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RA Digital - 02/2016

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62 Zivilrecht

62 Zivilrecht RA 02/2016 PRÜFUNGSSCHEMA A. Erbfolge nach dem Tod des E I. Wirksame Erbeinsetzung des B durch Testament II. Annahme der Erbschaft III. Anfechtung der Fristversäumung am 16.01.2014 1. Anfechtungserklärung 2. Anfechtungsgrund B. Ergebnis LÖSUNG Wirksame Erbeneinsetzung des B durch notarielles Testament vom 22.08.2007 Voraussetzungen der Ausschlagung einer Erbschaft gem. §§ 1943 f. BGB Keine Genehmigung des Nachlassgerichts für die Ausschlagungserklärung der F für ihren Sohn B B hat sie auch nach Erlangung der Volljährigkeit dem Nachlassgericht nicht beigebracht. A. Erbfolge nach dem Tod des E Der Enkelsohn B könnte den Erblasser E aufgrund des notariellen Testaments vom 22.08.2007 beerbt haben. I. Wirksame Erbeinsetzung des B durch Testament Gem. § 1937 BGB kann der Erblasser durch einseitige letztwillige Verfügung von Todes wegen (Testament) seinen Erben bestimmen. Ausweislich des notariellen Testaments des E vom 22.08.2007 soll Enkel B nach seinem Tod alleiniger Erbe werden. Die für die Errichtung eines Testaments vorgeschriebene Form gem. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB wurde gewahrt. Von der Testierfähigkeit (§ 2229 BGB) des E ist auszugehen. Mithin ist die Wirksamkeit des Testaments zu bejahen, sodass B nach dem Tod des E am 02.01.2013 dessen Erbe geworden ist. II. Annahme der Erbschaft Gem. § 1922 I BGB tritt der Erbe mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession von selbst in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Davon unbeschadet bleibt dem Erben das Recht, die Erbschaft aus-zuschlagen. § 1943, 2. Fall BGB setzt jedoch voraus, dass die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist von sechs Wochen (§ 1944 I BGB) noch nicht verstrichen ist. Gem. 1944 II BGB beginnt die Frist in dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor ihrer Bekanntgabe durch das Nachlassgericht. Vorliegend hat F die Erbschaft mit notarieller Urkunde vom 19.03.2013 für ihren Sohn ausgeschlagen. Jura Intensiv „[8] Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht zunächst ausgeführt, dass die von F am 19. März 2013 für den seinerzeit noch minderjährigen B erklärte Ausschlagung der Erbschaft unwirksam ist. Diese bedurfte gemäß § 1822 Nr. 2 in Verbindung mit § 1643 Abs. 2 BGB der Genehmigung des Familiengerichts. Eine solche wurde bis zum Eintritt der Volljährigkeit des B am 28.09.2013 nicht erteilt. Zwar konnte B anschließend gemäß § 1829 Abs. 3 in Verbindung mit § 1643 Abs. 3 BGB die Genehmigung selbst erteilen. Dies hatte aber gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen (vgl. § 1945 Abs. 1 Halbs. 1 BGB). Daran fehlt es, da weder der die Unterschrift des B beglaubigende Notar noch die F und B selbst die Genehmigungserklärung vom 01.10.2013 zu irgendeinem Zeitpunkt dem Nachlassgericht zugeleitet haben. Damit war die Ausschlagungsfrist - wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei annimmt - spätestens Mitte November 2013 abgelaufen. Mithin liegt eine Versäumung der Ausschlagungsfrist vor, sodass die Erbschaft gem. § 1943 BGB a.E. als angenommen gilt. Inhaltsverzeichnis

RA 02/2016 Zivilrecht 63 III. Anfechtung der Fristversäumung am 16.01.2014 Diese Fristversäumung könnte B am 16.01.2014 wirksam nach den §§ 1954 ff. BGB angefochten haben. § 1956 BGB sieht die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie für die Annahme der Erbschaft vor. Gem. § 1957 I 1. Fall BGB hätte dies zur Folge, dass die Erbschaft dann als ausgeschlagen gilt. 1. Anfechtungserklärung B hat die Anfechtung in einer notariell beglaubigten Erklärung vom 16.01.2014, die am 17.01.2014 beim Nachlassgericht einging, form-wirksam gem. §§ 1955, 1945 BGB erklärt. „[10] Nicht entschieden werden muss hier die Frage, ob die Anfechtungserklärung gemäß § 119 BGB in Verbindung mit § 1954 BGB einer Begründung bedarf. Teilweise wird angenommen, aus der Erklärung müsse lediglich die eindeutige Kundgabe eines Anfechtungswillens hervorgehen, nicht dagegen die Angabe eines Anfechtungsgrundes. Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, die Anfechtungserklärung müsse zumindest in groben Zügen den für den Anfechtungsgrund maßgeblichen Lebenssachverhalt nennen. Hier hat der B jedenfalls in seiner Anfechtungserklärung vom 16.01.2014 einen Anfechtungsgrund angegeben, indem er erklärt hat, die Genehmigungserklärung sei irrtümlich nicht dem Nachlassgericht zugeleitet worden, sondern auf seine Veranlassung hin seiner Mutter, der F; ihm und seiner Mutter sei nicht bekannt gewesen, dass die Genehmigungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen gewesen sei.“ 2. Anfechtungsgrund Zu prüfen ist weiterhin, ob dieser Umstand einen zur Anfechtung berechtigenden Grund gem. § 119 BGB i.V.m. § 1954 BGB darstellt. „[11] [Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass] das Nachlassgericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG, nicht von sich aus zu erforschen hat, ob zur Anfechtung berechtigende Tatsachen vorliegen, die der Anfechtende selbst nicht behauptet. Die Ermittlungstätigkeit der Tatsacheninstanzen beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung, ob die Anfechtungsgründe zutreffen, die der Anfechtungsberechtigte in der Anfechtungserklärung oder später geltend macht bzw. die aufgrund sonstiger Umstände für das Nachlassgericht ersichtlich sind. Werden andere als die in der ursprünglichen Anfechtungserklärung genannte Gründe geltend gemacht, liegt eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist. Das Nachlassgericht hat im Rahmen seiner Ermittlungspflicht lediglich zu prüfen, ob sich der in der Anfechtungserklärung genannte Anfechtungsgrund einem bestimmten konkret umrissenen Sachverhalt zuordnen lässt. Ist dies der Fall, so kann der Anfechtungsberechtigte die ursprüngliche Anfechtungserklärung auch später noch mit Erläuterungen und Ergänzungen versehen. Fehlt es demgegenüber an einem sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Fehlvorstellungen, so handelt es sich bei dem „Nachschieben von Gründen“ tatsächlich um eine neue Anfechtungserklärung. Den Inhalt der Anfechtungserklärung hat der Tatrichter nach den allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln. Diese Auslegung kann jeweils nur nach den Umständen des Einzelfalles erfolgen. Jura Intensiv Formwirksame Anfechtungserklärung der Versäumung der Ausschlagungsfrist Lies zum Problem, ob die Anfechtungserklärung nur die Kundgabe eines Anfechtungswillens oder auch die Angabe eines Anfechtungsgrundes bedarf: Palandt-Weidlich, BGB, § 1955 Rn 2 und Erman-W. Schlüter, BGB, § 1945 Rn 2, jeweils mwNw. Umfang der Ermittlungspflichten des Nachlassgerichts von Amts wegen gem. § 26 FamFG Inhaltsverzeichnis

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