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RA Digital - 01/2022

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

16 Zivilrecht

16 Zivilrecht RA 01/2022 [28] Folglich kommt es für die hier zu entscheidende Frage, ob der Beklagte das Eigentum an den Modulen erwerben konnte oder ob diese als wesentliche Bestandteile der Photovoltaikanlage nach § 93 BGB nicht Gegenstand gesonderten Eigentums sein konnten, auf die Verhältnisse bei der Übereignung der Module durch die Insolvenzschuldnerin an. Diese ist frühestens im Februar 2011 erfolgt. Maßgeblich ist, ob die Module zu diesem Zeitpunkt noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle hätten ersetzt und ob sie ihrerseits in anderen Anlagen hätten verwendet werden können. Hinweis: Dies unterstellen wir – genau wie die Bestimmtheit und die Übergabe – redaktionell, um den in rechtlicher Hinsicht sehr examensrelevanten Fall entscheiden zu können. Im Originalfall legte der BGH dem Berufungsgericht auf, dies zu klären, indem dem Kläger Gelegenheit zum Vortrag gegeben wird. Indem hier von diesem Umstand auszugehen ist, verloren die beweglichen Sachen nicht ihre Sonderrechtsfähigkeit i. S. d. § 93 BGB. Folglich richtete sich die Übereignung auf sonderrechtsfähige, noch im Eigentum des Insolvenzschuldners V stehende Sachen. Die Einigung im Sinne des § 929 S. 1 BGB war auch hinreichend bestimmt, somit wirksam und indem auch von einer Übergabe auszugehen ist, verlor V sein Eigentum an B gem. § 929 S. 1 BGB. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Herausgabe der Module aus §§ 80 I InsO, 985 BGB. FAZIT Eine Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB ist unwirksam, wenn sie sich auf bewegliche Sachen bezieht, die ihre Sonderrechtsfähigkeit verloren haben. Deshalb war hier zunächst zu prüfen, ob eine Freiland-Photovoltaik-Anlage ein zu einem Grundstück gem. § 946 BGB gehörendes Gebäude i.S.d. § 94 I 1 BGB ist, denn dann wären die Module und die Unterkonstruktion in ein solches gem. § 94 II BGB eingefügt worden und hätten ihre Sonderrechtsfähigkeit verloren. Weil sie nichts „Gebautes“ ist, ist sie nach Ansicht des BGH kein Gebäude. Dann war zu prüfen, ob die Unterkonstruktion mit dem Erdreich so verbunden worden ist, dass ihre Teile zu Bestandteilen des Grundstücks gem. §§ 94 I 1, 946 BGB geworden sind. Hier erkannte der BGH nur Scheinbestandteile gem. § 95 I 1 BGB. Schließlich musste der Verlust der Sonderrechtsfähigkeit gem. § 93 BGB durch Verbindung zu wesentlichen Bestandteilen gem. §§ 93, 947 BGB geprüft werden. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das vom BGH genannte Abgrenzungskriterium – Austauschbarkeit der Teile und ihre Verfügbarkeit am Markt – hier Rechtssicherheit schaffen wird. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2022 Referendarteil: Zivilrecht 17 Speziell für Referendare Problem: Zwangsvollstreckungsmaßnahme gem. § 888 ZPO bei dementem Schuldner Einordnung: ZPO II, Erbrecht BGH, Beschluss vom 23.09.2021 I ZB 20/21 EINLEITUNG Der enterbte Pflichtteilsberechtigte hat gegen die Erben einen Auskunftsanspruch gemäß § 2314 I 1 BGB zwecks Ermittlung der Höhe des stets auf Zahlung gerichteten Pflichtteilsanspruchs gem. § 2303 I BGB. Die klageweise Geltendmachung erfolgt meist stufenweise, nämlich als Auskunftsanspruch (1), eidesstattliche Versicherung bzgl. der Richtigkeit (2) sowie als Zahlungsanspruch (3). Erfolgt eine entsprechende Verurteilung, welcher der Schuldner nicht freiwillig nachkommt, erfolgt die Vollstreckung der ersten Stufe über §§ 888, 889 II ZPO, welche Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung von unvertretbaren Handlungen regelt. Der folgende Fall wird als Rechtsmittelentscheidung nach einem ablehnenden erstinstanzlichen Beschluss des Vollstreckungsgerichts auf einen Antrag gemäß § 888 ZPO dargestellt. GRÜNDE I. Die Schuldnerin (S) wurde mit Urteil des Landgerichts (…) nach Ziffer 1 verurteilt, den in einer Erbengemeinschaft verbundenen Gläubigerinnen Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am (…) verstorbenen Erblassers (…) zum Zeitpunkt seines Todes durch Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB und zwar in privatschriftlicher Form gem. § 2314 I 1 BGB. Weiter tenoriert wurden konkrete Anforderungen an den Inhalt des Verzeichnisses sowie Wertermittlungs- und diesbezügliche Auskunftspflichten. Auf die Berufung der S und die Anschlussberufung der Gläubigerinnen (G) hat das Berufungsgericht – rechtskräftig – das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Berufung der S im Übrigen und Aufhebung des Tenors zu 2 und 3 wie folgt abgeändert (…). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Berufungsurteils wurde nicht beantragt. S ist an Demenz erkrankt und selbst nicht in der Lage, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter (T) eine Generalvollmacht erteilt. Noch vor Erlass des Berufungsurteils haben die G beim Landgericht zur Erzwingung der in Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils niedergelegten Auskunftsverpflichtung gegen die S die Festsetzung von Zwangsgeld, ersatzweise Haft, oder von Haft gegen die Schuldnerin sowie hilfsweise gegen die Bevollmächtigten der Schuldnerin beantragt. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom (…) zurückgewiesen. Gegen den Beschluss haben die G mit Schriftsatz vom (…) beim Vollstreckungsgericht sofortige Beschwerde eingelegt. Jura Intensiv Die G sind der Rechtsansicht, die Demenz der S stehe einem Antrag gem. § 888 ZPO aufgrund der Bevollmächtigung der T nicht entgegen. LEITSÄTZE 1. Bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung gemäß § 888 I 1 ZPO darf gegen eine prozessunfähige natürliche Person, die mangels hinreichender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht in der Lage ist, einen natürlichen Willen zur Vornahme der von ihr geschuldeten Handlung zu bilden, kann keine Zwangshaft verhängt werden. 2. Gleiches gilt hinsichtlich des Bevollmächtigten des Schuldners. 3. Bei der gegen eine prozessunfähige natürliche Person gerichteten Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer nicht vertretbaren Handlung nach § 888 I 1 ZPO ist ein Zwangsgeld stets gegen den Schuldner persönlich festzusetzen. 4. Einer prozessunfähigen natürlichen Person ist die Vornahme einer nach § 888 I 1 ZPO zu erwirkenden Handlung nicht unmöglich, wenn die Handlung durch deren Bevollmächtigten vorgenommen werden kann. In Entscheidungen, die als Urteil ergehen, wird stets zwischen „Tatbestand“ und „Entscheidungsgründe“ getrennt. Ergeht die Entscheidung als Beschluss, wird zwischen Gründe zu I. und zu II. unterschieden. Prozessgeschichte wird im Indikativ Perfekt dargestellt. Lassen Sie sich nicht dadurch verunsichern, dass hier keine Anträge gestellt werden. Ursache hierfür ist § 569 II ZPO. Ausreichend für eine Beschwerde ist, dass die angegriffene Entscheidung erkennbar ist. Ein konkreter Antrag der Parteien ist nicht erforderlich, Thomas/Putzo/ Reichold, ZPO, § 569 Rn 10. Anders in der Berufungsschrift gemäß §§ 519 IV, 253 II Nr. 2 ZPO © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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