenden Mängeln leidet oder dessen sofortige Vollziehung eine unbillige Härte darstellen würde. Ist dagegen der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung. Ausgehend von diesem Maßstab erweisen sich die versammlungsrechtlichen Beschränkungen in Nr. 1 und Nr. 10 des Bescheides vom 11. November 2020 nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig. Jura Intensiv Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Anordnung in Nr. 1 des Bescheids ist § 8 Abs. 1 NVersG. Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschränkt. Die Möglichkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich vorgesehen. Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte schon im Eilverfahren durch eine möglichst umfangreiche Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen versammlungsrechtlichen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen; im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2021 Referendarteil: Öffentliches Recht 39 Das der zuständigen Behörde durch § 8 Abs. 1 NVersG eingeräumte Entschließungsermessen ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechtes ergibt, dass dies zum Schutz anderer mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung in der vom Antragsteller beantragten Form voraus. Die „unmittelbare Gefährdung“ i.S.d. § 8 Abs. 1 NVersG setzt wiederum eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. Außerdem müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus; bloße Vermutungen reichen nicht. Das aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuleitende Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters bezieht sich dabei in der Regel auch auf Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung, kann allerdings durch Rechte anderer beschränkt sein. Nach diesen Grundsätzen kann die in Nr. 1 des Bescheids vom 11. November 2020 verfügte örtliche Beschränkung im Rahmen des vorliegend anzuwendenden Prüfungsmaßstabs keinen Bestand haben. Sie ist bereits nicht hinreichend bestimmt und im Übrigen auch aus materiellrechtlichen Gründen nicht gerechtfertigt. Die Anordnung ist bereits nicht hinreichend bestimmt. Ein Verwaltungsakt muss, um hinreichend bestimmt zu sein, den Adressaten in die Lage versetzen zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung darstellen. Jura Intensiv Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsaktes. Hinreichende Bestimmtheit liegt vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. In der Klausur sollten zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen erläutert werden; erst im Anschluss ist auf das Ermessen einzugehen. Subsumtion Die Bestimmtheit ist bei Ortsbeschränkungen oftmals problematisch. Allgemeine Rechtsgrundsätze zur Bestimmtheit, vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.2013, 8 C 21/12, juris Rn 15; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, 8 C 18/16, juris Rn 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37 Rn 7 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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