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RA Digital - 02/2016

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74 Referendarteil:

74 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2016 Streitiges Klägervorbringen: Konjunktiv Präsens Parteianträge Das Beklagtenvorbringen kann entfallen, wenn dieser lediglich Tatsachen bestreitet, für die der Kläger beweisbelastet ist. Obersatz: die Klage scheitert bereits an der Substantiierung der Aktivlegitimation des Klägers. Zur Darlegung der alleinigen Anspruchsinhaberschaft war hier schlüssiger und substantiierter Vortrag der Stellung als Alleinerbe nach seiner Ehefrau als weiterer Vermieterin erforderlich. Hier liegt aber kein substantiierter Vortrag vor, sondern lediglich eine Rechtsbehauptung. § 141 ZPO Kein zulässiges Beweisangebot Die Parteivernehmung ist nur dann zulässig, wenn der Gegner einverstanden ist (§ 447 ZPO) oder der sog. Anbeweis vorliegt (§ 448 ZPO). Die Nebenkostenabrechnung 2013 und das Schreiben vom 17.10.2014 richtete der Kläger lediglich an die Mutter des Beklagten. Der Kläger behauptet, er sei nach dem Tod seiner Ehefrau alleiniger Erbe und Alleineigentümer des streitgegenständlichen Hausanwesens geworden. Auch der Beklagte sei Partei des Mietvertrags geworden. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 3.173,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % jährlich seit dem 25.10.2014, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € an den Kläger zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat bereits seine Aktivlegitimation für die streitgegenständlichen Ansprüche nicht hinreichend dargelegt. Dies gilt sowohl für die mietvertraglichen Ansprüche als auch für solche Ansprüche, die aus dem Eigentum an der Mietwohnung folgen. Unstreitig war der Mietvertrag auf Vermieterseite von dem Kläger gemeinsam mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau abgeschlossen worden. Der Kläger kann daher nur dann Zahlung an sich selbst verlangen, wenn er zum jetzigen Zeitpunkt alleiniger Inhaber eines solchen vertraglichen Anspruchs wäre. Dies setzt voraus, dass er alleiniger Erbe nach seiner Ehefrau geworden ist. Der Kläger hat jedoch die Rechtsbehauptung, Alleinerbe nach seiner verstorbenen Ehefrau geworden zu sein, schon nicht hinreichend dargelegt: Dafür, dass er testamentarischer Erbe oder Vertragserbe geworden ist, hat er nichts vorgetragen, so dass von dem gesetzlichen Erbrecht unter Ehegatten ausgegangen werden muss. Der überlebende Ehegatte ist nach § 1931 BGB jedoch grundsätzlich nicht allein zum Erbe berufen, sondern neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft. Zu all diesen Voraussetzungen hat der Kläger keinen Sachvortrag gehalten. Er hat lediglich die Rechtsbehauptung aufgestellt, seine Ehefrau alleine beerbt zu haben, und zum Beweis hierfür seine informatorische Anhörung nach § 141 ZPO angeboten. Damit hat er bei genauer Betrachtung überhaupt keine Tatsachen vorgetragen, die seine Aktivlegitimation stützen könnten. Es kann vielmehr nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers schon nicht ausgeschlossen werden, dass neben ihm weitere Miterben erster, zweiter oder dritter Ordnung vorhanden sind. In diesem Fall könnte der Kläger lediglich Leistung an die Erbengemeinschaft verlangen, nicht aber an sich selbst. Jura Intensiv Im Übrigen hat Kläger auch keinen zulässigen Beweis für die Behauptung der alleinigen Anspruchsinhaberschaft angetreten. Er hat lediglich seine eigene Vernehmung als Partei angeboten. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor, nachdem der Beklagte sein Einverständnis nicht erklärt hat (§ 447 ZPO) und auch nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Behauptung des Klägers spricht, so dass eine Vernehmung des Klägers als Partei von Amts wegen nicht in Betracht kommt (§ 448 ZPO). Inhaltsverzeichnis

RA 02/2016 Referendarteil: Zivilrecht 75 Auch die vom Kläger angebotene, im Ermessen des Gerichts stehende Anhörung gem. § 141 ZPO ist keine Beweisaufnahme im Sinn einer Parteivernehmung, denn sie dient gerade nicht der Aufklärung eines streitigen Sachverhalts, sondern dem besseren Verständnis dessen, was die Partei behaupten und beantragen will. Der Antrag, die eigene Partei zum Zweck der Sachaufklärung persönlich zu laden und anzuhören, kann somit nicht die Pflicht der Partei zum vollständigen Prozessvortrag nach § 138 I ZPO ersetzen. Die informatorische Anhörung des Klägers wäre zudem auch nicht geeignet, seine Stellung als Alleinerben nachzuweisen, wofür die Rechtsordnung insbesondere das Erbscheinsverfahren vorsieht. Der Klage bleibt im Übrigen auch deshalb der Erfolg versagt, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte überhaupt Partei des Mietvertrags geworden ist. Unstreitig hat der Beklagte den schriftlichen Mietvertrag nicht unterzeichnet, sondern nur dessen Mutter, die ohne Vertretungszusatz gezeichnet hat, während beide im Vertragsrubrum als Mieter aufgeführt sind. Ob der Beklagte Vertragspartei des Mietvertrags geworden ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung, §§ 164 ff. BGB. „[28] Bei einer Personenmehrheit auf Mieterseite kommt es beim schriftlichen Mietertrag grundsätzlich darauf an, wer im Kopf der Vertragsurkunde als Mieter aufgeführt ist und wer den Vertrag unterzeichnet hat. Für den Fall von Eheleuten als Mieter etwa nimmt die obergerichtliche Rechtsprechung grundsätzlich an, dass der andere Ehegatte auch ohne eigene Unterschrift Vertragspartei wird, wenn der Unterzeichnende den Mietvertrag zugleich als bevollmächtigter Vertreter des anderen Ehegatten unterzeichnet (§ 164 BGB) oder der Unterzeichnende als vollmachtloser Vertreter gehandelt hat und der andere Ehegatte dieses Handeln in der Folgezeit genehmigt (§§ 177 I, 182, 184 BGB). Fehlt es hieran, kommt der Vertrag entweder gar nicht oder - falls dem Vermieter die Zahl seiner Vertragspartner gleichgültig ist - nur mit einem Ehegatten zustande. (…) bb) Der Bundesgerichtshof hat diese Frage für die Wohnungsmiete soweit erkennbar noch nicht entschieden. Er hat allerdings deutlich gemacht, dass bei formbedürftigen Mietverträgen über Gewerberäume und bei formbedürftigen Pachtverträgen die Schriftform nur gewahrt ist, wenn die Urkunde erkennen lässt, dass der unterschreibende Ehegatte zugleich im Namen des anderen tätig geworden ist. Für Wohnungsmietverträge wird deshalb von den Instanzgerichten die Auffassung vertreten, dass sich auch hier die Vertretungsabsicht aus der Vertragsurkunde selbst ergeben muss, etwa durch den Zusatz „i.V.“. Anderenfalls könne der Zweck der Schriftform nicht erreicht werden, weil Unklarheit darüber bestehe, wer Vertragspartner geworden sei. Für die Annahme einer Vertretungssituation bestehe nur dann eine Vermutung, wenn eine typische Vertretungssituation vorliege, wenn etwa ein Ehegatte aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert sei.“ Jura Intensiv Legt man diese Grundsätze, denen sich das Gericht anschließt, zugrunde, hat der Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen, welche Tatsachengrundlage den Schluss rechtfertigen kann, dass die Mutter des Beklagten ihre Unterschrift unter den Vertrag konkludent zugleich im Namen des Beklagten Die Anhörung einer Partei ist kein Beweis, sondern dient nur der Substantiierung des Vortrags. Diese ersetzt nicht den nach dem Beibringungsgrundsatz erforderlichen Parteivortrag. Zöller-Greger, ZPO, § 141 Rn 1 Die nachfolgenden Ausführungen zur Frage, ob der Beklagte Mieter war, sind im Grunde überflüssig, da es bereits an der Aktivlegitimation fehlt. In der Praxis kann eine solche hilfsweise Begründung jedoch im Hinblick auf mögliche Rechtsmittel sinnvoll sein. Grundsätzlich kommt es sowohl auf die Erwähnung im Kopf der Vertragsurkunde, als auch auf die Unterzeichnung an. Bei Ehegatten kann die Unterzeichnung durch eine Partei ausreichen. Hierbei handelt es sich um eine praxisrelevante Sondersituation! Noch keine BGH – Entscheidung zur Wohnungsmiete bzgl. dieser streitigen Rechtsfrage BGH, Urteil vom 07.05.2008, XII ZR 69/06: Tätigwerden für den anderen Ehegatten muss erkennbar geworden sein. Instanzgerichte: Vertretung erkennbar, z.B. durch Zusatz „i.V.“ Vermutung der Vertretung, wenn typische Vertretungssituation Hier ist neben einer Vertretung ebenso plausibel, dass die Unterschrift vergessen wurde. Inhaltsverzeichnis

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