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RA Digital - 01/2022

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

10 Zivilrecht

10 Zivilrecht RA 01/2022 Das Interesse des Eigentümers an der Vermietung durch die S-GmbH bestand in der Verhinderung der Ausübung des Rückgewähranspruchs durch die H-GmbH. lediglich ein Interesse am Eintritt der Rechtsfolge des § 566 Abs. 1 BGB. Dies genügt für eine analoge Anwendung der Vorschrift aber nicht. Folglich ist die K nicht analog §§ 578 I, 566 BGB in den befristeten Mietvertrag eingetreten. 3. Konkludenter Abschluss eines Mietvertrages zwischen K und B Jedoch können Mietverträge auch konkludent abgeschlossen werden. Indem K dem B die Grundstücksfläche seit 2009 überlassen und B die Miete an K gezahlt hat, ist dies geschehen. Folglich lag ein Mietvertrag vor. § 550 BGB kommt zur Anwendung Bezug zu BGH, Urteil vom 17.06.2015, XII ZR 98/13 II. Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung gem. §§ 542, 580a BGB K könnte diesen Mietvertrag mit dem am 03.01.2017 dem B zugegangenen Schreiben ordentlich gem. §§ 542, 580a BGB gekündigt haben. Dies setzt einen unbefristeten Vertrag voraus. [41] Dieser eigenständige konkludente Mietvertrag ist entgegen §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht schriftlich abgeschlossen worden, so dass er für unbestimmte Zeit galt und ordentlich kündbar war. Er wahrte auch nicht etwa deswegen die Schriftform der §§ 578, 550 BGB, weil er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form niedergelegten Vertragsbedingungen konkludent abgeschlossen worden ist (...). Denn im Gegensatz zu dem genannten Senatsurteil liegt hier schon keine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vor. Folglich liegen die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Vertrages gem. §§ 542, 580a BGB vor. III. Wirksamwerden der Kündigung Die Kündigung wurde gem. § 580a II BGB zum 30.06.2017 mit dem Ablauf des zweiten Kalendervierteljahres, das auf die Kündigung am 3. Werktag des ersten Kalendervierteljahres folgte, wirksam. Jura Intensiv B. Weitere Ansprüche des K Weil das Besitzrecht aus dem Mietvertrag entfallen ist, steht K ferner ein Anspruch aus § 985 BGB zu. Ferner entfiel mit dem Mietvertrag der Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Besitzes, sodass ebenso ein Anspruch aus § 812 I 2 Alt. 1 BGB besteht. Ergebnis: K hat gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Besitzes am Grundstück gem. § 546 BGB. FAZIT § 566 BGB findet keine analoge Anwendung, wenn der Grundstückseigentümer erst im Zeitpunkt der Veräußerung des vermieteten Grundstücks ein wirtschaftliches Interesse am Eintritt des Erwerbers in den bestehenden Mietvertrag hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2022 Zivilrecht 11 Problem: Photovoltaikanlage als Grundstücksbestandteil Einordnung: Sachenrecht BGH, Urteil vom 22.10.2021 V ZR 44/20 EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung ist eine von vier zur Veröffentlichung bestimmten Parallelentscheidungen, die der V. Zivilsenat des BGH am selben Tag getroffen hat (Urteile vom 22.10.2021, V ZR 225/19, V ZR 8/20, sowie V ZR 69/20). In allen wurde der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil eine entscheidende, die Anwendung des § 93 BGB betreffende Frage, aufgrund der Tatsachenlage noch nicht beantwortet werden konnte. Gleichwohl enthalten die Entscheidungen sehr viele examensrelevante Aussagen zu den §§ 93 - 95 BGB. Die Redaktion beantwortet die entscheidende Frage zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers und weist Sie in der Marginalie ausdrücklich auf die Ungeklärtheit des Umstandes hin. SACHVERHALT Der K ist Insolvenzverwalter. Im Februar 2011 verkaufte der Insolvenzschuldner (V) an B 40 Module einer Freiland-Photovoltaikanlage nebst einem Miteigentumsanteil an deren Unterkonstruktion. Diese Anlage mit ursprünglich V gehörenden insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen, neun Wechselrichtern und einer Gesamtleistung von 1.050 kWp hatte V zuvor auf dem Grundstück des E errichtet. Zu diesem Zeitpunkt hatte V keine Dienstbarkeit am Grundstück des E. Der Vertrag zwischen V und B enthält u.a. folgende Regelungen: [...] „2. Auf Grundlage des unter Ziffer 1 genannten Nutzungsrechts errichtete der Verkäufer auf der in der Anlage 1 markierten Freilandfläche eine Photovoltaikanlage. Das Eigentum an dieser Anlage, und zwar die Module, die mit der in der Angebot/Bestellung näher bezeichneten Nummer gekennzeichnet sind, soll auf der Grundlage des vorliegenden Vertrages auf den Käufer übergehen. [...]. § 1 Kaufgegenstand - Photovoltaikanlage 1. Gegenstand dieses Vertrages ist die Übergabe und Übereignung einer Photovoltaikanlage. [...]. § 8 Eigentumsvorbehalt Die Photovoltaikanlage einschließlich der Zubehörteile bleibt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers. Nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises geht das Eigentum und Miteigentum an der Anlage (Vorbemerkung zu Ziffer 2 und § 1 Abs. 1) auf den Käufer über, worüber die Parteien einig sind. Die Übergabe gilt als erfolgt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kaufpreis vollständig bezahlt ist.“ [...] Jura Intensiv LEITSÄTZE DER REDAKTION 1. Gebäude i.S.v. § 94 BGB sind zwar auch andere größere Bauwerke, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutet. Ein Bauwerk setzt in diesem Zusammenhang aber regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen „Gebautes“ von solcher Größe und Komplexität voraus, dass die Beseitigung, die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte. 2. Eine Freiland-Photovoltaikanlage stellt jedenfalls dann, wenn sie aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen oder Schienen sowie darin eingesetzten Photovoltaikmodulen besteht, kein Gebäude i.S.v. § 94 BGB dar. 3. Ob ein Bestandteil (hier: Modul einer Freiland-Photovoltaikanlage) im Sinne des § 93 BGB wesentlich ist, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Verbindung, wenn es darauf ankommt, ob an dem Bestandteil bestehende Rechte Dritter infolge der Verbindung untergegangen sind. Ist dagegen zu beurteilen, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, kommt es auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts an (Fortführung von BGH, Urteil vom 11.11.2011, V ZR 231/10). Zugleich unterzeichneten V und B ein/eine „Angebot/Bestellung zur Lieferung einer Photovoltaikanlage“, in dem die Module und die Unterkonstruktion näher beschrieben waren. Außerdem sollte B eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) am Grundstück des E erhalten, welche E und nachfolgende Eigentümer zur Duldung der Anlage verpflichtet hätte. B zahlte den Kaufpreis von 37.485 €. Er vermietete die gekauften Module einschließlich Unterkonstruktion an eine Tochtergesellschaft des V. Am 01.03.2016 wurde © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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