Aufrufe
vor 2 Jahren

RA Digital - 01/2022

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

22 Referendarteil:

22 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2022 (7) K: Aufrechnung mit Rückzahlungsanspruch bzgl. nach Widerspruch geleisteter Zahlungen gegen Herausgabeanspruch der B bzgl. Verkaufserlös als Surrogat für Hsrg. des veräußerten Fahrzeugs Erledigung negative Feststellungsklage (1) Rückzahlung bis zum Widerruf geleisteter Ratenzahlungen (2) Rückzahlung gezahlter Restraten nach Widerruf abzüglich aufgerechneten Verkaufserlös (7) sowie Zinsnebenforderungen (3) Folgen der einseitigen, da widersprochenen, Erledigungserklärung des K hinsichtlich (4) (5): Vorgerichtliche RA-Gebühren Es bleibt bei einer Klage trotz Anspruchshäufung. Nicht: Die Klagen sind (…) Zuständigkeit des Landgerichts H. Erstes Problem: Örtlicher Gerichtsstand des Erfüllungsortes Zuletzt: OLG München, Beschluss vom 22.06.2017, 34 AR 97/17 Für die negative Feststellungsklage bzgl. der Zahlungsverpflichtung aus einem Vertrag ist dasselbe Gericht örtlich zuständig, wie für den Zahlungsanspruch selbst. Zuletzt: BGH, Beschluss vom 11.11.2003, X ARZ 91/03 In der Originalentscheidung findet sich hierzu zutreffend ein gerichtlicher Hinweis gemäß § 139 I 2 ZPO. Gegen den Anspruch der B auf Herausgabe des Veräußerungserlöses erklärte K die Aufrechnung mit dem Anspruch auf Erstattung der Schlussrate und reduzierte entsprechend sein Zahlungsbegehren. K beantragt, 1. festzustellen, dass der vorherige negative Feststellungsantrag zu 1. ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist und sich durch die Beendigung des Leistungsaustausches erledigt hat, 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von (…€) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem (…) 2018 zu zahlen, 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite weitere (…€) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus jeweils (…€) seit dem (…)2018, seit dem (…)2018, seit dem (…)2018 sowie aus (…€) seit dem (…)2018 zu zahlen, 4. festzustellen, dass der vorherige Klageantrag auf Feststellung des Annahmeverzugs bis zum Zeitpunkt des Erledigungsereignisses – der Veräußerung des finanzierten Fahrzeugs – zulässig und begründet gewesen ist, 5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von (…€) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen. B beantragt, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Insbesondere ist das erkennende Gericht bezüglich des Klageantrags zu 1. örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist bei objektiver Klagehäufung gem. § 260 ZPO für jeden Anspruch separat zu prüfen. Jura Intensiv [17] OLG Stuttgart, Urteil vom 28.04.2020, 6 U 316/19 Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts H. ist gemäß § 29 ZPO gegeben. (…) denn jedenfalls besteht der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO am Wohnsitz des Darlehensnehmers (…). Wie (…) ausgeführt, bilden das festzustellende Rechtsverhältnis und den Streitgegenstand der negativen Feststellungsklage die weiteren Erfüllungsansprüche der Beklagten aus dem Darlehensvertrag. Der Erfüllungsort für die vertraglichen Ansprüche der Bank auf Zins und Tilgung gegen den Darlehensnehmer ist gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB in der Regel der Ort, an dem der Darlehensnehmer als Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, weil Geldschulden gemäß § 269 Abs. 1 BGB im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erbringen sind (…). Die ursprünglich erhobene negative Feststellungsklage hat sich nicht im Rechtssinne erledigt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2022 Referendarteil: Zivilrecht 23 [26] Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist (…). [27] Der Kläger hat die Schlussrate bereits am 15.10.2018 bezahlt, bevor der Beklagten die Klage am 26.10.2018 zugestellt worden ist. Mit vollständiger Erfüllung ist das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte negative Feststellung entfallen und die Klage ist damit bereits vor Eintritt der Rechtshängigkeit unzulässig geworden. Die Erledigung der Hauptsache kann deshalb nicht festgestellt werden. Entgegen der Rechtsauffassung des K kommt es hierbei nicht auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit, mithin Eingang der Klage bei Gericht am 19.09.2018, an. [26] (…) Eine Rückwirkung der Zustellung gemäß § 167 ZPO kommt nicht in Betracht, denn der Eintritt der Erledigung betrifft weder die Wahrung einer Frist noch den Neubeginn oder die Hemmung der Verjährung. Es besteht auch keine Regelungslücke, die notwendig wäre, um eine entsprechende Anwendung des § 167 ZPO in Betracht ziehen zu können. Eine Umdeutung der einseitigen Erledigungserklärung des K in eine Klagerücknahme, um eine ihm günstige Kostenentscheidung nach § 269 III 3 ZPO zu erreichen, scheidet aus. [29] Auch im Verfahrensrecht kommt die Umdeutung einer Prozesshandlung in entsprechender Anwendung von § 140 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer anderen, dem gleichen Zweck dienenden Prozesshandlung erfüllt sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Beschluss vom 17.08.2021, VIII ZB 14/21; BGH, Beschluss vom 19.03.2019, XI ZR 50/18). [30] (…) Denn eine Umdeutung scheidet aus, wenn beide in Betracht kommenden Prozesshandlungen den angestrebten Zweck verfehlen. Das ist hier der Fall, denn der Kläger hätte auch im Falle einer Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kosten zu tragen. [31] Gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO sind die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage schon vor Rechtshängigkeit weggefallen ist. Im vorliegenden Fall ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger den Wegfall des Anlasses zur Einreichung der Klage selbst herbeigeführt hat, indem er die Schlussrate beglichen und dadurch den primären Erfüllungsansprüchen der Beklagten, die mit der negativen Feststellungsklage geleugnet worden sind, selbst die Grundlage entzogen hat. Für den Kläger war demnach bereits bei Einreichung der Klage klar, dass die Behauptung der Beklagten, sie könne weiter Erfüllung des Vertrages verlangen, keinen Bestand haben würde. Die Beklagte konnte deshalb mit dieser Behauptung auch keinen Anlass zur Erhebung der negativen Feststellungsklage mehr geben, und der Kläger hatte von Anfang an keine Veranlassung die Folgen des Widerrufs nicht nur mit einer Leistungsklage, sondern daneben noch mit einer negativen Feststellungsklage geltend zu machen. Jura Intensiv Voraussetzungen der Erledigung im Zivilprozess: • Zulässiger Rechtsbehelf • Begründeter Rechtsbehelf • Erledigendes Ereignis zeitlich nach Rechtshängigkeit BGH, Urteil vom 27.01.2010, VIII ZR 58/09 Unzulässigkeit der negativen Feststellungsklage wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis aufgrund erfolgter Erfüllung durch K vor Rechtshängigkeit § 167 ZPO hilft dem K nicht, da dieser weder tatbestandlich erfüllt ist noch eine für eine analoge Anwendung erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegt. In der Originalentscheidung verlangte der K die Umdeutung nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis auf die Erfolglosigkeit des Erledigungsfeststellungsantrages. Beachte: Erfolgte der Hinweis gem. § 139 I 2 ZPO rechtzeitig, hätte K in der m. V. den Antrag entsprechend umstellen können. Hier aber nun die Ausführungen zur Umdeutung von Anträgen im Zivilprozess! • Voraussetzungen der gewollten Prozesshandlung erfüllt • Entsprechen dem mutmaßlichen Parteiwillen • Kein schutzwürdiges Interesse des Gegners verletzt Prüfung der Voraussetzungen für die Kostenverteilung im Falle einer hypothetischen Klagerücknahme Diese wäre hier ebenfalls zu Lasten des K ausgefallen, da der Kläger den Grund für die Klagerücknahme selbst herbeigeführt hat. Der Grund für die negative Feststellungsklage ist das Bedürfnis des K, die fehlende Verpflichtung zur weiteren Zahlung tituliert zu wissen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats