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RA Digital - 02/2016

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70 Zivilrecht

70 Zivilrecht RA 02/2016 I. Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete Gem. der Legaldefinition des § 558 II BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt werden, gebildet. Vorliegend erscheint es problematisch, wie das Merkmal der Größe einer Wohnung auszulegen ist. Im 1985 abgeschlossenen Mietvertrag ist die Wohnfläche mit 157 qm angegeben. Tatsächlich beträgt sie aber sogar 210 qm. Die Rspr. des BGH zur Mangelhaftigkeit einer Wohnung gem. § 536 BGB, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. BGH, RA 2004, 477, VIII ZR 295/03 und BGH, RA 2010, 266 VIII ZR 155/09 Gesetzgeberischer Wille bei der Auslegung des § 558 I BGB maßgeblich „[9] Nach der Rechtsprechung des Senats beinhaltet die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe im Allgemeinen zugleich eine dahin gehende vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung. Dementsprechend geht der Senat - woran festzuhalten ist - in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt. [10] Das bedeutet jedoch nicht, dass mit einer solchen bei Vertragsschluss getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung auch die bei einer späteren Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 2 BGB in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete einzustellende Größe der Wohnung in gleicher Weise durch einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden fiktiven Wert verbindlich festgelegt ist. Soweit der Senat dies in seiner bisherigen Rechtsprechung anders gesehen hat, indem er Abweichungen von bis zu 10 % für unbeachtlich gehalten hat, hält er daran nicht mehr fest. Vielmehr ist jede im Wohnraummietvertrag enthaltene, von der tatsächlichen Wohnungsgröße abweichende Wohnflächenangabe für die in § 557 Abs. 3 Halbs. 1 BGB vorgeschriebene Anwendbarkeit des § 558 BGB und die nach dessen Maßstäben zu beurteilende Mieterhöhung ohne rechtliche Bedeutung. Maßgeblich für den nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ist allein die tatsächliche Größe der vermieteten Wohnung. [11] [Denn] hinsichtlich der Anforderungen an eine Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Gesetzgeber von Anfang an davon ausgegangen, dass für den Vergleich allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgebend ist. Dementsprechend hat er etwa die Art der Wohnungsfinanzierung ebenso wie die Kosten der Herstellung, der Erhaltung und der Modernisierung außer Betracht lassen und auch dem Alter der Wohnung nur insoweit Bedeutung beimessen wollen, als dadurch der Wohnwert etwa über den Erhaltungszustand beeinflusst wird. Damit hat er unübersehbar zum Ausdruck gebracht, dass er nur den objektiven Wohnwert in den Vergleich eingestellt wissen, subjektiven Elementen, zu denen auch Vereinbarungen zu bestimmten Wohnwertmerkmalen - hier die Wohnungsgröße - zählen, dagegen keinen Raum geben wollte. Jura Intensiv Zur Ermittlung der Vergleichsmiete ist damit an objektive Kriterien anzuknüpfen, es sei denn, die Vertragsparteien hätten - wie hier jedoch nicht - gemäß § 557 I, III Hs. 2 BGB anlässlich der konkreten Mieterhöhung in zulässiger Weise (vgl. § 557 IV, § 558 VI BGB) Abweichendes vereinbart. Für eine Inhaltsverzeichnis

RA 02/2016 Zivilrecht 71 Mieterhöhung nach § 558 BGB kommt es nicht auf fiktive Verhältnisse, sondern auf die für die tatsächliche Wohnungsgröße maßgebliche Miete an. Die Vorschrift soll es dem Vermieter ermöglichen, im Rahmen des Vergleichsmietensystems eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen und dazu bilden allein die (tatsächlichen) Gegebenheiten den Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung. II. Vereinbarung eines teilweisen Ausschluss künftiger Mieterhöhungen Möglicherweise wollten die Parteien allerdings mit der ursprünglich im Mietvertrag angegebenen kleineren, von der tatsächlichen Wohnfläche abweichenden Größe, einen teilweisen Ausschluss künftiger Mieterhöhungen des Vermieters vereinbaren. Ob und unter welchen Umständen dies tatsächlich der Fall ist, wird unterschiedlich beurteilt. „[16] Eine im Schrifttum mit unterschiedlicher Begründung vertretene Auffassung führt an, dass in Fällen, in denen im Mietvertrag die Wohnungsgröße niedriger, als sie tatsächlich ist, festgesetzt wird, eine auf die tatsächliche Wohnungsgröße gestützte Mieterhöhung bereits deshalb nicht in Betracht kommen könne, weil sich aus dieser Größenangabe zugleich der Ausschluss einer Mieterhöhung für die abweichend vom Mietvertrag vorliegende größere Fläche ergebe. Teilweise wird demgegenüber aber auch darauf hingewiesen, man könne einer Beschaffenheitsvereinbarung ohne besondere zusätzliche Anhaltspunkte nicht die Bedeutung eines Feststellungsvertrages in dem Sinne beimessen, dass die Vertragsparteien damit umfassend die Realität fingieren und etwa auch für künftige Mieterhöhungen das Wohnwertmerkmal der Größe ein für alle Mal abschließend dahin festlegen wollten, dass sie mit der Angabe einer zu geringen Wohnfläche im Mietvertrag hinsichtlich der überschießenden Fläche zugleich eine Ausschlussvereinbarung gemäß § 557 Abs. 3 BGB treffen wollten. Diese Auffassung trifft zu. [17] Vor dem Hintergrund, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Erhöhung der Miete für Wohnraum in §§ 558 ff. BGB es dem Vermieter ermöglichen sollen, eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellende Miete zu erzielen, kann sich nach der Rechtsprechung des Senats auf Seiten des Mieters, dessen Interessen dabei durch die Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete, die Jahressperrfrist, die 15-monatige Wartezeit, die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB und das Sonderkündigungsrecht des § 561 BGB ausreichend Rechnung getragen wird, ein schutzwürdiges Vertrauen dahin, dass ihm der Vorteil einer unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Miete unbeschränkt verbleibt, grundsätzlich nicht bilden. Der Mieter muss im Gegenteil von vornherein damit rechnen, dass in dem (eingeschränkten) Rahmen des § 558 BGB eine stufenweise Anpassung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgt, soweit die Parteien nicht gemäß § 557 Abs. 3 Halbs. 2 BGB eine Erhöhung der Miete durch Vereinbarung ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss aus den Umständen ergibt. [18] Solche Umstände können allerdings - wie der Senat gleichzeitig hervorgehoben hat - insbesondere nicht schon darin gesehen werden, dass die ortsübliche Vergleichsmiete die vereinbarte Miete bereits bei Vertragsschluss überschritten hat. Denn ein rechtsgeschäftlicher Wille der Parteien, die vereinbarte Miete als solche oder einen (prozentualen oder betragsmäßigen) Abstand der Miete von der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete Jura Intensiv Fraglich ist, ob die Parteien einen teilweisen Ausschluss künftiger Mieterhöhungen des Vermieters vereinbaren wollen, wenn sie die Wohnfläche im Mietvertrag kleiner bezeichnen, als sie tatsächlich ist. Es sind eindeutige Umstände erforderlich, dass Mieter und Vermieter eine Erhöhung der Miete gem. § 557 III 2. Hs. BGB ausschließen wollen. Inhaltsverzeichnis

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