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RA Digital - 01/2022

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

2 Zivilrecht

2 Zivilrecht RA 01/2022 LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Rückzahlung der 1.000 € aus § 355 III BGB K stünde gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung der 1.000 € aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 355 III BGB zu, wenn K den in ihrem Eigenheim geschlossenen Vertrag mit B wirksam widerrufen hätte. Dies setzt gem. § 355 BGB ein Widerrufsrecht der K sowie eine Widerrufserklärung innerhalb der Widerrufsfrist voraus. I. Widerrufserklärung K hat gegenüber B den Widerruf gem. § 355 I BGB erklärt. Typische Prüfungspunkte bei einem Verbraucherwiderrufsrecht: • Persönliche Anwendbarkeit der Widerrufsnorm • Sachliche Anwendbarkeit • Kein Ausschluss des Widerrufsrechts Benachteiligungsverbot gem. § 312k I BGB Voraussetzungen des Ausschlussgrundes gem. § 312g II Nr. 1 Anwendbarkeit auf Werkverträge: Entscheidender Aspekt des Falles II. Widerrufsrecht der K gem. § 355 I BGB Indem der Vertrag im Einfamilienhaus der K geschlossen wurde, könnte ihr gem. §§ 312, 312b, 312g BGB ein Widerrufsrecht zustehen. 1. Persönliche Anwendbarkeit Das Widerrufsrecht gem. §§ 312, 312b, 312g BGB verlangt gem. § 312 BGB das Vorliegen eines Verbrauchervertrages i.S.d. § 310 III BGB. Dies setzt einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher voraus. Vorliegend handelte B in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit und ist gem. § 14 BGB Unternehmer. K erwarb den Treppenlift zu privaten Zwecken und ist folglich gem. § 13 BGB Verbraucher. Ein Verbrauchervertrag liegt somit gem. § 310 III BGB vor. 2. Sachliche Anwendbarkeit Ein Widerrufsrecht gem. §§ 312, 312b, 312g BGB setzt voraus, dass der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen wurde. Vorliegend schlossen K und B den Vertrag im Einfamilienhaus der K und somit außerhalb der Geschäftsräume des B. 3. Kein Ausschluss Jura Intensiv a) Rechtsgeschäftlicher Ausschluss Das Widerrufsrecht könnte ausgeschlossen sein, wenn man in der Regelung innerhalb der Widerrufsbelehrung eine wirksame, erfolgreich in den Vertrag einbezogene Ausschlussklausel sähe. Jedoch verstieße, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht bestünde, eine solche Regelung gegen das in § 312k I BGB normierte Benachteiligungsverbot. Ein rechtsgeschäftlicher Ausschluss liegt nicht vor. b) Ausschluss gem. § 312g II Nr. 1 BGB Fraglich ist jedoch, ob der Ausschlussgrund des § 312g II Nr. 1 BGB vorliegt. Danach ist der Widerruf ausgeschlossen, wenn der Vertrag auf die Lieferung von Waren gerichtet ist, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Fraglich ist zum einen, ob der Ausschlussgrund nur für Werklieferungsverträge oder auch für Werkverträge gilt und zum anderen, ob zwischen den Parteien ein Werklieferungsvertrag gem. § 650 BGB oder ein Werkvertrag gem. § 631 BGB geschlossen wurde. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2022 Zivilrecht 3 [15] Die Bestimmung des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt zunächst den Abschluss eines Vertrags zur Lieferung von Waren voraus. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist weiter zu prüfen, ob die zu liefernden Waren nicht vorgefertigt sind und ob für ihre Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder sie eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zu den Verträgen zur Lieferung von Waren im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch - jedenfalls im Regelfall - Werkverträge (§ 631 BGB) zählen. [16] Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Diese Bestimmung setzt Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher in das deutsche Recht um. Nach dieser Vorschrift sehen die Mitgliedstaaten bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht vor, wenn Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dabei bezeichnet der Ausdruck „nach Kundenspezifikation angefertigte Waren“ nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2011/83/EU Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Entscheidung durch den Verbraucher maßgeblich ist. [33] Für Werkverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, gilt der Ausschluss des in § 312g Abs. 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrechts des Verbrauchers nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht (...). Also kommt es hier entscheidend auf die Rechtsnatur des Vertrages an. [22] Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits darauf ankommt, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstands, das Wertverhältnis von Lieferung sowie Montage- und Bauleistung sowie die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu liefernden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kauf- oder Werklieferungsvertrags geboten. Liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung bei der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liegt ein Werkvertrag vor (...). [25] Das Berufungsgericht hat angenommen, im Streitfall biete die Beklagte den Abschluss eines Werklieferungsvertrags an, der der Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB unterfalle und bei dem ein Widerrufsrecht - anders als im Falle des Werkvertrags - nicht bestehe. (...) Planung und Montage stellten bloße Nebenleistungen dar und seien nach der Verkehrsanschauung der Lieferung des Systems zuzuordnen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Beklagte das Produkt individuell hergestellt habe und die individuelle Jura Intensiv Bei der Prüfung des § 312g II Nr. 1 BGB muss zuerst festgestellt werden, ob der Vertrag überhaupt auf die Lieferung einer Ware gerichtet ist und nur im Bejahensfall, ob eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher oder eine individuelle Anpassung an seine Bedürfnisse erfolgen soll. Keine Anwendung des § 312g II Nr. 1 BGB auf reine Werkverträge Auf den Schwerpunkt des Vertrages kommt es an. Abgrenzungskriterien Nach Meinung des Berufungsgerichts lag ein Werklieferungsvertrag vor, da die Montageleistung nur einen geringen Aufwand erfordere. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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